Melanie Grote ist nicht nur Besitzerin eines sehr erfolgreichen Onlineshops für Hunde, sondern auch eines eigenen Vierbeiners.

Melanie Grote ist nicht nur Besitzerin eines sehr erfolgreichen Onlineshops für Hunde, sondern auch eines eigenen Vierbeiners. Foto: Florian Quandt

Das (Luxus-)Geschäft mit dem Hund: Werden Vierbeiner zum „Kinderersatz“?

Kuscheltiere in Form von Aperol-Spritz-Gläsern anstelle von quietschbunten Plastik-Tieren, dezent beige „Schlafsäcke“ statt mit Motiven bedruckte Hundedecken und superstylische Outfits im Partnerlook mit dem Herrchen, die einfache Geschirre ersetzen: Für viele Hamburger Hundebesitzer kommt heute Stil vor Funktionalität. Bereit, für den vierbeinigen besten Freund tief in die Tasche zu greifen, sind sie sowieso. Die Hundehalterzahlen steigen parallel zum Rückgang der Geburtenraten, Hamburg ist vorne mit dabei. Sind die flauschigen Wesen mehr als ein teures Hobby – etwa eine Art Kinderersatz?

Seit 3,5 Jahren geht Bauleiter Roberto Ligori nicht allein zur Arbeit. Jeden Morgen kommt der kleine Pudel Teddy mit auf die Baustelle – aktuell arbeitet der Wuppertaler für die Deutsche Bahn in der Schanzenstraße. „Teddy hat sein eigenes Büro und morgens begrüßt er alle ganz freundlich“, berichtet der Bauarbeiter der MOPO. „Menschen mit orangenen Warnwesten mag er besonders gern. Er sorgt hier für gute Laune.“

Stylisch, dezent, teuer: Hundespielzeug verändert sich

Dass Hunde mit zu Arbeitsplätzen wie der Baustelle kommen, ist wohl eine Ausnahme – mindestens ein Office-Hund ist heutzutage aber Standard in Hamburg. „Es sind schon lange keine Nutztiere mehr. Sie sind überall mit dabei, dürfen mitkommen in Büros, Restaurants und Cafés“, sagt Melanie Grote, Gründerin und Geschäftsführerin des Online-Shops „Lieblingspfote“.

Mit dem Konzept für ihre Marke hat sie voll ins Schwarze getroffen – oder ins Beige, wenn man sich ihr Lager in Eppendorf anschaut. Von hier aus versendet sie Geschirre, Halsbänder, Decken, Taschen und Spielzeuge in gedeckten Farben in alle Teile Deutschlands sowie in andere europäische Länder und sogar die USA. Zwischen den sanften Tönen liegen farbige Spielzeuge in Form von Coca-Cola-Dosen, Artischocken oder Filmkameras. „Der Renner sind die Tassen mit den ‚Dog Dad‘- und ‚Dog Mom‘-Aufschriften und der Kuschelschlafsack“, berichtet Gründerin Grote. „Es ist wichtig geworden, dass die Spielzeuge und Accessiores zur Einrichtung passen. Und heutzutage ist die eben oft minimalistisch und dezent.“ Aber auch alles mit Aperol-Spritz-Bezug funktioniere gut, erzählt die Händlerin.

    Die gebürtige Nordrhein-Westfälin hat sich nach einem Burn-Out vor zehn Jahren mit ihrer Marke selbstständig gemacht. Seitdem ging es nur bergauf, berichtet sie, auch Corona konnte dem keinen Abbruch tun – ganz im Gegenteil, während der Pandemie schafften sich jede Menge Menschen Hunde an. Über die Zeit habe sich auch das Verhältnis der Hamburger zu ihren Hunden verändert: „Sie teilen den Alltag mit uns. Für viele sind sie sicher auch eine Art Kinderersatz“, so Melanie Grote, selbst Hundebesitzerin.

