Tödliche Messer-Attacke: Mammut-Prozess gegen Brokstedt-Attentäter startet
Vor rund fünf Monaten endete die Fahrt eines Regionalexpress‘ bei Brokstedt in Schleswig-Holstein in einem Blutbad: Zwei Teenager wurden erstochen und mehrere Menschen verletzt, einige von ihnen lebensgefährlich. Ab Freitag muss sich der mutmaßliche Täter Ibrahim A. vor dem Landgericht Itzehoe verantworten. Dem 34-Jährigen werden zweifacher Mord und vierfacher versuchter Mord vorgeworfen. Es steht ein emotionaler Prozess bevor, Hinterbliebene der Getöteten und Überlebende leiden schwer.
Jüngst etwa äußerten sich die Eltern der laut Anklage von A. erstochenen 17-Jährigen, die mit einem 19-jährigen Bekannten bei der Attacke ums Leben gekommen war, in der Zeitschrift „Stern“ und berichten von ihren seelischen Qualen. „Das war so, als würde sich ein großes Loch auftun, und man fällt und fällt“, erinnert sich deren Vater an den Moment der Todesnachricht.
Itzehoe: Prozess gegen Ibrahim A. startet vor dem Landgericht
Zum Prozessauftakt wollen sie nach eigenen Angaben nicht erscheinen, zu sehr würde sie die Konfrontation mit dem Verdächtigen belasten. Und die Eltern der Getöteten sind nicht die einzigen Betroffenen, bei denen die Ereignisse tiefe Wunden hinterließen. Kürzlich wurde bekannt, dass eine bei der Attacke schwer verletzte 54-Jährige Suizid begangen hatte.
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Das Motiv für den Messerangriff, der bundesweit Entsetzen auslöste, ist nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft im persönlichen Bereich zu suchen. A. ist ein staatenloser Palästinenser mit Drogenproblemen und zuletzt ohne festen Wohnsitz, der 2014 nach Deutschland kam, legal in verschiedenen Bundesländern lebte und wiederholt mit seinen Mitmenschen und dem Gesetz in Konflikt gerät.
Er ist polizeibekannt und hat einige kleinere Vorstrafen. Nur wenige Tage vor der Tat wurde er in Hamburg aus einer etwa einjährigen Untersuchungshaft wegen gefährlicher Körperverletzung entlassen, eine feste Wohn- oder Anlaufstelle hatte er anscheinend nicht. Am 25. Januar fuhr er von der Hansestadt mit dem Zug nach Kiel, die Ausländerbehörde der Stadt war noch für ihn zuständig, weil er dort zeitweise gemeldet war und lebte.
Diskussion um Kommunikationspannen
Er erschien ohne Termin an einem zentralen Auskunftsschalter und wurde an weitere Fachstellen verwiesen, es ging um die Verlängerung eines Dokuments, das ihm den legalen Aufenthaltsstatus als Schutzsuchender bescheinigte. Am Ende brach A. den Versuch offenbar ab.
Später stieg er dann in einen Zug zurück in Richtung Hamburg. Während der Fahrt stach er kurz vor Brokstedt mit einem Messer zu, das er laut Anklage zuvor in einem Supermarkt gestohlen hatte.
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Bei der Attacke starben die 17-Jährige und ihr 19-jähriger Begleiter. Zudem wurden zwei Männer und zwei Frauen im Alter zwischen 22 und 62 Jahren schwer und teils lebensgefährlich verletzt, bevor A. überwältigt und nach dem Halt des Zugs im Bahnhof von Brokstedt von Polizisten festgenommen wurde.
Nach der Tat entbrannte wegen der Vorgeschichte auch eine Debatte über Kommunikationspannen zwischen den für den immer wieder durch aggressives Verhalten auffallenden Verdächtigen zuständigen Behörden sowie Polizei und Justiz. So hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ende 2021 ein Verfahren zum Entzug seines Schutzstatus eingeleitet, erfuhr aber nach eigenen Angaben nichts von dessen jüngster Untersuchungshaft in Hamburg und konnte ihn nicht anhören. Die Politik brachte danach Neuregelungen auf den Weg.
Keine Hinweise auf Terrorismus
Während der Haft in Hamburg verglich sich der aufbrausende A. bei einem Streit einmal auch mit dem islamistischen Attentäter Anis Amri, der 2016 mit einem Lastwagen auf einem Berliner Weihnachtsmarkt gerast war und zwölf Menschen getötet hatte. Einen terroristischen Hintergrund aber schließen die Behörden kategorisch aus. A. hat keinerlei Bezüge zum radikalen Islamismus.
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Auslöser des Tatgeschehens sei letztlich „Verärgerung über seine aus vielen Gründen ungeklärte persönliche Situation“ gewesen, heißt es in der Anklage der Staatsanwaltschaft.
Als Mordmotiv geht sie unter anderem von Heimtücke aus. Die Opfer hätten in einer „Alltagssituation“ mit keinerlei Angriff gerechnet. Nach Angaben der Verteidigung bestreitet A. die Tat nicht, zur Klärung der Schuldfrage setzte das Gericht Termine bis Dezember an.