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Postbote auf Fahrrad
  • Postbote mit Inselbegabung: Andre Krandick trägt Briefe auf Baltrum aus.
  • Foto: dpa | Sina Schuldt

Insel ohne Straßennamen: Hier hat der Postbote jede Hausnummer im Kopf

Auf der autofreien Insel Baltrum wird alles zu Fuß, per Rad oder mit dem Pferdefuhrwerk erledigt. Selbst die Post. Doch neben Muskelkraft muss Inselpostbote Andre Krandick für seine Zustellroute vor allem Köpfchen haben.

„Moin! Möchtest du gerade Post für dich mitnehmen?“ Baltrums Inselpostbote Andre Krandick streckt unvermittelt einen Brief in Richtung eines älteren Herrn mit Käppi, der gerade sein Fahrrad an dem Postboten vorbeischiebt. Der Insulaner nimmt dankend an und trottet davon. Auf der gerade mal 500 Einwohner zählenden ostfriesischen Insel kenne jeder jeden, erklärt Krandick. Das erleichtere natürlich die Post-Zustellung. Krandick und seinen beiden Kollegen der Inselpost machen ganz andere Unwägbarkeiten zu schaffen.

Keine festen Arbeitszeiten als Postbote auf Baltrum

Der Inselpostbote ist an diesem frühen Nachmittag gerade auf seiner ersten Zustelltour des Tages unterwegs. Seine Arbeitszeit ist an keinen festen Dienstplan gebunden. „Unser Arbeitstag richtet sich nach der Fähre“, erklärt der 37-Jährige. Und wann die Fähre mit der Post für Baltrum von Neßmersiel übersetzt, richtet sich nach Ebbe und Flut. Welche Menge sie erwartet, wissen die Postboten erst, wenn das Schiff im Hafen festgemacht hat und die Post mit der Inselspedition, einem Pferdefuhrwerk, an dem kleinen Verteilzentrum ankommt. Im Schnitt stellt die Deutsche Post pro Woche 610 Pakete und 2350 Briefe auf Baltrum, der kleinsten der Ostfriesischen Inseln, zu.

Postbote Andre Krandick kann die Hausnummern von Baltrum auswendig. dpa | Sina Schuldt
Postbote Andre Krandick
Postbote Andre Krandick kann die Hausnummern von Baltrum auswendig.

„Hier ist es selten, dass der Regen mal von oben kommt“, sagt Krandick während er von Haus zu Haus radelt. Für die Zustellung nutzen die Postboten auf Baltrum E-Bikes und ein sogenanntes Cube-Cycle, eine Art vierrädriges Liegerad mit einer Box für Pakete. Das anvisierte Ziel der Deutschen Post, ab 2050 Briefe und Pakete emissionsfrei zuzustellen, hat das Unternehmen auf Baltrum – wie auf den meisten anderen Ostfriesischen Inseln – daher schon erreicht.

Auf Baltrum gibt es keine Straßennamen, nur Hausnummern

Doch Krandick bruacht bei seiner Tour noch mehr als Muskelkraft: Durchblick. Denn auf Baltrum gibt es keine Straßennamen, nur Hausnummern – und die verteilen sich quer über die Insel, da die mehr als 300 Häuser in der Regel nach Erbauungsdatum nummeriert sind. Je höher die Hausnummer, desto jünger sind die Häuser. So kommt es etwa, dass Baltrums Supermarkt die Hausnummer 19 trägt, der gegenüberliegende Backshop, in dem auch die Paketannahmestelle ist, aber die Nummer 95. Was es für Urlauber zu einem heillosen Unterfangen macht, die Unterkunft anhand der Hausnummer ausfindig zu machen, ist für Krandick und seine Kollegen kein Problem. „Wir haben alle Hausnummern im Kopf“, sagt der Postbote mit einem stolzen Lächeln.

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Ganz ohne Straßennamen geht es dann aber doch nicht: Gerade viele Versandunternehmen setzten bei Bestellungen zwingend einen Straßennamen voraus, weiß Krandick, der bereits seit sechs Jahren die Post auf der Insel austrägt. Auf Baltrum behalf man sich daher mit der geografischen Bezeichnung der beiden Siedlungen „Westdorf“ und „Ostdorf“, die man bei notwendigen Angaben vor die Hausnummern setzt. Mittlerweile sind diese selbst bei Kartendiensten im Internet zu finden. Manche Bewohner hätten sich aber auch ganz eigene Wegenamen ausgedacht – wenn auch nicht offiziell, sagt Krandick. So gibt es auf Baltrum den Hypothekenweg ebenso wie den Katastrophenweg.

Internet-Shopping vervielfacht Paketmengen der Insel

Der Trend zum Internet-Shopping habe nicht nur auf dem Festland für mehr Pakete gesorgt. Auch Insulaner und Urlaubsgäste ließen sich gern Waren auf die Insel liefern – zumal es auf Baltrum ohnehin nicht allzu viele Einkaufsmöglichkeiten gebe, erklärt der Postbote. „Haben wir Urlaubszeit, kann es schon mal eng werden“, sagt Krandick. Jetzt in der Hochsaison im Sommer, wenn die Urlaubsgäste auf die Insel strömen, kann sich Baltrums Einwohnerzahl bis zu verzehnfachen. Meist werden Alltagsgegenstände bestellt, Büroartikel oder auch mal Tierfutter. Denn einen Fachmarkt für Tierbedarf gebe es nun mal auf der Insel nicht, sagt Krandick.

Die Pakete stapeln sich besonders zur Urlaubssaison. dpa | Sina Schuldt
Amazonpakete stapeln sich
Die Pakete stapeln sich besonders in der Urlaubssaison.

Postkarten sind im Sommer immer noch der Renner

Welche Gästegruppen gerade auf der Insel urlauben, lasse sich ein wenig auch an der Post ablesen, erklärt der Zusteller. Im Frühjahr und Herbst gebe es meist viele Zeitungen auszutragen – vor allem für die „älteren Semester“, wie Krandick freundlich sagt. Denn viele ältere Besucherinnen und Besucher ließen sich als Service gern noch ihre heimische Tageszeitung auf die Insel nachschicken. Im Sommer seien es dagegen besonders Postkarten, die die Zusteller vor allem von der Insel bringen. „Das ist ein ungebrochener Hype“, sagt Krandick. Sieben Briefkästen werden auf Baltrum geleert.

Auf Baltrum gibt es keine Straßennamen, daher ist auch das Post austragen eine Herausforderung. dpa | Sina Schuldt
Stempel mit Baltrums Postleitzahl. Die Insel gehört zu Niedersachsen.

Kurz vor Ende der ersten Zustelltour klingelt schließlich Krandicks Handy. Ein Kollege ist dran. Die Nachmittagsfähre hat noch einmal Post auf die Insel gebracht. „Da müssen wir uns nun ranhalten“, sagt Krandick und schwingt sich wieder auf sein gelbes E-Bike. Schließlich sollen alle Pakete und Briefe heute noch ausgeliefert werden – immer im Takt der Gezeiten. (len/dpa)

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