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Fachkräftemangel Kitas
  • Der Fachkräftemangel in Schleswig-Holsteins Kindertagesstätten wird immer schlimmer.
  • Foto: picture alliance/dpa | Axel Heimken

Überstunden und Überlastung: Erziehermangel immer schlimmer

Mehr als 1000 Erzieherinnen und Erzieher fehlen in Schleswig-Holstein, viele Kitas können Stellen nicht besetzen. In der Kieler Kita „Heinrichs Familienhaus“ arbeitet das Kollegium freiwillig mehr. Was würde langfristig helfen?

Auf dem Spielplatz ist Hochbetrieb. Die März-Sonne lockt viele Kinder der Kita „Heinrichs Familienhaus“ ins Freie. Die einen spielen im Sandkasten, andere klettern auf Gerüsten herum. Mittendrin kümmert sich Stefanie Hartung um die kleineren und größeren Probleme der Kinder. Die fünfjährige Lola will mit ihr Verstecken spielen, ein anderes Mädchen hat sich den Kopf gestoßen. Jeder Tag sei anders, sagt die 47-Jährige. „Ich gehe jeden Tag gerne zur Arbeit.“

Besuch in einer Kieler Kita zeigt den Erziehermangel

Hartung ist eine von etwa 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich um die Kinder kümmern. Wie in vielen anderen Einrichtungen in Schleswig-Holstein fehlt Personal, Stellen sind unbesetzt. „Momentan haben viele Kolleginnen und Kollegen ihre Stunden aufgestockt, machen Mehrarbeit“, sagt Kita-Leiter Marco Lemke. Der Großteil seines Teams arbeitet in Teilzeit.

Stefanie Hartung, Kinderkrankenschwester, spielt im Außengelände der Kita im Heinrichs-Familienhaus mit der 5-jährigen Lola verstecken. picture alliance/dpa | Axel Heimken
Kinderkrankenschwester Stefanie Hartung
Stefanie Hartung, Kinderkrankenschwester, spielt im Außengelände der Kita im Heinrichs-Familienhaus mit der 5-jährigen Lola verstecken.

Wie viele Kita-Leiter sucht Lemke händeringend neue Kräfte. „Zwei Stellen fehlen uns ab April auf jeden Fall“, sagt er. „Wir kriegen das Personal derzeit nicht.“

Laut Regionaldirektion für Arbeit gab es in Schleswig-Holstein im Februar insgesamt 1036 offene Stellen in der Kinderbetreuung und -Erziehung. Die Personalsituation in der Kieler Kita steht dabei nach Aussage von Sabine Kaiser exemplarisch für viele Einrichtungen. „Im Schnitt fehlen vor Ort etwa drei Kräfte“, sagt die Kita-Expertin der Gewerkschaft Verdi. Gut 1800 Kitas gebe es im Norden. Für viele Beschäftigte bedeute das weniger Urlaub, mehr Vertretung und auch mehr Arbeitsstunden. Das sei eine stetige Überlastung.


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„Die Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden“, fordert Kaiser. Viele Beschäftigte könnten ihrem pädagogischen Auftrag nicht mehr wirklich gerecht werden, weil schlicht die Zeit dafür fehle. Ein Weg sei bessere Bezahlung. Tendenziell zahlten Kommunen mehr als freie Träger. Immer mehr Gemeinden gingen aufgrund des Fachkräftemangels aber dazu über, ihre Einrichtungen an freie Träger abzugeben und entzögen sich damit ihrer Verantwortung.

Marco Lemke, Leiter der Kita im Heinrichs-Familienhaus picture alliance/dpa | Axel Heimken
Marco Lemke, Leiter der Kita im Heinrichs-Familienhaus
Marco Lemke, Leiter der Kita im Heinrichs-Familienhaus

Der Jamaika-Koalition bescheinigt Kaiser, für Verbesserungen der Situation in den Kitas sorgen zu wollen. „Der gute Wille ist da, es fehlt aber an der konsequenten Umsetzung.“ Beschäftigte müssten Möglichkeiten für Fortbildungen erhalten, die Ausbildung müsse verbessert, neue Beschäftigte müssten höher eingruppiert werden. Potenzial könne eine gute Integration von Geflüchteten aus der Ukraine bieten: „Eine Chance ist das trotz der Sprachbarriere allemal.“

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Die Diakonie und der Verband Evangelischer Kindertageseinrichtungen fordern eine Ausbildungsvergütung in Höhe von mindestens 1000 Euro für Erzieher und Heilerziehungspfleger. „Die Herausforderung besteht darin, ein tragfähiges Finanzierungskonzept zu erstellen“, sagt Schleswig-Holsteins Arbeitsministerminister Bernd Buchholz (FDP). „Die von der Diakonie geforderte vollständige Finanzierung durch die öffentliche Hand halte ich für nicht realistisch.“ Die Vergütung der Ausbildung sei jedoch ein Baustein, der den Beruf attraktiver machen dürfte.

Initiative „Helfende Hände“: 20 Millionen Euro gegen den Fachkräftemangel

Das Sozialministerium verweist auf eine Fülle von Initiativen, um dem Mangel entgegenzuwirken, wie das mit 20 Millionen Euro unterlegte Programm „Helfende Hände“, damit Fachkräfte durch Helferinnen und Helfer mehr Zeit für ihre eigentliche Bildungsarbeit bekommen.

Laut Schwesternschaften Kiel, gibt es aktuell viel zu wenige Menschen auf dem Arbeitsmarkt für die mehr als 1000 offene Stellen im Bereich Kinderbetreuung und -Erziehung in Schleswig-Holstein. picture alliance/dpa | Axel Heimken
Oberin Maria Lüdeke, Vorsitzende der DRK-Schwesternschaften Kiel
Laut Schwesternschaften Kiel, gibt es aktuell viel zu wenige Menschen auf dem Arbeitsmarkt für die mehr als 1000 offene Stellen im Bereich Kinderbetreuung und -Erziehung in Schleswig-Holstein.

Die Kita der Schwesternschaft in Kiel betreut auch zehn Kinder mit höherem Aufwand – von Entwicklungsverzögerungen bis hin zu chronischen Krankheiten. Drei von ihnen haben Assistenten. „Wir sind eine offene Kita, soweit die Corona-Pandemie es zulässt“, sagt Leiter Lemke. Die Kinder werden nicht in festen Gruppen betreut, sondern suchen sich selbst aus, was sie machen – etwa Basteln, Malen oder Bauen. Nach Einschätzung Lemkes sind die Kinder wegen der Entscheidungsfreiheit zufriedener in der Kita.

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Betreiber sind die DRK-Schwesternschaften Kiel. Für deren Vorsitzende, Oberin Maria Lüdeke, ist eine schnelle Lösung des Fachkräftemangels nicht in Sicht. „Es gibt die notwendigen Menschen im Moment nicht auf dem Arbeitsmarkt“, sagt Lüdeke. „Zwei unbesetzte Stellen sind im Alltag eine Herausforderung.“ Denn die derzeit 77 Kinder kommen trotzdem weiter regelmäßig in die Kita.

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