Stich ins „Wespennest“: Schlag gegen Geldautomaten-Sprenger
Sie sprengen Geldautomaten und rasen davon: Die Polizei aus Osnabrück und den Niederlanden hat eine mutmaßliche Räuberbande auffliegen lassen. Osnabrücks Polizeipräsident hat eine klare Meinung dazu.
Es war ein Stich ins „Wespennest“ der Geldautomatensprenger: Einen empfindlichen Schlag gegen eine mutmaßliche Bande von Räubern haben Polizei und Justiz aus Deutschland und den Niederlanden gelandet.
Bei einem gemeinsamen Großeinsatz seien sieben Männer im Alter von 19 bis 27 Jahren und eine 23-jährige Frau festgenommen sowie zehn weitere mutmaßliche Bandenmitglieder ermittelt worden. Das teilte die Polizei Osnabrück am Donnerstag mit. Unter den festgenommenen Männern sei auch ein mutmaßlicher Drahtzieher. Die Verdächtigen sitzen in niederländischer Untersuchungshaft.
Polizei schnappt Geldautomaten-Sprenger
Ein „wirklich großer Erfolg“ und „ganz großes Kino“ sei der Großeinsatz vom Mittwoch gewesen, sagte der Osnabrücker Polizeipräsident Michael Maßmann – und betonte: „Wir haben in ein Wespennest gestochen.“
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens sagte, von der Aktion gehe die „klare und unmissverständliche Botschaft an die Automatensprenger-Szene aus: Die Sicherheitsbehörden in Deutschland und den Niederlanden haben Euch fest im Visier“. Die Sprengungen würden aufhören, wenn sie nicht mehr erfolgreich seien. Das werde von den Sicherheitssystemen der Automaten und damit von den Banken abhängen.
Schaden von mehr als 5,5 Millionen Euro
Hintergrund der Aktion ist die internationale Zusammenarbeit zwischen der niederländischen und deutschen Länderpolizei, dem Bundeskriminalamt und Europol. Die Polizei im Großraum Noord-Holland und in Osnabrück ermittelt unter Federführung einer entsprechenden Zentralstelle der Staatsanwaltschaft Osnabrück seit einem Jahr wegen Sprengstoffanschlägen auf Geldautomaten in mehreren Bundesländern.
Bei dem Großeinsatz durchsuchten die insgesamt rund 200 Einsatzkräfte 26 Wohnungen und Geschäftsräume – 22 davon in den Niederlanden und vier in Nordrhein-Westfalen. Die 18 Beschuldigten sollen an mindestens 23 Sprengungen von Geldautomaten in Deutschland beteiligt gewesen sein. Dabei entstand ein Schaden von mehr als 5,5 Millionen Euro.
Die Ermittler beschlagnahmten umfangreiches Beweismaterial, darunter in den Niederlanden weit über 100.000 Euro Bargeld, teils eingefärbt im Zuge der Sprengung der Automaten. Weiteres sichergestelltes Bargeld werde noch gezählt, teilte die Polizei mit. Außerdem wurden fünf Fahrzeuge und illegale Explosivstoffe sowie hochwertiger Schmuck und teure Uhren gefunden.
Kriminelle Dienstleistungen als Service
„Mit diesem außerordentlichen Schlag sind wir unserem Ziel, die kriminellen Strukturen aufzuhellen und zu zerschlagen, ein weiteres Stück nähergekommen“, sagte Maßmann. „Wir bekommen immer mehr Einblicke, wie Täter angeheuert werden und Hintermänner agieren.“ Die Kriminellen handelten nach dem Prinzip „crime as a service“ – unterschiedliche „kriminelle Dienstleistungen“ würden in Anspruch genommen. Schon im Herbst 2021 und im Sommer 2022 seien Schläge gegen die Szene gelungen, mehr als 50 Beschuldigte seien in den drei Komplexen dingfest gemacht worden.
Laut Behrens ist die Zahl der Geldautomatensprengungen in Niedersachsen im laufenden Jahr bisher um 42 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken. Zum Stichtag 15. November habe es landesweit bisher 33 Sprengungen gegeben, 2022 seien es zum gleichen Stichtag 57 und im Jahr zuvor 51 Taten gewesen. Bundesweit steigen die Zahlen aber: Das Bundeskriminalamt registrierte 2022 mit 496 Taten in Deutschland einen Rekord.
Wahlmann: Banken „nicht aus der Pflicht entlassen“
Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann mahnte, es fehle eine Gesamtstrategie der Banken, die sie „nicht aus der Pflicht entlassen“ wolle. Die SPD-Politikerin sprach angesichts der Sprengungen von einer „unglaublichen Gefährdung“ für die Bevölkerung. Es habe Fälle gegeben, in denen Familien aus brennenden Häusern gerettet werden mussten. Sie kündigte an, die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Osnabrück um einen weiteren Staatsanwalt zu verstärken.
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Die festgenommenen Männer stammen den Angaben zufolge aus Alkmaar, Amstelveen, Amsterdam, Haarlem, Heerhugowaard und Rotterdam. Die 23-Jährige aus Haarlem steht unter Verdacht, mit der Beute aus den Automaten Geldwäsche betrieben zu haben. Möglicherweise können den Beschuldigten laut Polizei auch weitere Taten zugeordnet werden. Staatsanwalt Alexander Retemeyer sagte, er rechne in etwa einem halben Jahr mit einer Anklageerhebung. (dpa/mp)