Wie das Anwohnerparken Hamburgs Handwerker aus der Stadt treibt
„Ich weiß einfach nicht mehr, wie es weitergehen soll.“ Patrick Lüders ist verzweifelt. Der 34-Jährige ist Inhaber der Sanitärtechnik Henry Wilkens mitten in Eimsbüttel. Seit Anfang des Jahres gilt hier, wie in vielen anderen Stadtteilen, das Anwohnerparken. Handwerker können in der Theorie eine Ausnahmegenehmigung beantragen – in der Praxis sieht das für den Hamburger aber ganz anders aus.
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„Ich weiß einfach nicht mehr, wie es weitergehen soll.“ Patrick Lüders ist verzweifelt. Der 34-Jährige ist Inhaber der Sanitärtechnik Henry Wilkens in der Goebenstraße mitten in Eimsbüttel. Seit Anfang des Jahres gilt hier, wie in vielen anderen Stadtteilen, das Anwohnerparken. Handwerker können in der Theorie eine Ausnahmegenehmigung beantragen – in der Praxis sieht das für den Hamburger aber ganz anders aus. Er überlegt sogar inzwischen, seinen Standort dort aufzugeben.
„Als wir davon erfahren haben, dass hier eine Bewohnerparkzone errichtet wird, haben wir uns erstmal gar keine Sorgen gemacht“, erzählt Lüders im Gespräch mit der MOPO. Büroleiterin Thuy Dang beantragte im März also die ersten Ausnahmegenehmigungen für drei Fahrzeuge. Insgesamt besitzt Lüders acht Autos, davon sind aber nur drei bis vier im Kundendienst, der Rest ist auf Baustellen unterwegs und benötigt die Genehmigung daher nicht.
Anwohnerparkzonen: Ausnahme für Handwerker?
Ein paar Wochen später dann die ernüchternde Antwort des zuständigen Landesbetrieb Verkehr. „Für das erste Fahrzeug sollten wir zwar keine Ausnahmegenehmigung bekommen, dafür aber eine Notfallgenehmigung“, sagt Dang. „Das bedeutet, dass wir nur maximal fünf Stunden hier stehen dürfen. Aber das reicht ja.“
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Die restlichen zwei Fahrzeuge wurden dagegen komplett abgelehnt. „Nicht einmal eine Notfallgenehmigung war möglich!“, entrüstet sich Lüders. Die Begründung flatterte ein paar Wochen später in den Briefkasten. Das Problem: „Das öffentliche Interesse würde nicht überwiegen“, so der Handwerker entrüstet. „Das will ich mal sehen, wenn irgendwo ein Rohr gebrochen oder die Gasleitung defekt ist. Dann können wir ja gemütlich mit Bus und Bahn oder –noch besser – einem Lastenrad hinfahren.“
Nur ein Fahrzeug bekommt eine Ausnahmegenehmigung
Zudem sei die Stehhöhe in den zwei besagten Wagen nicht ausreichend, um dort zu arbeiten, heißt es weiter in dem Brief. Deshalb käme keine Notfallgenehmigung in Frage. „Das ist absoluter Unsinn!“, poltert Lüders. „Wir kürzen da Rohre drin, verschweißen oder verschrauben Verbindungen. Außerdem ist der eine genehmigte Wagen der kleinste von allen!“
Für Lüders bedeutet das jetzt: Sieben seiner Fahrzeuge dürfen für drei Euro die Stunde für höchstens drei Stunden dort parken. Bei Kunden müssen diese entweder ein Besucherticket ziehen oder er muss das Parkticket auf die Kosten draufrechnen. „Sonst rechnet sich das für mich nicht“, sagt er. Der 34-Jährige ist genervt. Hätte er das geahnt, hätte er den Betrieb im Jahr 2020 nicht übernommen.
Das Dilemma mit Handwerkern und Anwohnerparkzonen
Über 40 Anwohnerparkzonen gibt es derzeit in Hamburg – und es werden immer mehr. Laut der Verkehrsbehörde seien Ausnahmegenehmigungen eine Einzelfallentscheidung, die sich unter anderem an folgenden Kriterien orientiere: Wie häufig werden Transporte durchgeführt? Wie weit sind alternative Parkmöglichkeiten entfernt? Bei Ablehnung müssen Antragssteller übrigens eine Gebühr von 187 Euro zahlen, bei Erteilung sind es 250 Euro.
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„Wo der gesunde Menschenverstand sagt, dass aufgrund schwerer Lasten und häufiger Transporte auch Handwerksbetriebe Ausnahmegenehmigungen brauchen, wiehert nur der Amtsschimmel“, kritisiert Heike Sudmann, verkehrspolitische Sprecherin der Linken.
Die Verkehrsbehörde wehrt sich dagegen. Die Genehmigungsquote fürs Parken am Betriebssitz sei von 29,4 Prozent im Jahr 2020 auf 44,1 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Bei den Ausnahmegenehmigungen fürs kurzzeitige Parken bei der Kundschaft seien 97 Prozent aller Anträge genehmigt worden.
Handwerkskammer und Senat arbeiten an einer Lösung
Zusammen mit der Hamburger Handwerkskammer hat der Senat zudem den gemeinsamen Masterplan Handwerk 2030 unterzeichnet. In Ihm wurde vereinbart, dass künftig alle betriebsnotwendigen Fahrzeuge von Handwerksbetrieben am Standort parken können sollen. „Leider sieht das in der Praxis noch anders aus“, sagt Hjalmar Stemmann, Präsident der Handwerkerkammer.
Der Masterplan ist auf zehn Jahre angelegt. „Sicher ist, dass eine unbürokratische Lösung nicht lange auf sich warten lassen darf, bevor Handwerksbetriebe das Quartier verlassen oder Hamburg sogar ganz den Rücken kehren.“
Denn das ist für Patrick Lüders die logische Konsequenz. Wenn sein aktueller Mietvertrag endet und sich nichts geändert hat, will er den Standort aufgeben. „Vielleicht bemerken die Politiker dann, wenn kein Handwerker mehr da ist, was das auch für sie bedeutet.“ Solange muss er aber erst einmal weiterbezahlen.