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  • Foto: dpa

Britischer Premier seit einem Jahr im Amt: Boris Johnson räumt Fehler ein

London –

Boris Johnson ist seit einem Jahr Premierminister von Großbritannien, am 24. Juli vergangenen Jahres wurde er Nachfolger von Theresa May. In einer ersten Bilanz seiner Amtszeit hat er jetzt Fehler im Umgang mit der Corona-Pandemie eingeräumt – und prognostsiziert, dass die Briten deshalb vermutlich noch lange mit der Pandemie zu kämpfen haben werden.

„Natürlich gibt es Dinge, die wir falsch gemacht haben“, sagte Johnson gegenüber „Sky News“. „Wir müssen so schnell wie möglich aus unseren Fehlern lernen.“ Seine Prognose: Das Schlimmste dürfte „Mitte nächsten Jahres“ vorbei sein. Kürzlich hatte er noch eine Rückkehr zur Normalität bis Weihnachten vorhergesagt.

Auch in einem BBC-Interview zum einjährigen Amtsjubiläum gab er sich ähnlich kleinlaut: „Wir haben (das Virus) in den ersten Wochen und Monaten nicht in der Art und Weise verstanden, wie wir das gerne getan hätten.“ Vor allem das Ausmaß der Übertragung durch Menschen, die keine Symptome zeigten, sei unterschätzt worden. Auf die Frage, ob Ausgangsbeschränkungen zu spät verhängt worden seien, antwortete er ausweichend. Es handle sich um „offene Fragen“ unter Forschern.

Großbritannien: Mindestens 45.000 Corona-Tote

Nach Angaben des Epidemiologen und Ex-Regierungsberaters Neil Ferguson vom Imperial College hätte mindestens die Hälfte der mehr als 45.500 Todesfälle verhindert werden können, wäre der Lockdown im März eine Woche früher durchgesetzt worden. Auch die massenhafte Überführung von Patienten aus Krankenhäusern in Pflegeheime, ohne sie vorher getestet zu haben, gilt unter Fachleuten als massiver Fehler, der Tausende das Leben gekostet haben dürfte.

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Vermutlich seien auch viele Menschen der Pandemie zum Opfer gefallen, die nie auf das Virus getestet wurden. Zahlen der Statistikbehörden zufolge wurden schon fast 55.000 Todesfälle erfasst, bei denen Covid-19 im Totenschein erwähnt wurde. Die sogenannte Übersterblichkeit für die Zeit der Pandemie liegt Berechnungen der „Financial Times“ zufolge bei mehr als 65.000. Damit ist die Differenz zwischen der Zahl der Todesfälle in diesem Jahr und dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre gemeint.

Großbritannien in Europa am stärksten von Corona-Krise betroffen

Nach Angaben des Regierungsberaters David Spiegelhalter wird die genaue Zahl der Todesfälle in Großbritannien auch in Zukunft nicht bekannt werden. Vor allem wegen des Mangels an Tests habe man lange im Dunkeln gearbeitet. „Wir werden nie wirklich genau wissen, was passiert ist“, zitierte der „Telegraph“ den Forscher aus Cambridge.

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Großbritannien ist das am stärksten von der Pandemie betroffene Land in Europa. Experten werfen der Regierung vor, zu spät und falsch reagiert zu haben. Viele rechnen mit einer zweiten schweren Infektionswelle im Herbst. Das könnte den maroden staatlichen Gesundheitsdienst NHS zum Kollabieren bringen. Schon während schwerer Grippeausbrüche steht der NHS fast jedes Jahr kurz vor dem Zusammenbruch.

Brexit, Unabhängigkeit Schottlands: Johnson hat viele Baustellen

Doch Johnson hat nicht nur mit der Pandemie zu kämpfen, sonder weitere Baustellen: Großbritannien trat zwar Ende Januar aus der Europäischen Union aus, aber die Gespräche mit Brüssel über einen Handelspakt kommen nicht voran. Eine Verlängerung der Übergangsphase, die bis Ende des Jahres dauert, lehnte der konservative Premier strikt ab. Es droht ein harter wirtschaftlicher Bruch mit Zöllen und Handelshemmnissen.

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Außerdem spricht sich eine knappe Mehrheit der Schotten in Umfragen inzwischen für die Abspaltung vom Vereinigten Königreich aus. Einen der Gründe dafür sieht Wahlforscher John Curtice (Universität Strathclyde) in Johnsons Umgang mit der Pandemie. (dpa/mp)

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