„Rassistische Tat nicht erst genommen“: Kritik an Polizei nach Neonazi-Angriff
Konsequenzen nach mutmaßlich rassistischer Attacke: In Lübtheen in Mecklenburg-Vorpommern wurde der Hamburger Disli K. Ende Juli gewaltvoll angegriffen – mutmaßlich von vier Neonazis (MOPO berichtete). Zunächst sollen sie den kurdischstämmigen Deutschen in eine Falle gelockt und später mit Baseballschlägern brutal auf ihn eingeschlagen haben. Nun hat der Staatsschutz die Ermittlungen aufgenommen. Die Kurdische Gemeinde kritisiert: Die Polizei hat den Vorfall lange Zeit nicht wirklich ernst genommen.
Ein Sprecher der Polizei bestätigte, dass der Staatsschutz Mecklenburg-Vorpommerns die Ermittlungen wegen des Verdachts einer politisch motivierten Straftat in dem Fall mittlerweile aufgenommen hat. Er sagte weiter, dass ein vom Opfer unmittelbar nach dem Angriff angefertigtes Handy-Video vorliegt.
Über dieses Video hatte die MOPO bereits vor wenigen Tagen berichtet. Darin war zu sehen und zu hören, was der Wandsbeker Disli K. mutmaßlich in dem Ort in Mecklenburg-Vorpommern, wo er seit sieben Monate wohnte, über sich ergehen lassen musste.
Lübtheen: Hamburger Disli K. mutmaßlich von Neonazis angegriffen
So sah man unter anderem, wie eine Frau mit einem Baseballschläger in der Hand den blutüberströmten Mann beleidigte und sagte: „Fass mich an, dann zeig ich dir, wo dein Schiff hinfährt.“ Wohl eine Anspielung auf die Flüchtlingssituation im Mittelmeer. Laut Polizei konnten durch die bisherigen Ermittlungen drei tatverdächtige Männer und eine Frau identifiziert werden, welche an dem mutmaßlichen Angriff beteiligt gewesen sein sollen. Alle sind Deutsche. Bereits kurz nach der Tat bestätigte eine Sprecherin, dass die Frau bereits polizeibekannt sei.
Anders als die Kurdische Gemeinde Deutschland e.V. hatte die Polizei den Übergriff zunächst nicht als rassistisch motiviert eingestuft. Nach Darstellung der Gemeinde und wie Disli K. selbst auch der MOPO erzählte, war ihm Wochen vor dem Angriff sein Mobiltelefon vom Hof seines Wohnhauses gestohlen worden. Eine Bekannte des mutmaßlichen Diebes habe angeboten, das Gerät gegen eine Zahlung von 50 Euro zurückzugeben. Bei dem folgenden Treffen kam es dann zu dem blutigen Angriff, den erst das Eingreifen eines Nachbarn beendete.
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Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde Deutschland e.V., Ali Ertan Toprak, forderte in einer Mitteilung von der Polizei eine entschiedene Aufklärung des Vorgangs. Die Angreifer dürften nicht glauben, mit ihrer Tat durchzukommen. „Die Kurdische Gemeinde Deutschland verurteilt den feigen und rassistischen Überfall und ist schockiert über die Brutalität der Angreifer und Angreiferinnen“, hießt es. Bei einer ärztlichen Untersuchung seien bei dem Opfer unter anderem Prellungen, eine Kopfplatzwunde und eine Gehirnerschütterung festgestellt worden.
Toprak kritisiert, dass die Polizei erst drei Wochen nach der Tat mit den Ermittlungen begonnen hat. „Es scheint Polizisten zu geben, die eine rassistische Straftat nicht ernst nehmen. Da muss das Innenministerium aktiv werden! Wir werden nicht akzeptieren, dass es für uns No-Go-Areas gibt“, so Toprak. Zudem sagte er dem „NDR“, dass die Polizei Disli K. gegenüber die Täter als „szenebekannte Rechte beschrieben hat“. (alp/dpa)
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