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Corona-Hotspot im Norden: „Können nicht vor jedes Haus Polizisten stellen“

Cloppenburg –

Bereits seit Wochen ist der Landkreis Cloppenburg Corona-Hotspot, aktuell liegt der Inzidenzwert bei 274,2, Rekord in Norddeutschland. Sind die knapp 170.000 Menschen in der Region undisziplinierter als anderswo? Verstärkt gebe es Ausbrüche im privaten Bereich, sagt Verwaltungschef Johann Wimberg: „Da müssen wir ran.“

Der Landkreis Cloppenburg machte in der Vergangenheit überregional selten Schlagzeilen. Und wenn, dann wegen seiner hohen Geburtenrate oder Schweinedichte. Im September tauchte er als Corona-Hotspot auf der Deutschlandkarte des Robert Koch-Instituts auf. Landrat Johann Wimberg (51, CDU) hetzt seitdem von Krisentreffen zu Krisentreffen. Über die angespannte Situation berichtet er im Interview. Wimberg  ist seit 2014 Landrat des Landkreises Cloppenburg. Zuvor war er fast 20 Jahre lang Bürgermeister seiner Heimatstadt Friesoythe.

Johann Wimberg (51, CDU) spricht als Landrat über das hohe Infektionsgeschehen in Cloppenburg.

Johann Wimberg (51, CDU) spricht als Landrat über das hohe Infektionsgeschehen in Cloppenburg. 

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picture alliance/dpa

Warum sind bei Ihnen die Corona-Zahlen im Spätsommer plötzlich hochgeschnellt?

Wir hatten zunächst im Süden des Landkreises rund um Löningen einen Hotspot mit Auffälligkeiten im Bereich Sport, Schule und private Feiern. Dort waren viele junge Leute mit zahlreichen Kontakten betroffen.

Fast eine gesamte Amateur-Fußballmannschaft hatte sich infiziert. Die Spieler sollen zusammen getrunken und Shisha geraucht haben.

Alkohol und Shisha kann ich nicht bestätigen. Es haben sich aber nach dem Spiel und dem Training einige Sportler zusammengefunden. Das Geschehen haben wir dann ganz gut in den Griff bekommen bis zu dem nächsten Rückschlag. In einem fleischverarbeitenden Betrieb in Emstek folgte ein Ausbruch. Überwiegend waren dort dann Werkvertragsarbeiter aus Osteuropa betroffen.

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Sind die Menschen im Landkreis Cloppenburg undisziplinierter als anderswo?„Den Eindruck habe ich nicht. Nach meiner Einschätzung machen vielleicht etwa 90 Prozent alles sehr gewissenhaft mit. Aber wenn zehn Prozent es nicht machen, kann es schon zu einer zunehmenden Infektionsverschleppung kommen. Einige denken „Es kann mir schon nichts passieren, wenn ich mal mit 20, 30 Leuten eine Fete mache.“ Der Alkohol und ähnliche Dinge können dann enthemmend wirken. Dann nimmt man es nicht mehr so genau mit der Maske auf dem Weg zur Toilette, dann sind die Abstandsregeln nicht mehr die, die man einhalten müsste. Das ist häufig gar nicht bösartig gemeint, sondern Unachtsamkeit, Unüberlegtheit. Wir haben sehr viele Ansteckungen im privaten Bereich. Da müssen wir ran. Verstärkt gibt es Ausbrüche in größeren Familien. Da sind dann schnell bei nur zwei oder drei Familien gleich über 30 Leute betroffen.

Bei der Geburtenrate war Cloppenburg in den vergangenen Jahren oft Spitze im bundesweiten Vergleich. Ist es in der Corona-Pandemie ein Nachteil, dass hier so viele junge Menschen leben?

Dass wir der kinderreichste Landkreis sind, wird niemals ein Nachteil sein, sondern immer ein Gewinn. Dazu lasse ich mich auch nicht hinreißen, das in der Krise und Pandemie als Nachteil zu sehen. Im Gegenteil: Für die Zukunft einer Region ist es entscheidend wichtig.

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Warum haben Sie den betroffenen Schlachthof nach dem Corona-Ausbruch nicht komplett geschlossen?

Auch andere Landkreise haben nicht immer ganze Betriebe geschlossen, denken wir nur mal an den Geflügelschlachthof in Lohne im Landkreis Vechta. Der Betrieb in Emstek wurde allerdings zur Hälfte heruntergefahren, weil wir keine flächendeckende Ausbreitung in allen Abteilungen des Unternehmens hatten, sondern einen Schwerpunkt in der Zerlegung. Daraufhin wurden die verbliebenen Beschäftigten, die noch in den Betrieb kamen, täglich getestet. Bei der Quarantäne haben wir auch das Unternehmen und die Sub-Unternehmen in die Pflicht genommen, die Betroffenen wurden von ihnen mit Lebensmittelpaketen in Ihren Wohnungen versorgt. Das Infektionsgeschehen in dem Betrieb konnte dann deutlich eingedämmt werden, allerdings haben wir in den drei Gemeinden rund um den Betrieb immer noch mit hohen Infektionszahlen zu kämpfen.

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Woran liegt das?

Es kann mit daran liegen, dass wir keine Zentralunterkunft für die Werkvertragsarbeiter wie eine ehemalige Kaserne haben, die punktuell kontrolliert und überwacht werden kann. Bei uns waren über 200 verschiedene Wohnungen durch diesen Fall betroffen und Sie können nicht jedes Haus mit einem Polizisten überwachen.

Wie überlastet ist Ihr Gesundheitsamt?

Wir haben unser Gesundheitsamt von eigentlich 57 auf 130 Mitarbeiter aufgerüstet. Uns unterstützen zwölf Soldaten der Bundeswehr und das DRK sowie Mitarbeiter aus der übrigen Kreisverwaltung. Nicht das Nehmen der Abstriche, sondern vor allem die aufwendigen Kontaktermittlungen binden das meiste Personal. Wir müssen Tausende von Telefonaten bewältigen. Viele Leute gehen nicht ans Telefon, dann muss man Kilometer lange Strecken abfahren und erreicht auch dann nicht immer die Betroffenen vor Ort. Es ist sehr aufwendig und kompliziert. Hinzu kommt, dass wir kein einheitliches und zeitgemäßes Programm für die Gesundheitsämter in Deutschland haben, das auf die Bewältigung eines solchen Infektionsgeschehens ausgelegt ist. (dpa/se)

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