Konkurrenzkampf um Leuchtturm: „Roter Sand“ sucht neue Heimat
Der denkmalgeschützte, marode Leuchtturm „Roter Sand“ soll umziehen – von der See ans Festland. Doch wo soll das maritime Wahrzeichen hin? Gleich mehrere Tourismusorte ringen um das Bauwerk.
Er ist eines der bekanntesten Seezeichen Deutschlands – und leider marode: der rot-weiße Leuchtturm „Roter Sand“ mitten in der Wesermündung. Weil Wind und Wellen dem mehr als 140 Jahre alten Bauwerk mehr und mehr zusetzen, soll er ans Land versetzt werden – ein einmaliges Vorhaben, das Begehrlichkeiten bei Städten und Gemeinden am Festland weckt, könnte der Turm doch eine neue Touristenattraktion werden. Wo kommt das Denkmal also hin?
Um den möglichen Standort entwickelte sich zuletzt geradezu ein öffentlich ausgetragener Konkurrenzkampf. Als mögliche Standorte haben sich Wilhelmshaven, Bremerhaven, Hooksiel im friesischen Wangerland sowie Fedderwardersiel auf der Halbinsel Butjadingen in Stellung gebracht. „Einen Favoriten gibt es darunter nicht“, teilt Thomas Mertz, Sprecher der Deutschen Stiftung Denkmalschutz dazu auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Der Bund ist Eigentümer des Leuchtturms, die Stiftung verwaltet den Besitz.
„Roter Sand“: Noch keine Entscheidung gefallen
Bislang sei noch keine Entscheidung über den künftigen Platz des Leuchtturms gefallen. Es werde weiter daran gearbeitet. Im Laufe des späteren Sommers könne es Neuigkeiten geben. „Wir bemühen uns natürlich, die Entscheidung zügig zu treffen, aber bei einem so einmaligen Ereignis sind viele Aspekte zu berücksichtigen, die man nicht übers Knie brechen will“, sagt Mertz.
Tatsächlich ist so eine Leuchtturm-Versetzung ein Novum. In Dänemark war 2019 der Leuchtturm Rubjerg Knude auf Schienen umgezogen – allerdings nur rund 70 Meter von einer Steilküste weg. Der Leuchtturm „Roter Sand“ würde dagegen voraussichtlich Dutzende Kilometer von der See ans Festland ziehen.
Warum der Leuchtturm umziehen soll
Ein Gutachten von 2019 hatte den Leuchtturm als so marode eingestuft, dass die Standsicherheit auf Dauer in Gefahr ist. Das Seefeuer wird seit 1964 nicht mehr benötigt, seit 1982 steht das Bauwerk unter Denkmalschutz.
Nach Bekanntwerden des Gutachtens waren von einer Expertenkommission mehrere Szenarien geprüft worden – vom kontrollierten Verfall über eine Sanierung vor Ort bis hin zum Versetzen des Turms. Das Ergebnis 2023: Der Turm soll abgebaut und anschließend an Land wieder aufgestellt werden. Einen konkreten Zeitplan für den Umzug gebe es bislang nicht, teilt die Stiftung mit. Bis dahin werde der Turm weiter gepflegt.
An der deutschen Nord- und Ostseeküste gibt es nach Angaben der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung rund 150 Leuchttürme. Auch wenn einige Leuchttürme, wie der „Rote Sand“ oder auch der als „Otto-Leuchtturm“ bekannte Pilsumer Leuchtturm in Ostfriesland nicht mehr in Betrieb sind, ziehen die Bauwerke viele Menschen in ihren Bann: ob als Fotomotiv bei Urlaubern oder Sehenswürdigkeit für Technikfans. Entsprechend groß werben vier Tourismusorte als neue Heimat für den Leuchtturm „Roter Sand“.
Fedderwardersiel will mit Nähe punkten
Den Hafen von Fedderwardersiel schlagen die Gemeinde und der Tourismus-Service Butjadingen als neuen Leuchtturm-Standort vor. Dort, nah an der Außenweser, wirbt man mit dem Slogan „ein maritimes Wahrzeichen auf Heimreise“ um den Turm.
„Kein anderer der möglichen Standorte liegt so nah an seinem ursprünglichen Einsatzgebiet in der Wesermündung und bewahrt damit den maritimen Bezug, der den Leuchtturm seit jeher auszeichnet“, teilt der Tourismus-Service mit. Außerdem würde der Turm in einem lebendigen Krabbenkutterhafen stehen, einem Ort „mit echtem Nordsee-Charme“.
