Kinder warten im südlichen Gazastreifen auf etwas zu Essen. Die Versorgungslage wird immer prekärer. Foto: AFP

Das unermessliche Leid der Menschen in Gaza: Wie lange schaut Deutschland zu?

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Gleich zu Beginn ein Eingeständnis: Ich war noch nie in Gaza, ich beziehe mich nur auf Berichte von anderen. Aber es sind Berichte hochseriöser Medien, in denen übereinstimmend von einem schier unvorstellbaren Leid der Menschen im Gazastreifen berichtet wird.

Menschen, die vor den Augen der Weltöffentlichkeit zu verhungern drohen, weil Israel keine oder so gut wie keine Nahrungs- und Hilfsmittel mehr in den Gazastreifen lässt, ausgemergelte Mütter, die apathisch zusehen müssen, wie ihre unterernährten Kinder langsam sterben, unbewaffnete Palästinenser, die zusammengeschossen werden, wenn sie zu irgendwelchen Punkten rennen, weil sie dort noch auf etwas Essbares hoffen, Hunderttausende, die hin- und hergetrieben werden, weil Israel den fast völlig zerbombten Küstenstreifen immer weiter bombardiert. Die Liste der Grausamkeiten ließe sich verlängern.

Gaza: Was Israel macht, hat nichts mehr mit Selbstverteidigung zu tun

Es stimmt ja: Angefangen hatte alles mit dem beispiellos brutalen Überfall der palästinensischen Terrororganisation Hamas am 7. Oktober 2023. Das war mit 1.182 Todesopfern der größte Massenmord an Juden seit dem Holocaust. Unbestreitbar ist auch das Recht Israels, sich zu verteidigen. Nur hat das, was jetzt im Gazastreifen passiert, und was militante jüdische Siedler im Westjordanland unschuldigen Palästinensern antun, nichts mehr mit Selbstverteidigung zu tun. Das ist eher blindwütige Raserei eines militanten Regimes in Jerusalem, das von ultrarechten Politikern weitgehend dominiert wird und in dem es dem Regierungschef Netanjahu vor allem um den eigenen Machterhalt geht.

Noch eine Selbstverständlichkeit: Deutschland hat nach der Ermordung von sechs Millionen Juden im Dritten Reich eine besondere Verantwortung gegenüber dem jüdischen Volk. Das verpflichtet uns aber nicht zu einer bedingungs- und dann auch verantwortungslosen Loyalität.

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28 Staaten haben einen dringlichen Appell an Israel gerichtet, dem Leiden im Gazastreifen sofort ein Ende zu setzen. Zu diesen Staaten gehören so wichtige Länder wie Frankreich, Großbritannien und Italien. Die deutsche Regierung aber verweigert sich, will sich dem Appell nicht anschließen.

Merz’ Begründung ist eine Ausrede

Die Begründung von Kanzler Merz ist eine wenig wahrhaftige Ausrede: Deutschland habe doch schon vor dem Appell der 28 eine „praktisch inhaltsgleiche“ Position im Europäischen Rat vertreten. Und – typisch Merz – unterstrich der Kanzler: „Ich nehme für mich in Anspruch, dass ich einer der Ersten gewesen bin, der in aller Deutlichkeit auch in Deutschland gesagt hat, dass die Zustände dort nicht länger hinnehmbar sind.“

Was Merz nicht erwähnt: Der Appell der 28 Staaten, dem Deutschland sich nicht anschließen will, enthält eindeutige Schuldzuweisungen und ist viel schärfer als die Erklärung des Europäischen Rates, mit der der Kanzler sich brüstet. So verurteilen die 28 „die unmenschliche Tötung von Zivilisten einschließlich Kindern, die versuchen, ihre grundlegendsten Bedürfnisse nach Wasser und Nahrung zu stillen“. Sie bezeichnen die israelische Verweigerung humanitärer Hilfe als „inakzeptabel“.

Der Europäische Rat, auf den der Kanzler sich beruft, kritisiert nur „eine verheerende humanitäre Lage“ im Gaza. Die 28 Staaten gehen in ihrem Appell deutlich weiter, werfen der israelischen Regierung vor, dass sie „die Würde der Menschen in Gaza untergräbt“. Eine Zwangsumsiedlung der palästinensischen Bevölkerung wird ausdrücklich als „Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht“ benannt.

Selbst wenn der Kanzler und sein Außenminister die sprachlichen und damit auch inhaltlichen Unterschiede für nicht so gravierend halten sollten, muss man sie fragen: Was spricht dagegen, dass Deutschland neben der Erklärung des Europäischen Rates auch den Appell der 28 Staaten unterschreibt? Das Leiden im Gazastreifen ist nach allen Berichten so unermesslich, dass zwei Unterschriften der Deutschen Regierung gegen die Verursacher doch nicht zu viele sein dürften.

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