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Die angeklagte Irmgard F. wird in einem Rollstuhl in den Gerichtssaal geschoben.
  • Die angeklagte Irmgard F. wird in einem Rollstuhl in den Gerichtssaal geschoben.
  • Foto: dpa | Marcus Brandt

Was wusste sie? Ehemann von KZ-Sekretärin berichtete von Vergasungen

Als Sekretärin im KZ Stutthof dürfte Irmgard F. von Massentötungen der SS gewusst haben. Das legen Aussagen von ehemaligen Häftlingen und SS-Männern aus der Nachkriegszeit nahe, die ein Historiker im Prozess gegen die 96-Jährige vor dem Landgericht Itzehoe präsentiert.

Ihren Mann lernte Irmgard F. wohl im Konzentrationslager kennen. Den SS-Oberscharführer Heinz F. Der hieß einst Furchtsam. Aber er hatte den Namen abgelegt. Der Name, der Ängstlichkeit vermuten lässt, passe nicht zu einem SS-Mann, so die Begründung. Eine Aussage ihres verstorbenen Mannes bringt die ehemalige KZ-Sekretärin nun vor Gericht in Bedrängnis.

Aussagen von SS-Männern bringen Irmgard F. in Bedrängnis

Heinz F. hatte laut dem Historiker 1954 ausgesagt: „Im Lager Stutthof sind Personen vergast worden. Darüber sprach man im Kommandanturstab.“

Auch weitere Aussagen von ehemaligen Häftlingen und SS-Männern legen nahe, dass Irmgard F. wusste, was im KZ Stutthoff passierte.

Ein anderer SS-Mann sagte 1974 aus, dass er in etwa sechs Fällen beobachtet habe, wie Männer und Frauen in Kleinbahnwaggons steigen mussten. Anschließend seien die Türen geschlossen worden. Ein SS-Mann in Eisenbahneruniform sei auf das Dach des Waggons geklettert und habe etwas in den Wagen hineingeschüttet. Erst später habe er erfahren, dass es sich um Vergasungen handelte, zitierte Gutachter Stefan Hördler den Zeugen.

Transport von Kindern nach Auschwitz angeordnet

Eine weitere Aussage könnte noch wichtiger sein: Im Prozess gegen Irmgard F. wurden am Dienstag auch die Aussagen einer anderen Sekretärin im KZ Stutthof herangezogen. Diese war die Geliebte des Kommandanten Paul Werner Hoppe.

Sie sagte demnach 1954 aus, dass im Jahre 1944 die Vergasung von Juden in Stutthof über Fernschreiben erörtert worden sei. Hoppe habe der SS-Zentrale in Berlin mitgeteilt, dass der „Entlausungsbunker“ des Lagers für die Vergasung nicht geeignet sei. Sie könne sich aber nicht erinnern, dass ein Vergasungsbefehl per Fernschreiben gekommen sei.


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Die ehemalige Kollegin der Angeklagten erklärte damals ferner, dass alle SS-Bediensteten die Kommandanturbefehle kennen mussten. Als Beispiel präsentierte der Historiker einen Befehl vom 26. Juli 1944, in dem der Transport von 1324 Juden – darunter Hunderte Mädchen und Jungen – nach Auschwitz angeordnet wurde. Dort seien alle ermordet worden.

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Die Angeklagte lauschte der zweistündigen Schilderung des Historikers regungslos – wieder einmal. Die 96 Jahre alte Angeklagte äußerte sich bisher nicht in dem Verfahren gegen sie.

KZ-Sekretärin Irmgard F. regungslos wie immer

Irmgard F. hat von Juni 1943 bis April 1945 im Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig als Sekretärin gearbeitet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, durch ihre Schreibarbeit Beihilfe zum systematischen Mord an mehr als 11.000 Gefangenen geleistet zu haben. Weil sie damals erst 18 bis 19 Jahre alt war, findet der Prozess vor einer Jugendkammer am Landgericht Itzehoe statt.

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Weil die Angeklagte nach zweistündiger Verhandlung am Ende ihrer Kräfte war, wurde der Prozess unterbrochen. Hördler soll sein Gutachten am 21. März weiter vortragen und sich dann auch den Fragen der Prozessbeteiligten stellen.

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