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Drei Mädchen mit Rucksäcken auf den Rücken gehen durch eine Schule
  • Ronja (v.l.), Inga und Maren gehen durch die Pausenhalle im Mariengymnasium. Die kirchliche Mädchenschule will künftig auch Jungen aufnehmen.
  • Foto: picture alliance/dpa/Hauke-Christian Dittrich

Mädchengymnasium nimmt bald auch Jungs auf – das sorgt für Kritik

Jungen und Mädchen getrennt – dieses Schulkonzept ist in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten immer seltener geworden. Eine der letzten reinen Mädchenschulen in Niedersachsen öffnet sich demnächst auch für Jungen. Nicht alle finden das gut.

Ist eine reine Mädchenschule noch zeitgemäß? Das Konzept wirkt auf viele ziemlich altmodisch und anachronistisch, andere verteidigen es mit großem Engagement. Vom Schuljahr 2023/24 an soll das Mariengymnasium in Papenburg auch Jungen aufnehmen – die Entscheidung der Schulträgerin, der Schulstiftung des katholischen Bistums Osnabrück, hat in dem Mädchengymnasium und der Stadt viele Diskussionen ausgelöst. Schülerinnen starteten sogar eine Unterschriftenliste. Inzwischen habe sich die Aufregung gelegt, sagt Schulleiter Michael Bloemer: „Wir arbeiten an unserem neuen pädagogischen Konzept.“

Papenburg: Mädchengymnasium will auch Jungen aufnehmen

Das Mädchengymnasium besteht seit 1835 und wurde 2018 von den Thuiner Franziskanerinnen an die Schulstiftung des Bistums übergeben. Über einen längeren Zeitpunkt habe das Mariengymnasium immer wieder Probleme mit schwächeren Jahrgängen gehabt, sagt Stiftungsvorstand Thomas Weßler. Künftig soll die Schule stabil dreizügig geführt werden. Um stabilere Schülerzahlen zu haben, sollen auch Jungen angenommen werden. Die Schule solle nicht mehr nur auf 50 Prozent der Bevölkerung zielen. Ohnehin kooperiere die Schule in der Oberstufe bereits mit dem städtischen Gymnasium – in den Kursen vorm Abitur sitzen also schon Jungen im Unterricht.

Schulleiter Michael Blömer (l.), sein Stellvertreter Arne Fuchs (r.) und Lehrerin Britta Kassens-Hesener vor dem Schulgebäude. picture alliance/dpa/Hauke-Christian Dittrich
Schulleiter Michael Blömer (l.), sein Stellvertreter Arne Fuchs (r.) und Lehrerin Britta Kassens-Hesener vor dem Schulgebäude.
Schulleiter Michael Blömer (l.), sein Stellvertreter Arne Fuchs (r.) und Lehrerin Britta Kassens-Hesener vor dem Schulgebäude.

Die Entscheidung des Schulstiftungsrats kam überraschend, für das Lehrpersonal, aber auch für die Schülerinnen. Auch die Meinungen unter den Eltern seien geteilt gewesen, berichtet Schulleiter Bloemer.

Wenn Mädchen unter sich auf einer Schule sind, ist der Umgang untereinander anders, so lautet eines der Argumente für eine reine Mädchenschule. Sie seien offener im Unterricht, als wenn auch Jungen dabei sind – und damit selbstbewusster, weil sie sich weniger Gedanken machten, wie sie aufs andere Geschlecht wirken.

Reine Mädchenschulen besser für Förderung in Naturwissenschaften?

Ein anderes Argument: Auf Schulen, an denen Mädchen und Jungen gemeinsam unterrichtet werden, sind Jungen oft stark in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern, Mädchen in Sprachen und musischen Fächern. Nicht so an den sogenannten monoedukativen Schulen. An reinen Mädchenschulen – so die Argumentation – beschäftigen sich auch die Schülerinnen mit Freude mit Mathe und Technik, Absolventinnen solcher Schulen studieren im Vergleich öfter solche Fächer.

