Eine Hamburgerin, ein Däne, eine Afrodeutsche: Das sind die neuen Minister im Norden
Am Montagabend haben CDU und Grüne auf zwei Parteitagen in Neumünster über das Zustandekommen einer künftigen gemeinsamen Regierung in Schleswig-Holstein entschieden. Das werden nach den Plänen von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) die Ressortchefs:
Daniel Günther (CDU/Ministerpräsident)
Dank seiner Popularität gewann die CDU die Wahl am 8. Mai mit 43,4 Prozent haushoch. Ein Mandat fehlte zur absoluten Mehrheit; diese hatte die CDU zuletzt 1983 bis 1987. Sie setzte im Wahlkampf ganz auf Günther (48), den populärsten deutschen Regierungschef. Mit seinem Erfolg wächst sein bundesweites Standing weiter.
Günther prägte seit 2017 die Koalition aus CDU, Grünen und FDP, löste moderierend alle Konflikte, postulierte die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie. Er wollte Jamaika neu auflegen, obwohl Zweierbündnisse mit FDP, Grünen oder SSW möglich waren. Der Plan scheiterte an den Grünen. Der gebürtige Kieler lebt mit Frau Anke und zwei Töchtern in Eckernförde.
Monika Heinold (Grüne/stellvertretende Ministerpräsidentin/Finanzen)
Die gelernte Erzieherin (63) prägt seit einem Vierteljahrhundert die Nord-Grünen maßgeblich mit. 1996 kam sie erstmals in den Landtag. Seit 2012 ist sie Finanzministerin – erst in einer Koalition mit SPD und SSW, dann bei Jamaika mit CDU und FDP. Bei aller Ausgabenstrenge ist Heinold auf das Soziale fokussiert. Die Finanzexpertin verfolgt ihre Ziele mit geduldiger Durchsetzungsfähigkeit.
Sie sieht sich als Pragmatikerin und als Grüne mit Herzblut. Heinold führte ihre Partei, der sie seit 1984 angehört, in einer Doppelspitze mit Aminata Touré in die Wahl. Ihr Ziel, erste Ministerpräsidentin der Grünen zu werden, verfehlte sie klar. Die passionierte Seglerin hat zwei Söhne.
Karin Prien (CDU/Bildung)
Günther holte die gebürtige Amsterdamerin mit jüdischen Wurzeln aus Hamburg, wo sie in der Bürgerschaft Schulpolitik machte, erkor sie 2017 zur Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Die 57-Jährige bringt sich gern in bundespolitische Debatten ein, war Mitinitiatorin der „Union der Mitte“.
Kanzlerkandidat Armin Laschet holte sie vor der Wahl 2021 in sein Team. Sie ist Vize-Vorsitzende der Landes- und Bundes-CDU, leitet die Kultusministerkonferenz. Für ihr Corona-Management erntete Prien teils harsche Kritik der Opposition. Die dreifache Mutter, die gerne Tennis spielt, beschreibt sich als offen, hartnäckig und ausdauernd.
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Sabine Sütterlin-Waack (CDU/Inneres)
Dass sie Ministerin wird, war ihr quasi in die Wiege gelegt: Vater Henning Schwarz war Ressortchef in Kiel, Großvater Werner Schwarz Bundeslandwirtschaftsminister. 2017 wurde die Juristin Justizministerin. 2020 löste sie Innenminister Hans-Joachim Grote ab, von dem sich Günther getrennt hatte.
Sütterlin-Waack (64) fand sichtlich Gefallen an der neuen Aufgabe, sodass die frühere Bundestagsabgeordnete gern eine zweite Amtszeit anhängt. Die Mutter von zwei Söhnen ist seit 1976 CDU-Mitglied. Mitarbeiter loben ihre ruhige Art. Sie sei höchst pflichtbewusst, Menschen enorm zugewandt und mache Dinge erst publik, wenn sie wirklich geklärt sind.
Aminata Touré (Grüne/Soziales)
Sie konnte lesen, schreiben und rechnen, als sie zur Grundschule kam – Aminata Touré war oft „Erste“ und „Jüngste“. Nun wird sie absehbar erste afrodeutsche Ministerin. 2019 wurde die in Neumünster in einem Flüchtlingslager geborene Frau mit Wurzeln in Mali Landtagsvizepräsidentin.