Hooksiel – ein ganzer Landkreis wirbt mit
Gegenüber von Butjadingen, auf der anderen Seite der Jade, bewirbt sich die friesische Gemeinde Wangerland um den Leuchtturm – und zwar mit dem Badeort Hooksiel. „Mit der Lage am Außenhafen, der touristischen Infrastruktur, der Nähe zur Nordsee und der kulturellen Verankerung ist Hooksiel prädestiniert, dem Leuchtturm ‚Roter Sand‘ eine neue, würdige Heimat zu geben“, teilt der Wangerländer Bürgermeister Mario Szlezak auf Anfrage mit.
Unterstützung kommt dabei aus dem gesamten Landkreis. In einem Brief sprechen sich sämtliche Bürgermeister der Städte und Gemeinden sowie der Landrat von Friesland für Hooksiel aus. „Der Leuchtturm ‚Roter Sand‘ gehört in unsere Region – als sichtbares Zeichen friesischer Identität und gemeinschaftlicher Verantwortung“, heißt es darin.
Wilhelmshaven peilt Standort im Großen Hafen an
Größer geworden war der Bewerberkreis zuletzt auch mit dem Interesse Wilhelmshavens. Als möglichen Standort hat die Jadestadt die sogenannte Wiesbadenbrücke im Blick – eine kleine Landfläche im Großen Hafen.
Einige Standort-Voraussetzungen dürften dort laut der Stadt erfüllt sein. Zum Beispiel darf es keine Verwechselung mit anderen Schifffahrtszeichen geben. „Als Wasserbauingenieur war mir klar, dass die Spitze der Wiesbadenbrücke alle diese Voraussetzungen erfüllen würde“, sagte Wilhelmshavens Stadtbaurat Nikša Marušic im März der „Wilhelmshavener Zeitung“.
Neue Bewerbung aus Bremerhaven
Wieder im Rennen ist auch Bremerhaven. Ein erster von der Stadt angebotener Standort an der sogenannten Külkenhalbinsel war wegen Bedenken der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung zurückgewiesen worden. Nun habe die Stadt auf Vorschlag eines ehemaligen Bürgers und Architekten einen weiteren Standort im Lunesiel an der Weser im Süden der Stadt vorgeschlagen, sagt ein Stadtsprecher. Auch dieser Vorschlag solle im Auswahlverfahren berücksichtigt werden, heißt es von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

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„Mir ist es ein großes Anliegen, dass wir den Leuchtturm ‚Roter Sand‘ in Bremerhaven halten können“, sagt Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz auf Anfrage. Schon das Fundament sei im Kaiserhafen gebaut worden und viele Auswanderer seien einst von Bremerhaven aus an dem Leuchtturm vorbeigefahren. „Zudem hat Bremerhaven mit seinen rund fünf Millionen Tagesgästen jährlich die besten Möglichkeiten, den Leuchtturm einer großen Zahl an Menschen zugänglich zu machen“, sagt Grantz.
Welche Kriterien entscheiden und wer mitbestimmt
Bei der Wahl der künftigen Heimat von „Roter Sand“ sollen einige Kriterien beachtet werden. „Aufs Festland einfach so, soll der Leuchtturm nicht“, sagt Stiftungs-Sprecher Mertz. Die Wasseranmutung oder die Aufstellung landnah in der See seien Punkte. Daneben müssten weitere Fragen geklärt werden: Erreichbarkeit, Parkplätze und Informationsmöglichkeiten. Fest steht in jedem Fall, dass der Turm seine rot-weiße Farbe behalten soll.
„Wenn die Frage des Standortes geklärt ist, werden wir uns den weiteren Fragen zuwenden“, teilt Mertz mit. Dann müssten mit den Beteiligten etwa bauliche und auch finanzielle Punkte geklärt werden. Wie teuer der Umzug werden könnte, dazu gibt es bislang noch keine Angaben.
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Neben der Deutschen Stiftung Denkmalschutz darf bei der Standortwahl auch das Land Niedersachsen mitreden, genauer gesagt das zuständige Landesamt für Denkmalpflege. Man begrüße das große Interesse an dem Leuchtturm, teilt das Ministerium für Wissenschaft und Kultur von Falko Mohrs (SPD) auf Anfrage mit. Bei der Standortfrage will sich das Land aber nicht in die Karten schauen lassen. Diese hänge von vielen Faktoren ab, schreibt ein Ministeriumssprecher. Die Faktoren lägen dem Ministerium aber noch nicht zur Bewertung vor.
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