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Aminata Touré wünscht sich eine vorausschauendere linke Politik.
  • Aminata Touré wünscht sich eine vorausschauendere linke Politik.
  • Foto: Johanna Ghebray

Aminata Touré: Vom Flüchtlingslager ins Landtags-Präsidium

Als Aminata Touré (28) im August 2019 zur jüngsten und ersten afrodeutschen Vizepräsidentin im Schleswig-Holsteinischen Landtag gewählt wurde, sorgte dies für jede Menge mediale Aufmerksamkeit. Nach gut zwei Jahren hat die Grünen-Politikerin nun ihr erstes Buch „Wir können mehr sein: Die Macht der Vielfalt“ veröffentlicht und landete damit prompt auf der Bestseller-Liste des „Spiegel“. Dabei ist ihr Buch mehr als eine reine Biografie. Touré möchte mit ihrer Geschichte genau an die Menschen appellieren, die etwas verändern wollen.

Erst 26 Jahre war sie alt, als sie Vizepräsidentin wurde. Dabei war ihr Weg hin zu einer erfolgreichen Politikerin alles andere als einfach.

Die Tochter malischer Eltern wuchs in einer Flüchtlingsunterkunft in Neumünster auf, begleitet von dem ständigen Gefühl drohender Abschiebung. Heute ist sie Sprecherin für die Themen Migration, Antirassismus, Gleichstellung, Religion und Katastrophenschutz in ihrer Fraktion.

Aminata Tourés Geschichte: Ein Appell an uns alle

Trotz ihres bemerkenswerten Werdegangs geht es in Tourés Buch weniger um ihre eigene Selbstdarstellung, sondern vielmehr um die Ansprache junger, diverser Menschen – allgemein Menschen, die endlich Lust haben, Politik aktiv mitzugestalten. „Wir können als Politik mehr sein, indem wir vorausschauender Politik machen. Wir können diverser in politischen Institutionen sein. Aber auch Menschen mit Migrationsgeschichte: Wir können mehr sein, als Menschen in uns hineinprojizieren”, so Touré im Gespräch mit der MOPO. Im Kern bedeutet dies: „Zu schauen, was der eigene Weg ist.“

In ihrem Buch teilt Touré ihre Erfahrungen als Schwarze Frau in Deutschland, von ihrer Kindheit im Flüchtlingslager über die Schul- und Studienzeit bis hin zur parlamentarischen Arbeit. Damit möchte die Grünen-Politikerin vor allem Vorbehalte und Unwissen über politische Arbeit aufräumen.

Touré über Vorurteile: „Uncooles Image, spießige Menschen“

In ihrem Buch beschreibt sie die Diskrepanz zwischen „Straßenpolitik“ und „Partei- oder Regierungspolitik“. Viele junge Linke seien sich schlichtweg zu schade, an den Orten zu handeln, wo eigentlich politische Entscheidungen getroffen werden. Damit sind insbesondere Orte wie Parteien gemeint. Zu viele würden in politischen Diskussionen verharren und weniger in politische Taten übergehen. Dabei wirken Jugendorganisationen nicht mehr ganz so spießig und altbacken wie vor einigen Jahren, findet Touré.

Das Thema „mehr Reden, aber dafür weniger politische Taten“ versteht die Grünen-Politikerin auch als Selbstkritik. Auch ihre Partei habe es nicht geschafft, junge linke Menschen stärker anzusprechen: „Dies ist auch als Selbstkritik an uns Linke zu verstehen, indem wir in der Vergangenheit schlechte Kompromisse eingegangen sind oder Versprechen nicht eingehalten haben“, so Touré.

„Soziale Krisen reagieren nicht gut auf Arroganz“

Für die Tochter malischer Geflüchtete war es ein natürlicher Impuls politisch zu handeln: Armut, ständige Abschiebeangst, Rassismus – das hat die junge Vizepräsidentin von früh auf geprägt. Gerade deshalb sei für Menschen ohne eigene Betroffenheit die Auseinandersetzung mit gesellschaftliche Krisen wichtig. Diese Menschen sollten wissen und zu spüren bekommen, dass Konflikte unangenehm, hart und anstrengend sind. „Mich hat es in der letzten Zeit wütend gemacht, dass mir Leute sagen, sie finden es cool, was ich mache, aber gleichzeitig sagen, sie könnten es niemals”, so Aminata Touré.

Ein weiteres Thema, das Touré in ihrem Buch anspricht, ist das Thema „Identität“. Dabei sei für sie der Begriff „Identitätspolitik“ in Deutschland vergiftet. „Man vergisst dabei, dass es im Kern um viel mehr geht. Hinter dem Begriff stecken Diskriminierung und Menschenrechtsverletzung sowie der Kampf für Gleichberechtigung”, so Touré.

„Es ist leichter übers Gendern zu reden, als über Kerndebatten“

Der eigentliche Kern werde auch in „Gender-Debatten“ vergessen. Es sei leichter, übers Gendern zu reden, als über politische Kerndebatten wie das verminderte Sicherheitsgefühl, das Frauen haben, wenn sie nachts alleine unterwegs sind, oder warum die große Koalition die Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen ablehnt. „Das sollte die Kerndebatte sein, und ich glaube, solche Dinge nicht zu besprechen, ist eine bewusste Ablenkungsstrategie“, sagt Touré.

Emotionen in der Politik: „Ich schäme mich nicht“

Über Emotionen spricht Touré und zeigt diese offen – auch in der Politik. „Ich möchte eigentlich keine Bürokratisierung unserer Politik haben. Ich schäme mich nicht, wenn mir eine Träne runterkullert, wenn eine Gruppe von Afghanen mir gegenübersteht, und die nicht wissen, wie ihre Zukunft aussieht. Ich weiß nicht, wie einen das nicht bewegen kann“, so Aminata Touré.

Bundestagswahl: Politischer Wechsel mit vorausschauendem Anspruch

Ob beim Klimagesetz, in der Pflegepolitik, bei der Flutkatastrophe oder zuletzt in Afghanistan: Die Grüne fordert einen politischen Wechsel hin zu einer vorausschauenderen Politik: Dinge umzusetzen, bevor einen die Realität einholt.

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