Die Rangerin Stella Kinne am Strand auf Sylt
  • Rangerin Stella Kinne bewacht Schafe und Seehunde auf Sylt.
  • Foto: Lea Sarah Albert/dpa

Jagd nach besonderen Fotos: Rangerin verscheucht dreiste Urlauber auf Sylt

Stella Kinne arbeitet am nördlichsten Ort Deutschlands. Jedes Jahr reißen frei laufende Hunde im Naturschutzgebiet Lister Ellenbogen bis zu zehn Schafe. Die Rangerin beschützt aber auch Meerestiere.

Es dröhnt laut und ihr Ranger-Mobil ruckelt heftig, als Stella Kinne über den steilen Dünenweg an den Strand auf Sylt steuert. Mit gezückten Handy-Kameras stehen dort im Naturschutzgebiet Lister Ellenbogen an diesem Maitag mehrere Spaziergänger am Spülsaum. „Da liegt eine schwache Kegelrobbe, die sind viel zu nah dran“, sagt die 26-jährige Rangerin. Sie stoppt den Motor ihres überdachten Quads und fordert die Schaulustigen dazu auf, zurückzugehen. 

Stella Kinne, die 26-jährige Sylt-Rangerin

Sie gräbt vier Löcher in den Sand rund um das Säugetier, rammt vier Holzpflöcke mit Warnschildern hinein und befestigt eine Leine daran. „Achtung, rastende Robbe. 50 Meter Abstand zum Tier halten und Hunde anleinen“, steht auf den Tafeln. Am nächsten Morgen wird Kinne wiederkommen und nach der entkräfteten Robbe schauen. 

„Mein Ziel ist es, die Natur zu erhalten, wie sie ist. Und diese im Idealfall zu verbessern“, sagt Kinne. Sie ist Rangerin im Listland auf Sylt – einem rund 1250 Hektar großen Areal am nördlichsten Zipfel Deutschlands. Im Naturschutzgebiet sorgt sie dafür, dass die Natur sowie Seehunde und Robben, Schafe, Vögel und Kreuzkröten geschützt sind. Mit einem zweimonatigen Pilotprojekt war sie im Sommer 2023 gestartet – seit Januar ist die gebürtige Harzerin fest angestellte Rangerin. 

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Entourage mussten im April bei ihrem Gang am Ellenbogen einen Umweg nehmen, um ihre Robben-Absperrung zu umgehen, sagt Kinne. Der SPD-Politiker habe Verständnis dafür gehabt. Nicht bei allen sei das so: Immer wieder gehen Menschen trotz der Schilder zu nah an die erschöpften Tiere heran und schrecken sie auf. 

Achtung, rastende Robbe! Immer wieder bedrängen Sylt-Touristen die Tiere. Lea Sarah Albert/dpa
Schild: Achtung, Rastende Robbe!
Achtung, rastende Robbe! Immer wieder bedrängen Sylt-Touristen die Tiere.

Sylt-Rangerin verscheucht übereifrige Touristen

Solche Geschichten kennt auch Thomas Diedrichsen, Listland-Miteigentümer und Kinnes Chef: Auf der Jagd nach einem besonderen Foto hatten Urlauber zuletzt versucht, ihr Kind auf den Rücken eines Seehundes zu setzen, sagt der Sylter Seehundjäger, der seit mehr als 25 Jahren auf dem Ellenbogen arbeitet. Einige laufen den Robben und Seehunden demnach selbst dann nach, wenn diese flüchten – laut Naturschutzgesetz ist das verboten.

„Die entkräfteten Tiere kommen zum Ausruhen an Land. Finden sie hier keine Ruhe und werden zurück ins Meer getrieben, werden sie immer schwächer und ertrinken dann“, erklärt Diedrichsen. Kranke Tiere werden entweder in eine Seehundstation gebracht oder vom Seehundjäger „erlöst“. 