Sie ist selbstbewusst, rhetorisch klar, durchsetzungsstark. Ihre Ausstrahlung machte große Medien schnell aufmerksam, das Modejournal „Vogue“ inklusive. Barack Obama traf sie auch schon. Solche Resonanz habe ihr sehr bei der Durchsetzung politischer Themen geholfen, sagte die 26-Jährige einmal. So bekomme sie auch Post von Leuten, die sich sonst nicht sehr für Politik interessieren.
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Claus Ruhe Madsen (Parteilos/Wirtschaft)
Der Däne arbeitete in einem Möbelhaus im Ruhrgebiet, bevor er in Rostock 1998 ein eigenes eröffnete. In der Stadt wurde er dann IHK-Chef und Oberbürgermeister. Mit unkonventionellem Agieren nicht nur im Corona-Management erregte er auch überregional Aufsehen.
Sein Stil brachte Madsen (49) auch Ärger ein. Zuletzt musste er nach diversen Problemen die Bundesgartenschau 2025 absagen. Nun soll der Mann mit markantem Vollbart auf CDU-Ticket Wirtschaftsminister werden. Er ist da nicht der erste Seiteneinsteiger: Ex-Tabakmanager Horst Günter Bülck folgte 1998 als Ressortchef Peer Steinbrück, blieb eineinhalb Jahre. Den Industriemanager Werner Marnette hielt es 2008/09 keine neun Monate.
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Kerstin von der Decken (CDU/Soziales/Gesundheit)
Mit ihr übernimmt eine profilierte Juristin das ungewöhnlich zugeschnittene neue Ministerium. Günther kennt die Professorin (53) recht gut: Er hatte sie in den Corona-Expertenrat der Landesregierung berufen. Die gebürtige Hamburgerin ist in Mexiko-Stadt aufgewachsen und hat darüber hinaus einigen internationalen Hintergrund.
So führten sie Gastprofessuren nach Paris, Washington, Oviedo und Graz. In Kiel hatte sie seit elf Jahren den Lehrstuhl für Öffentliches Recht inne. „In meinen Forschungen konzentriere ich mich auf die praxisorientierte Lösung aktueller globaler und regionaler Probleme“, schrieb sie dazu in einer Vorstellung im Internet.
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Werner Schwarz (CDU/Landwirtschaft)
Der Landwirt, dessen Familie Schweinehaltung und Ackerbau betreibt, war seit 2008 Präsident des Landesbauernverbandes. Dort öffnete er sich zunehmend für Veränderungen in der Agrarproduktion. Kürzlich hörte Schwarz (62) als Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes auf, weil ein Jüngerer ran solle.
Zu den Koalitionsverhandlungen forderte er, die CDU müsse in der Agrarpolitik die Verantwortung übernehmen. „Für mich ist es aber mindestens ebenso wichtig, dass das Ressort Landwirtschaft und Umwelt zusammenbleibt und nicht aufgelöst wird, um einen Umweltminister von den Grünen und einen CDU-Landwirtschaftsminister zu haben.“ Doch genau so kam es.
Tobias Goldschmidt (Grüne/Umwelt)
Der heute 40-Jährige fing 2012 in dem Landesministerium an, dessen Spektrum von Energiewende und Atomaufsicht über Landwirtschaft, Umwelt, Fischerei und Forsten bis zur Digitalisierung reichte. Nun sind Agrar und Digitalisierung weg. 2017 wurde der Grüne, der in Berlin und Washington Politikwissenschaft studierte, unter Minister Robert Habeck Staatssekretär.
Weit vor der Landtagswahl benannte ihn die Grünen-Spitze für die neue Wahlperiode zum Wunschminister. Vorgänger Jan Philipp Albrecht war zur Heinrich-Böll-Stiftung gewechselt. Goldschmidt gilt als pragmatisch, zukunftsgewandt, ideenreich und als jemand, der gut Konflikte managen kann.
Dirk Schrödter (CDU/Chef der Staatskanzlei)
Der 43-Jährige hat diesen Posten bereits seit 2017 inne. Er ist der engste Ratgeber von Regierungschef Günther und gilt als das „Gehirn“ der Staatskanzlei. Vorher arbeitete Schrödter als Haushaltsexperte im Finanzministerium.
Auf die Expertise des Christdemokraten stützte sich auch Grünen-Ministerin Monika Heinold. Schrödter, geboren in Luckenwalde (Brandenburg), hat in Potsdam Volkswirtschaftslehre studiert. Ihm wird eine blitzschnelle Auffassungsgabe bescheinigt. Er gilt als sehr präzise und immer bestens vorbereitet. Schrödter engagiert sich besonders stark in Sachen Digitalisierung, die nun auch in seine Zuständigkeit fällt, und Künstliche Intelligenz.