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  • Foto: picture alliance/dpa

Aus dem Kontext gerissenes Zitat: Corona-Experte Lauterbach erhält Morddrohungen

Berlin –

Es ist ein Lehrstück. Über den Medienbetrieb. Über die erhitzte Corona-Debatte. Über den vergifteten politischen Diskurs und die Rolle des Internets. Eine im Grunde relativ harmlose Äußerung des SPD-Gesundheits- und Corona-Experten Karl Lauterbach führte schnurgerade zu Morddrohungen in den sozialen Netzwerken. Angeheizt hatten die Debatte unter anderem FDP-Mann Christian Lindner und die „Bild“-Zeitung.

Vor zehn Tagen etwa, noch bevor annähernd klar war, dass der „Lockdown Light“ kommen würde, debattierte Nordrhein-Westfalen über Sperrstunden und Regeln zu Privatfeiern wegen der steigenden Corona-Zahlen. Die FDP in NRW sagte klar: In unserem Bundesland soll es keine Einschränkungen im Privaten geben. Die „Unverletzbarkeit der Wohnung“ wurde dabei angeführt.

Verkürztes Zitat ging an die Nachrichten-Agenturen

Auf diese Debatte bezogen, sagte Lauterbach Anfang dieser Woche der „Rheinischen Post“ unter anderem: „Die Unverletzbarkeit der Wohnung darf kein Argument mehr für ausbleibende Kontrollen sein.“ Die Zeitung gab an die Nachrichten-Agenturen weiter: „Lauterbach fordert Kontrollen in privaten Wohnungen.“ Was natürlich von so gut wie allen Medien sofort aufgegriffen wurde, schließlich stand die Konferenz von Kanzlerin und Landesfürsten kurz bevor. Und alle Welt fragte sich: Was für Einschränkungen werden kommen?

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Alice Weidel (AfD) empörte sich darüber, „wie weit sich diese Regierung von der Demokratie entfernt hat.“ Und Christian Lindner (FDP) sagte in einem „Bild“-Interview: Lauterbach schlage Maßnahmen vor, „die schärfer sind als bei der Terrorismusabwehr.“ Auch hier die Überschrift: „Lauterbach fordert Kontrollen auch in Privatwohnungen.“ Obwohl der SPD-Mann das so nie gesagt hatte – auch wenn es auf den ersten Blick so klingen konnte. Aber halt nur auf den ersten, oberflächlichen Blick.

Was Lauterbach wirklich sagte, ist längst Realität

Zu dem Zeitpunkt hatte Lauterbach schon längst gemerkt, dass er sich missverständlich ausgedrückt hatte und mehrfach auf Twitter und Facebook betont, dass er nie Kontrollen in Wohnungen gefordert hatte. Lindner und „Bild“ ignorierten das aber. Trotzdem wolle er appellieren, so Lauterbach, dass die Menschen auf private Feiern verzichten. Und ja, so sagte er etwa am Mittwochabend bei „Markus Lanz“ im ZDF, Ordnungsämter könnten selbstverständlich auch vor Wohnungen klingeln, wenn Nachbarn sich beschwerten, wie das auch bei Ruhestörungen üblich sei.

Zu diesem Zeitpunkt war das Kind aber schon in den Brunnen gefallen. Wenig später veröffentlichte Lauterbach einen Screenshot auf Facebook und Twitter, in dem ihm vielfach mit Mord gedroht oder ihm zumindest der Tod gewünscht wird, weil er ja die Polizei zu den Menschen nach Hause schicken wolle. „Kann den mal jemand eliminieren?“, stand da etwa. Oder: „Der gehört totgeschlagen.“ Und so weiter und so fort.

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Man mag von Lauterbachs Blick auf die Pandemie halten, was man will. Man kann und sollte über die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen sprechen. Aber wenn aus einem so harmlosen Zitat so eine teils gewaltaufgeladene Lawine entsteht, dann sollte allen klar sein: Hier wurden Grenzen übertreten. (km)

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