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  • Foto: imago/Hermann J. Knippertz

21 Tote: Loveparade-Prozess: Trauer und Wut bei den Angehörigen der Opfer

Duisburg –

Das war es dann endgültig, und es bleiben nur Trauer, Wut und ein dunkler Fleck in der Geschichte der deutschen Justiz: Das Landgericht Duisburg hat am Montag den Prozess um das Unglück bei der Loveparade 2010 mit 21 Toten eingestellt. Eines der aufwendigsten Strafverfahren der Nachkriegszeit endet damit nach knapp zweieinhalb Jahren und 184 Sitzungstagen ohne ein Urteil.

In dem Prozess ging es um die tödlichen Verletzungen von 21 jungen Menschen bei einem Gedränge auf der Loveparade in Duisburg im Juli 2010. Mehr als 650 Menschen wurden verletzt. Einige leiden bis heute unter den Folgen. Wegen der vielen Verfahrensbeteiligten war in einem großen Saal des Kongresszentrums Düsseldorf verhandelt worden.

21 Tote bei Loveparade: Gericht stellt Prozess ein

Zuletzt hatten noch drei leitende Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent auf der Anklagebank gesessen. Sie sind mittlerweile 43, 60 und 67 Jahre alt.

Die Verfahren gegen sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und einen weiteren Lopavent-Mitarbeiter waren bereits vor über einem Jahr eingestellt worden, ebenfalls ohne Auflagen.

Einstellung wegen Corona und Verjährung

Die Anklage lautete auf fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung. Die Beteiligten sollen unter anderem schwere Planungsfehler begangen haben. Anfang April 2020 hatte das Landgericht die Einstellung des Verfahrens auch für die drei verbliebenen Angeklagten vorgeschlagen.

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Es begründete dies unter anderem mit zu erwartenden Corona-Einschränkungen und der absehbaren Verjährung des Tötungsvorwurfs Ende Juli.

Angehörige schockiert, aber rechtlich machtlos

Staatsanwaltschaft und die drei Angeklagten hatten zugestimmt. Angehörige von Todesopfern sprachen sich als Nebenkläger gegen eine Einstellung aus. Ihre Zustimmung war allerdings rechtlich nicht erforderlich. Der Einstellungsbeschluss ist unanfechtbar.

Ex-OB-Sauerland war nicht einmal angeklagt

Was jetzt wohl in Menschen wie Paco Zapater vorgeht? Der Spanier hatte bei dem Unglück seine Tochter Clara verloren und musste schon ertragen, wie sich der ehemalige Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland, zu Zeiten der Katastrophe im Amt, vor Gericht aus jeder Verantwortung stahl und tatsächlich nicht mal auf der Anklagebank gelandet war.

Gericht liefert ausführliche Begründung

Das Gericht begründete seinen Beschluss ausführlich und ging vor allem auf das Zustandekommen der Katastrophe ein. Eine Vielzahl von Umständen habe zu dem Gedränge mit dem tödlichen Verlauf geführt. Als wesentliche Ursachen für das Unglück nannte es zum einen den Veranstaltungsort, der für das Konzept und die Besuchermengen nicht geeignet gewesen sei. „Die Vereinzelungsanlagen und Schleusen waren nicht auf die erwartenden Personenmengen ausgerichtet. Zäune führten zu zusätzlichen Engstellen“, sagte Richter Mario Plein. „Der Stau vor den Vereinzelungsanlagen war absehbar.“ Kommunikationsprobleme hätten die Situation verschärft: Krisengespräche von Polizei und Feuerwehr seien ohne die Veranstalterin geführt worden. Die Steuerung der Personenströme sei unkoordiniert gewesen.

Kommunikationsprobleme verschärften die Situation

„Unpassende Anordnungen“ der Polizei hätten die Probleme verschärft. Der Funkverkehr der Polizei sei erheblich gestört gewesen. Die Polizei habe ihre zugesagte Unterstützung bei der Schließung der überlasteten Zugänge nicht erbracht, weil ihre Kräfte anderweitig gebunden gewesen seien. Im Bereich der Hauptzugangsrampe seien die Ströme schließlich zum Stillstand gekommen. Um 16.30 Uhr sei die Stimmung gekippt und eine lebensbedrohliche Lage mit Wellenbewegungen entstanden.

Unglück hätte verhindert werden können

Das Unglück hätte auch am Veranstaltungstag noch verhindert oder zumindest in den Folgen abgemildert werden können. Das Gericht nannte als Maßnahmen etwa eine zwischen Veranstalter und Polizei abgestimmte Steuerung der Personenströme, zeitweise Schließungen von Vorsperren oder verstärkten Einsatz von Ordnern, um Personen von der Rampe weg zu leiten. Auch ein vorübergehendes Anhalten der Musikwagen auf der Paradestrecke wäre möglich gewesen.

Vergebliche Suche nach dem „großen Bösewicht“

„Den großen Bösewicht haben wir nicht gefunden. Es war eine Katastrophe ohne Bösewicht“, sagte Plein. Leute hätten Fehler gemacht, obwohl sie ihr Bestes gegeben hätten, ja sogar ihre eigenen Kinder zum Techno-Spektakel ließen. „Ich hoffe sehr, dass Sie im Laufe der Zeit damit leben können und Ruhe finden“, sagte Plein zu einer Hinterbliebenen, die als einzige Nebenklägerin zum letzten Prozesstag gekommen war.

Anwalt spricht von „schlechtem Tag für die Justiz“

„Dies ist ein schlechter Tag für die Justiz“, kritisierte Nebenklage-Anwalt Julius Reiter den Einstellungsbeschluss. „Die Art und Weise der Beendigung unter Abwesenheit des Sachverständigen, den wir nicht befragen konnten, ist ein unwürdiges Ende des Prozess.“ Verteidiger Volker Römermann kritisierte dagegen, dass seinem Mandanten durch die Einstellung ein fairer „Abschluss des Verfahrens durch einen Freispruch verwehrt“ worden sei.

Für alle Angehörigen der Opfer dürfte der Glaube an die Gerechtigkeit der deutschen Justiz mit diesem Tag endgültig zerschmettert werden.(skr)

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