Genau das treffe auch auf das Mariengymnasium zu, sagt Lehrerin Britta Kassens-Hesener. „Die Rückmeldungen, die wir von Absolventinnen bekommen, zeigen uns, dass hier eine hervorragende Grundlage für das Studium mathematisch-naturwissenschaftlicher Fächer gelegt wurde.“

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Erziehungswissenschaftler Jürgen Budde von der Europa-Universität Flensburg hält das Konzept einer reinen Mädchenschule hingegen für veraltet. Es seien Schulmodelle zu begrüßen, die die gesellschaftliche Vielfalt auch in der Schule abbilden. Auch wenn es an gemischten Schulen für Mädchen in manchen Fächern wegen der Jungen mitunter nicht so leicht sei wie auf reinen Mädchenschulen, rechtfertige das nicht getrennte Schulsysteme für beide Geschlechter, sagt der Forscher.

Eine eigene Mädchenschule sei auch deshalb problematisch, weil bei diesem Konzept auf der Existenz von zwei Geschlechtern aufgebaut werde. „Um darauf die Organisation einer ganzen Schule aufzubauen, ist der Unterschied zwischen Jungen und Mädchen nicht groß genug“, findet Budde. Zumal der Gesetzgeber inzwischen auch frage, was mit Kindern geschehen solle, die sich in der geschlechtlichen Zweiteilung zwischen männlich und weiblich nicht wiederfinden, also non-binäre Persönlichkeiten sind. Letztlich ließen sich Fragen nach der Vielfalt der Geschlechter, nach den Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Mädchen, Jungen und non-binären Menschen viel besser in einer gemeinsamen Schule thematisieren, sagt Budde.

Schülerinnen begrüßen Aufnahme der Jungen

Viele Schülerinnen des Papenburger Mädchengymnasiums finden die Aufnahme von Jungen gut. „Eigentlich hat das viele Vorteile“, sagt die 17-jährige Ronja Knobloch, die jetzt in der 12. Jahrgangsstufe ist. So schön die Atmosphäre an der reinen Mädchenschule auch sei – an den gemeinsamen Unterricht mit Jungen seien sie nicht gewöhnt, der Start ins Studium mit Jungen zusammen dann schwerer.

Viele ehemalige Schülerinnen loben das bisherige Konzept des Mädchengymnasiums. picture alliance/dpa/Hauke-Christian Dittrich
Blick aufs Gebäude des Gymnasiums
Viele ehemalige Schülerinnen loben das bisherige Konzept des Mädchengymnasiums.

„Wenn man nach draußen schaut, entspricht es vielleicht ein bisschen mehr der Wirklichkeit, einen gemischten Unterricht zu haben“, sagt Mitschülerin Inga Niehaus. Und die ebenfalls 17-jährige Maren Kremer sagt, dass sie nicht glaube, dass das Selbstbewusstsein der Schülerinnen künftig abnehme, wenn auch Schüler im Unterricht sitzen. „Das hat doch nichts damit zu tun, dass hier nur Mädchen unterrichtet werden, sondern generell mit der Art des Unterrichts hier.“

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Schon seit den 1990er Jahren habe es immer wieder Anfragen von Eltern gegeben, ob nicht neben der Tochter auch der Sohn aufs Gymnasium gehen dürfe. Die damaligen Trägerinnen – die Thuiner Franziskanerinnen – hätten seinerzeit aber an dem Konzept festgehalten, sagt der stellvertretende Schulleiter Arne Fuchs.

Bis zu den Herbstferien soll nun ein neues pädagogisches Konzept erstellt und den Grundschulen vorgestellt werden, sagt Schulleiter Bloemer. Wahrscheinlich werde sich nicht viel ändern. Um die Jungen müsse sich keiner Sorgen machen. „Wir müssen sie in die Schulgemeinschaft so integrieren, wie wir das mit den Mädchen gemacht haben.“ (dpa/mp)

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