Ranger sind in ganz Schleswig-Holstein unterwegs: Das Land beschäftigt seit Ende 2023 und Anfang 2024 zwölf neue Schutzgebietsrangerinnen und -ranger im Rahmen der „Schutzgebietsinitiative der Landesbiodiversitätsstrategie Kurs Natur 2030“ in verschiedenen Gebieten, teilte Janine Wergin, stellvertretende Sprecherin beim Landesamt für Umwelt Schleswig-Holstein, mit. Die Ranger im nördlichsten Bundesland werden meist vom Land, kommunalen Körperschaften, Naturschutzstiftungen und -schutzvereinen angestellt. 

Sylt: Jedes Jahr reißen frei laufende Hunde bis zu zehn Schafe

Kinne ist laut Diedrichsen deutschlandweit die erste Rangerin die von einer Erbengemeinschaft – bestehend aus 39 Eigentümern – finanziert wird. „Seit sie hier ist, ist deutlich zu spüren, dass mehr Menschen ihre Hunde anleinen“, sagt Diedrichsen. Das Listland ist seit Jahrhunderten in Privatbesitz und seit 1923 Naturschutzgebiet. 

Die rund 500 Schafe und Lämmer, die hier frei leben, können die privaten Besitzer des großen Gebietes nicht allein behüten. Jedes Jahr reißen frei laufende Hunde im geschützten Areal am Lister Ellenbogen bis zu zehn Schafe. Hinzu kommen unzählige verletzte Tiere.

Um die Zahl der toten und verletzten Tiere zu minimieren, kontrolliert die Rangerin die Leinenpflicht, die am Ellenbogen in List das ganze Jahr über gilt. Pfefferspray gehört zu ihrer Ausrüstung ebenso wie eine Bodycam, ein Fernglas und die Rangerweste. 

„Das Spray habe ich noch nie eingesetzt, aber es ist zu meiner eigenen Sicherheit gut, wenn es zu einem Vorfall zwischen Schaf und Hund kommt“, sagt Kinne, die ursprünglich Buchwissenschaften und Wirtschaft studiert hatte. Nach einem Bundesfreiwilligendienst auf der Urlaubsinsel war sie hier schließlich Naturschutzbotschafterin und ist nach einem Stopp als Rangerin in Neuseeland zurück auf die Insel gekommen.

Sylt-Rangerin Stella Kinne (26) und „ihre“ Schafe. Lea Sarah Albert/dpa
Sylt-Rangerin Stella Kinne und Schafe
Sylt-Rangerin Stella Kinne (26) und „ihre“ Schafe.

Sylt-Rangerin Kinne: „An Feiertagen fange ich Hundebesitzer ab!“

„Ich versuche, so gut es geht aufzuklären – 100 Prozent ist nicht möglich, aber das Ziel“, sagt sie. In den Brut- und Schutzgebieten spricht sie mit Menschen über Kegelrobben, Vögel, Kreuzkröten und Schafe und klärt über die Gründe für die Leinenpflicht auf. 

Besonders im Sommer zieht es massenweise Urlauber in die eindrucksvolle Dünenlandschaft im Inselnorden. Kinne sorgt dafür, dass alle auf den öffentlichen Wegen bleiben und nicht auf gesperrten Dünenpfaden wandern und dabei die Schafe mit ihren Lämmern stören. Trampelpfade können zudem die Natur auf dem schmalen nördlichsten Zipfel Deutschland zerstören – zum Beispiel, wenn Dünen brechen und durch fehlende Bewachsung ins Meer gerissen werden. 

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„Ich versuche, immer draußen zu sein – an Feiertagen, wenn besonders viele Menschen hier unterwegs sind, fahre ich am Strand entlang, um Hundebesitzer abzufangen“, sagt die Rangerin. Bei ihren Touren ist sie auf dem gesamten Ellenbogen unterwegs – mal mit ihrem Ranger-Gefährt, mit dem Rad oder zu Fuß. 

Die Leidenschaft für ihren Job treibe sie dazu an, immer weiterzumachen, sagt die 26-jährige Kinne. „Du bist viel draußen und an der Luft und bekommst direkt alles mit – erlebst die Vielfalt der Natur.“

Sie beobachtet ein Mutterschaf mit ihrem Lamm, die sich zwischen Dünengräsern aneinandergeschmiegt haben – über ihnen fliegen laut zwitschernd Feldlerchen. „Das kann ich mir ewig anschauen und zuhören, das ist wie Meditation für mich.“

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