Rheinmetall will Marinesparte kaufen – Auswirkungen für den Norden
Vom Bremer Schiffsbauer zum globalen Rüstungskonzern: Bei der Lürssen-Marinesparte könnte sich bald einiges ändern. Grund ist ein Angebot von Rheinmetall. Was wären die Konsequenzen?
Lange wurde spekuliert, inzwischen ist es offiziell: Der Rüstungskonzern Rheinmetall möchte die Marinesparte der Bremer Werftengruppe Lürssen kaufen und seine Geschäfte mit der Marine ausbauen. Der milliardenschwere Deal sorgt für Unsicherheiten in der Region – und für viele Fragen. Ein Überblick:
Um welche Werften geht es?
Die Marinesparte von Lürssen – Naval Vessels Lürssen (NVL) – ist auf die Konstruktion und Fertigung von Marine- und Behördenschiffen für die Bundeswehr und Kunden weltweit spezialisiert. In Deutschland gehören zu NVL vier Werften: die Peene-Werft in Wolgast (Mecklenburg-Vorpommern), Teile von Blohm+Voss und die Norderwerft in Hamburg sowie die Neue Jadewerft in Wilhelmshaven. Der Hauptsitz von NVL ist in Bremen-Vegesack mit einem Campus im niedersächsischen Lemwerder.
Wie viele Menschen arbeiten dort?
Bei NVL arbeiten nach Konzernangaben derzeit etwa 2100 Menschen im In- und Ausland. Etwa 450 Beschäftigte bei Blohm+Voss und 370 Beschäftigte der Peene-Werft bauen die Marine- und Behördenschiffe.
Am Standort in Mecklenburg-Vorpommern werden außerdem Schiffe repariert, instand gesetzt und gewartet. Daran arbeiten auch die rund 140 Angestellten der Neuen Jadewerft in Wilhelmshaven und die 100 Beschäftigten der Norderwerft in Hamburg. Am Standort Bremen und Lemwerder gibt es rund 530 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Was treibt die Beschäftigten um?
Die Angestellten treiben viele Fragen um, wie die Gewerkschaft berichtet. „Es gibt weiter Unruhe und Unsicherheit. Die Beschäftigten wollen wissen, wann und wie die nächsten Schritte stattfinden“, sagte Daniel Friedrich, Leiter der IG Metall Küste. „Am Ende geht es um die einfache Frage: Habe ich in Zukunft einen sicheren und guten Arbeitsplatz?“ Die Gewerkschaft fordert beide Unternehmen auf, transparent zu handeln und schnell Antworten zu liefern.
Sind die Übernahmepläne eine Gefahr oder Sicherheit für die Arbeitsplätze?
Eine offizielle Aussage von Rheinmetall gibt es bisher nicht dazu. Ein Sprecher des Rüstungskonzerns aus Düsseldorf betont aber auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur, dass sich der Konzern auf die neuen Kolleginnen und Kollegen freue.
„Es ist Rheinmetalls festes Ziel, den NVL-Standorten eine erfolgreiche Zukunft und den Beschäftigten eine sichere Perspektive zu bieten“, betonte der Unternehmenssprecher. „Standortschließungen oder Personalabbau sind nicht Bestandteil unserer Planungen, zumal wir für den Marinebereich großvolumige Beauftragungen erwarten, die erhebliche Umsatzsteigerungen ermöglichen werden.“
Rheinmetall-Chef Armin Papperger sieht jedenfalls großes Potenzial. Der Umsatz von NVL könnte nach seinen Prognosen von einer auf rund fünf Milliarden Euro steigen – und das innerhalb der nächsten fünf Jahre. Die Politik erwartet deshalb für manche Standorte mittelfristig einen Ausbau der Jobs.
Welche Folgen haben die Übernahmepläne für die Zulieferer?
Die geplante Übernahme könnte auch Folgen für zahlreiche andere Menschen in der Region haben. Bis zu 21.000 Zulieferer hängen nach Schätzung der Gewerkschaft an den NVL-Standorten. „Veränderungen sind nach unseren Informationen nicht geplant“, teilte Friedrich von der IG Metall mit. „Aber natürlich ist davon auszugehen, dass zukünftig unter Rheinmetall Synergien zum Beispiel im Einkauf und damit auch bei den Zulieferern angestrebt werden.“
Was bedeutet die Entscheidung für die Zukunft der NVL-Standorte?
Die Gewerkschaft reagiert zunächst zurückhaltend. „Wir kennen noch kein industriepolitisches Konzept von Rheinmetall. Daher ist es schwer zu sagen“, sagte Friedrich. Wenn sich beide Unternehmen einigen können und die Kartellbehörden zustimmen, werden die Standorte bald Teil eines globalen Rüstungskonzerns sein. „Was dies heißt, muss sich noch bewahrheiten“, meint der Gewerkschafter. Sorgen bereiten etwa die Ankündigungen von Rheinmetall-Chef Papperger, Synergien schaffen zu wollen.
Grundsätzlich seien die Werften jedoch gut ausgelastet und die Aussichten positiv. „Dies muss aber mit klaren Standortperspektiven untermauert werden“, fordert Friedrich.
Was erwartet die Politik?
Die Regierungen der Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern verweisen auf die wirtschaftliche Bedeutung der NVL-Standorte und die hoch qualifizierten Beschäftigten. Alle fordern den Erhalt der Arbeitsplätze und sehen Chancen für einen Ausbau.
„Der Einstieg eines neuen finanzstarken Partners verschafft den Werften der NVL-Gruppe einen noch stärkeren Auftritt im internationalen Wettbewerb“, schreibt ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums in Mecklenburg-Vorpommern. Aus wirtschaftspolitischer Sicht sei die Übernahme positiv, Wachstum und langfristige Stabilität seien zu erwarten.
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Niedersachsens Wirtschaftsministerium zeigt sich ebenfalls zuversichtlich und verweist auf die Auftragslage und die Bedeutung des Standorts in Wilhelmshaven. Demnach gibt es realistische Chancen, dass sich die Zahl der Arbeitsplätze durch die Übernahme mittelfristig erhöht. Ein baldiger Austausch des Wirtschaftsministers mit Vertretern der Werft und der Belegschaft über die Zukunftsaussichten ist nach Angaben eines Ministeriumssprechers beabsichtigt.
Was wird aus dem Hauptsitz in Bremen?
Hauptsitz der Lürssen-Werftengruppe, zu der bislang auch die NVL mit ihren Standorten gehört, ist Bremen. Ob der mögliche künftige Eigentümer der NVL diesen Hauptsitz dort lässt, ist unklar.
Bremens Landesregierung fordert das. „Bremen ist ein starker Standort für den Schiffbau, das sollte auch unter neuen Eigentumsverhältnissen so bleiben“, sagte Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke). „Und ich erwarte, dass der Unternehmenssitz der NVL in Bremen erhalten bleibt und die hier gewachsenen Kompetenzen weiter gestärkt werden.“ Wichtig sei, dass die hoch qualifizierten Arbeitsplätze in Bremen gesichert und weiterentwickelt werden – zu den derzeitigen tariflichen Bedingungen.
Wie bewertet die Bundesregierung die Pläne?
Das Bundesverteidigungsministerium wollte sich zur geplanten Übernahme nicht äußern. Ein Sprecher verwies aber darauf: „Bei allen Entwicklungen der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie steht für uns im Vordergrund, dass die deutschen Sicherheitsinteressen gewahrt bleiben.“
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