    Fellnasen als Alternative für Kinder in schwierigen Zeiten

    Tatsächlich gibt es laut einer aktuellen Studie der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest Hinweise darauf, dass manche Menschen Vierbeiner als Alternative zu einem klassischen Familienmodell wählen. „Hunde können eine ähnliche Bindung zu ihren Bezugspersonen aufbauen wie Kleinkinder“, erklären die Forscherinnen Laura Gillet und Enikő Kubinyi dazu. Sie sprächen mit ihren teils kindlichen Merkmalen das Bedürfnis von Menschen an, sich zu kümmern. Steigende Mieten, unsichere Jobs, teure Bildung und hohe Anforderungen an Elternschaft macht Kinderkriegen gerade in Großstädten unattraktiv. Fellnasen füllen diese Lücke: „Die offensichtlich große Hingabe an Haushunde kann mit dem Konzept der Mutterfürsorge verglichen werden“, so die Forscherinnen.

    Die Hamburgerin Suse Beyer vertreibt höherpreisige Hundeartikel mit ihrer Kette „Pet Shop Boyz“ in den Stadtteilen St. Georg, Eppendorf, Harvestehude sowie auf Sylt. „Die Kaufbereitschaft ist teilweise beeindruckend“, berichtet sie im Gespräch mit der MOPO. „Sicherlich gibt es Unterschiede zwischen den Filialen und die Kunden in St. Georg kaufen eher Alltagsbedarf, aber jeder gibt gern Geld für den Hund aus. In Harvestehude fragen sie oft nicht einmal nach den Preisen – da kommen wir dann schon mal auf 1500 bis 2000 Euro für einen Einkauf.“ Insgesamt geben Hundebesitzer in Deutschland durchschnittlich 12.000 und 20.000 Euro pro Hundeleben aus – damit kommen die Harvesterhuder wohl nicht hin.

    Im „Dog Happiness Index 2025“ von CheckForPet wurde die Hansestadt mit 44 von 50 möglichen Punkten als hundefreundlichste in ganz Deutschland angeführt. 162 Hunde kamen 2022 auf 1.000 Hamburger, die meisten in ganz Deutschland. Die Eilbekerin Elena Dana Rohde und ihre Hündin Lulu können das verstehen: „Hamburg bietet viele Grünflächen, Wasser und die meisten Menschen sind hundefreundlich“, sagt sie. Für die 34-Jährige ist eine tierische Begleitung nicht mehr wegzudenken: „Drei Monate nach dem Tod meines ersten Hundes habe ich mir Lulu geholt.“ Die ist heute neun Monate alt. Rohde legt viel Wert auf eine gesunde, umweltfreundliche Ernährung für ihren Hund, erzählt sie – auch in dem Bereich wird man bei „Lieblingspfote“ und „Pet Shop Boyz“ fündig, zum Beispiel mit Hunde-Smoothies.

    Frisöre, Tagesstätten, Tierarzt-Apps: Branche ist lukrativ

    Geld lässt sich in Hamburg nicht nur mit Hunde-Boutiquen oder -Discountern wie Futterhaus und Co. verdienen, deren Einnahmen Jahr für Jahr solide wachsen – auch moderne Tierarzt-Ketten wie Rex (Winterhude/Ottensen) und Filu (Winterhude) mit eigenen Apps und modernen Konzepten erfreuen sich trotz horrender Preise einer großen Nachfrage. „Früher sind nur ältere Damen mit ihren Pudeln zum Hundefriseur gegangen – heute ist das ein Geschäftsmodell, das fast alle Hundebesitzer anspricht“, sagt Suse Beyer. Und wer seinen Hund nicht mit ins Büro nehmen kann, gibt ihn in eine der zahlreichen Tagesstätten – denn auch die gibt es mittlerweile nicht mehr nur für Kinder.

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    Sind Hunde also die „neuen Kinder“? Nicht ganz, erklären die Forscherinnen von der Budapester Universität: Die Entscheidung für einen Hund anstelle eines Kindes werde vielfach sehr bewusst getroffen, mit klarem Blick darauf, dass es entscheidende Unterschiede in der Beziehung zum Hund im Vergleich zum Kind gibt. „Tatsächlich haben sich laut mehreren Studien viele Besitzer vor allem deshalb für die Anschaffung von Hunden entschieden, weil Hunde eben nicht wie Kinder sind.“

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