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Profi-Koch Winfried Marx (r.) gibt Sven bei der Kochgruppe für trauernde Witwer Tipps.
  • Profi-Koch Winfried Marx (r.) gibt Sven bei der Kochgruppe für trauernde Witwer Tipps.
  • Foto: Philipp Schulze (dpa)

„Ich will nicht nur Fertiggerichte aufwärmen“: Kochgruppen für Witwer

Zwischen 59 und 87 Jahre alt sind die Mitglieder der kleinen Gruppe, die sich einmal im Monat in Lüneburg zum Kochen trifft. Ein Profi leitet die Witwer an. Auch in vielen anderen Städten gibt es Kochtreffs für trauernde Männer.

Jörg erzählt mit stockender Stimme vom Verlust seines Partners vor wenigen Monaten. 25 Jahre waren sie zusammen. Er ist zum zweiten Mal in das Schulgebäude in Lüneburg gekommen, wo sich jeden letzten Donnerstag im Monat trauernde Witwer zum gemeinsamen Kochen treffen. „Was bleibt mir anderes übrig, sonst sitze ich zuhause“, sagt der 60-Jährige. Er hat die Hilfe einer Psychologin in Anspruch genommen und führt einen Kalender, in dem er jeden Tag ein paar Worte an seinen Freund schreibt. Geduldig rührt er in einem großen Topf, damit der Milchreis nicht anbrennt.

Lüneburg: Kochgruppe hilft trauernden Witwern

Winfried Marx gibt wertvolle Tipps, er dirigiert die Männer liebevoll durch den Abend. Die Menüs sind nicht aufwendig, die Zutaten meist regional und saisonal. An diesem Sommerabend wird panierter Schafskäse in der Pfanne ausgebacken, dazu gibt es Mangold, Brokkoli und Blumenkohl mit Kartoffeln. „Man soll sich selbst versorgen können, nicht nur Fertiggerichte aufwärmen“, sagt Marx, der die Gruppe erst kürzlich von seinem Vorgänger Paul Jacob übernommen hat. Der Koch leitete den Kurs bereits zehn Jahre und hörte aus Altersgründen auf.

„Es geht darum, dass man sich sieht und austauscht“, berichtet Marx, der maximal acht Teilnehmer pro Abend betreut. Er ist ehrenamtlich in der Trauerbegleitung aktiv und wurde vom Ambulanten Hospizdienst Lüneburg gefragt, ob er sich die Kursleitung vorstellen könnte. Es gehe nicht darum, den Aufwand wie in einer TV-Kochshow zu betreiben. „Das ist keine große Sache mit der Kocherei“, erzählt der Koch, dem wichtig ist, dass sich die Alleinstehenden selbst helfen können. „Wir sind sehr ungeübt mit dem Tod. Es geht viel ums Zuhören“, berichtet er.

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Rainer verpasst seit vier Jahren kaum einen Termin. „Hauptsache, man ist unter Menschen“, sagt er und verteilt die Mangold-Blätter auf den Salattellern. „Ich kenne Menschen, die sich total verschließen. Da ist die Depression ganz nah“, erzählt der 79-Jährige. Es sei überhaupt nicht leicht, Hilfe von außen anzunehmen. Manch Ratschlag kam nach dem Tod der Ehefrau auch etwas forsch daher. Er sei schon zweimal in einem Tierheim gewesen, aber aus Vernunftgründen ohne Hund wieder nach Hause gefahren. Er kann es auch gut verstehen, wenn sich viele auf eine neue Partnerschaft einließen. „Das ist eigentlich der richtige Weg.“ Für ihn sei das jedoch nichts.

Der 59 Jahre alte Sven kann eigentlich kochen. „Mir fehlen die Ideen und Rezepte zum Austausch.“ Sich selbst versorgen kann auch Siegfried, den seine Frau in ihren letzten zwei Lebensjahren schon aus dem Rollstuhl in der Küche anleitete. Er kommt seit Jahren zum gemeinsamen Schnacken und Brutzeln, sammelt Rezepte und holt sich immer wieder Tipps vom Profi. „Ich bin noch lernfähig“, sagt der 87-Jährige mit dem Stock. Er sei im Mai Urgroßvater geworden und habe durch den Nachwuchs neuen Lebensmut bekommen. „Nun habe ich das Bedürfnis, noch ein paar Tage auf der Welt zu bleiben.“

Trauerarbeit: „Männer manchmal schwerer zu erreichen“

In etlichen Städten Deutschlands gibt es ähnliche Angebote, so wie in Lübeck, wo im Frühjahr und Herbst jeweils sechs Termine angeboten werden. Ein Profikoch und ein Trauerbegleiter seien dabei. „Wir haben auch ein Trauercafé, aber da kommen nur Frauen“, berichtet Andrea Halbmann-Merz, Koordinatorin der Lübecker Hospiz-Bewegung. Die Männer fühlten sich vom Kochkurs angesprochen – einmal da, gehe es aber auch um das Gespräch, die Trauer und die Erfahrungen damit.

„Männer sind manchmal schwerer zu erreichen“, erklärt Rosemarie Fischer, Leiterin des Landesstützpunkts Hospizarbeit und Palliativversorgung Niedersachsen. Sie hätten oft Hemmungen, sich auf den Weg zu machen, andere Leute in ähnlichen Situationen zu treffen. „Handfeste und konkrete Angebote bedienen da eine Lücke“, bestätigt sie. Alleinstehende Menschen seien in den vergangenen Jahren vermehrt in den Blickpunkt gerückt, die Angebote vielfältiger geworden. In vielen Regionen gehörten Kochkurse ausschließlich für Männer oder auch künstlerische Angebote zum Programm der Hospizbewegung.

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