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Die Politiker:innen stehen vor Journalist:innen und beantworten Fragen.
  • Von links nach rechts: Karin Prien (CDU), Daniel Günther (CDU), Monika Heinold (Bündnis 90/Die Grünen) und Aminata Touré (Bündnis 90/Die Grünen) bei Koalitionsverhandlungen im Juni.
  • Foto: picture alliance/dpa/Frank Molter

Schwarz-Grün im Norden: Wie die Grünen Günthers CDU vor sich hertreiben

Friede, Freude, Eierkuchen und ein paar noch zu lösende Problemchen – diesen Eindruck konnten CDU und Grüne bei ihren Koalitionsverhandlungen in Schleswig-Holstein zuweilen vermitteln. Die Akteure verschwiegen aber auch nicht, dass es durchaus Differenzen in der Innen-, Energie-, Umwelt- und Agrarpolitik gibt.

Trotz der unterschiedlichen Programmatiken: An diesem Mittwoch soll der Bündnisvertrag für die nächsten fünf Jahre vorliegen. An der Förde glaubt niemand, dass dies noch scheitern könnte, auch wenn der Finanzrahmen für alles noch abzustecken ist und beim Geld bekanntlich Freundschaft aufhört.

Zwar haben die Facharbeitsgruppen bis Donnerstagnacht ihren Job erledigt, doch wichtige politische Entscheidungen fallen wohl erst quasi in letzter Minute. Bis Dienstagabend wollen die Spitzen beider Parteien den endgültigen Durchbruch schaffen. Um den Rücken für die Verhandlungen frei zu haben, hatte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) diverse Termine abgesagt. Sogar den politisch wichtigen Deutschen Bauerntag in Lübeck ließ er sausen. Gerade in diesem Feld steht er mächtig unter Druck der Landwirte und der Agrarlobby in der eigenen Partei. Die CDU müsse endlich wieder politische Verantwortung für die Landwirtschaft tragen, ist die Forderung – und die wird wohl erfüllt, in welcher Form auch immer.

CDU und Grüne: Differenzen bei Agrarpolitik

Seit 2012 stellen die Grünen den zuständigen Ressortchef. Deren Pläne für die Umgestaltung der Agrarproduktion gehen der CDU zu weit. EU-Vorgaben ebenfalls. Nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs hatte Günther Pflöcke eingeschlagen. Derzeit sei es ethisch nicht verantwortbar, Flächen aus der Produktion zu nehmen, sagte er im März im Landtag. Laut EU soll ab 2023 die Nutzfläche um vier Prozent reduziert werden. So würden aus CDU-Sicht wichtige Flächen für Getreideanbau fehlen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien dürfe nicht zulasten der Ernährung gehen, pflichtete CDU-Fraktionschef Tobias Koch bei.

Trotz der Differenzen spricht jemand, der führend dabei ist, von entspannten Koalitionsverhandlungen. Dies heiße nicht, dass Konflikte und Reibereien ausblieben. Es gebe aber extrem viele gute Kompromisse. Im Koalitionsvertrag würden sich beide Parteien mit zahlreichen für sie wichtigen Punkten wiederfinden. Alle arbeiteten lösungsorientiert, weil sie diese Koalition wollten.

Auf der Wahlparty am 8. Mai 2022: Daniel Günther (Mitte) konnte für die CDU 43,4 Prozent der Stimmen gewinnen. picture alliance/dpa/Christian Charisius
Günther steht umgeben von Partei-Kolleg:innen mit einem Blumenstrauß auf der Bühne.
Auf der Wahlparty am 8. Mai 2022: Daniel Günther (Mitte) konnte für die CDU 43,4 Prozent der Stimmen gewinnen.

Das gilt besonders auch für Günther: Er sieht durchaus diversen Veränderungsbedarf und akzeptiert die Grünen gerne als Treiber. Seine Partei ist eher konservativ geprägt, aber Günther ist die unumstrittene Nr. 1 mit großem Handlungsspielraum. 43,4 Prozent Stimmen für die CDU (Grüne: 18,3) bei der Landtagswahl sind das beste Argument – und solange ihr Vormann erfolgreich ist, werden die Christdemokraten ihm auch folgen.

„Der Erfolg gibt ihm uneingeschränkt Recht“, sagte Agrarpolitiker Heiner Rickers nach der Wahl. Das bezog sich unmittelbar auf Günthers ursprünglichen Plan, erneut ein Jamaika-Bündnis mit Grünen und FDP zu schmieden, obwohl es für eine Zweierkoalition reicht. Die Grünen machten Günther aber einen Strich durch die Rechnung und wollten nicht mehr im Trio mit der FDP weitermachen, denn das Wahlergebnis reicht auch für ein stabiles Regierungsduo allein aus CDU und Grünen.

Nach Wahl in Schleswig-Holstein: Regierungsbildung ohne FDP

Schwarz-Grün wäre eine Premiere: Dieses Bündnis gab es im Norden noch nie. Hier ist seit langem der Wechsel die Regel. Kein Zweifel am Zustandekommen von Schwarz-Grün hat auch SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller. „Weil beide es wollen.“ Es gehe ihnen in den Verhandlungen nicht vorrangig um inhaltliche Auseinandersetzungen, sondern darum, möglichst geräuschlos eine Regierung zu bilden.

„Wir werden sehen, ob die Harmonie gespielt ist oder nicht“, sagt FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. Er fragt sich, ob sich die Grünen zu stark durchsetzen. „Das ist meine Sorge.“ Vogt verwies darauf, dringend nötig seien Bürokratieabbau, Planungsbeschleunigung und höhere Investitionen allein infolge höherer Baukosten.

Zu den schwierigsten Fragen gehört die Regierungsstruktur. Wer übernimmt die Zuständigkeiten der bisher FDP-geführten Häuser? Das betrifft das Wirtschafts- und Verkehrsministerium sowie das Sozialministerium, das auch für Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren zuständig ist. Eines dürfte an die Grünen gehen, eines an die CDU. Diese hätte dann vier Häuser, die Grünen drei. Es gibt auch Hinweise, dass es künftig ein Ministerium mehr geben könnte als bisher. Im Ländervergleich wären acht Ressorts nicht wirklich viel.

Koalitionsbildung: Parteitage von CDU und Grünen am 27. Juni

Neuzuschnitte sind ohnehin absehbar. Extrem breit aufgestellt ist das Grünen-geführte Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Energie, Natur und Digitalisierung. Auch das für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung sowie jenes für Bildung, Wissenschaft und Kultur – beide unter CDU-Verantwortung – sind recht groß.

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Das letzte Wort haben die Parteitage von CDU und Grünen am 27. Juni. Wenn alles wie erwartet läuft, kann sich Günther zwei Tage später Juni erneut zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Dann noch ein paar Tage – und es geht für den Günther in den lang ersehnten Urlaub. (dpa/mp)

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