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Das Spezialschiff baggert Schlick aus der Elbe.
  • Das Spezialschiff baggert Schlick aus der Elbe.
  • Foto: picture alliance/dpa/Daniel Reinhardt

800-Millionen-Projekt: Darum droht die Elbvertiefung jetzt zu scheitern

Die über Jahre juristisch und politisch umkämpfte Elbvertiefung ist erst vor zehn Monaten für abgeschlossen erklärt worden. Nun droht das 800-Millionen-Projekt zu einem Fiasko zu werden. Die Schlickmengen sind so groß, dass die Reißleine gezogen wurde.

Die erst Ende Januar vom Bund für abgeschlossen erklärte Elbvertiefung droht nach nur zehn Monaten wegen der großen Schlickmengen zu einem Fiasko zu werden. Die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt des Bundes hatte bereits Anfang des Monats entschieden, die schiffbare Wassertiefe der Tideelbe vom 1. Dezember an zunächst bis zum 30. November 2023 um einen Meter einzuschränken.

Nun sagte deren Präsident Hans-Heinrich Witte der Wochenzeitung „Die Zeit“, dass es „drei bis fünf Jahre“ dauern könne, bis das Flussbett durch Baggerarbeiten wieder die geplante Tiefe erreicht habe. Mit ersten Verbesserungen sei in „bis zu zwei Jahren“ zu rechnen.

Hamburg: Mehr Schlick als vor der Elbvertiefung

Ursprünglich sollte mit der mehr als 800 Millionen Euro teuren Elbvertiefung der zulässige Tiefgang für Frachter auf 14,50 Meter bei Flut und auf 13,50 Meter tideunabhängig erhöht werden. Nach Angaben der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt des Bundes bleiben nun jedoch im Vergleich zur Zeit vor der Elbvertiefung nur noch Verbesserungen im Tiefgang von 20 bis 90 Zentimetern. Damit haben große Containerschiffe deutlich weniger Spielraum, um ihre Waren über die Elbe zu transportieren. Der rund 130 Kilometer lange Abschnitt zwischen Hamburg und der Nordsee zählt zu den wichtigsten Wasserstraßen Europas.

Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann nannte die Lage in einem Interview der Wochenzeitung „nicht schön“. „Ich war über das Vorgehen des Bundes überrascht. Es war auch nicht mit uns abgestimmt“. Dass es beim Bund Personalengpässe gebe, „war uns ehrlicherweise in dieser Deutlichkeit nicht bewusst“, sagte der parteilose Politiker. Er habe Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) daher angeboten, dass die Hamburger Hafenbehörde dem Bund helfe, und etwa einen Saugbagger beschaffe.

Westhagemann sagte mit Blick auf das viele Jahre umstrittene Projekt Elbvertiefung, als Senator verlasse er sich darauf, dass die Annahmen aus der damaligen Planung stimmten und dass der Bund die zugesagten Solltiefen gewährleistet. „Wir wollten den Reedern dauerhaft mehr Tiefgang für Großschiffe und dem Hafen eine bessere Erreichbarkeit bieten. Das macht der Bund gerade nur bedingt“, sagte Westhagemann. Er hoffe aber immer noch, dass die Elbe wieder schnell auf Solltiefe korrigiert werde.

Ein Sprecher der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd sagte der Deutschen Presse-Agentur, akut stellten die Einschränkungen kein Problem dar. Die Routen der großen Containerfrachter seien schon immer so ausgelegt, dass die Schiffe vor ihrer Einfahrt nach Hamburg bereits in Rotterdam oder Antwerpen Teile der Ladung gelöscht hätten und nie voll beladen in Hamburg ankämen. Schwierig könnte es jedoch werden, wenn große Trockenheit zu niedrigen Wasserständen führe oder konstant ein starker Ostwind wehe. Dann müssten die Schiffe auf Container im drei- bis vierstelligen Bereich verzichten, sagte der Sprecher.

Trend geht zu immer größeren Schiffen

In der Containerschifffahrt geht der Trend seit vielen Jahren zu immer größeren Schiffen. Die äußeren Maße der derzeit größten Containerriesen der Megamax-Klasse – rund 400 Meter lang und 61 Meter breit – verändern sich zwar schon seit Jahren nicht mehr, doch tragen sie immer mehr Container; dementsprechend mehr Gewicht und Tiefgang haben sie bei voller Beladung. Das zurzeit weltgrößte Containerschiff „Ever Ace“ kann um die 24.000 Standardcontainer (TEU) laden.

Die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt des Bundes erklärte auf dpa-Anfrage, Grund für die Einschränkung der Tiefen seien klimatische Veränderungen wie starke und dicht hintereinander folgende Sturmfluten und fehlendes Oberwasser sowie die Anpassung des Systems nach der Fahrrinnenanpassung. Das führe vorübergehend zu einer erhöhten Sedimentation. „Bei extremen außergewöhnlichen Ereignissen kommt es dann zu personellen Engpässen. Ein drittes Baggerschiff ist noch in diesem Jahr vorgesehen“, hieß es.

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Für die Grünen, schon immer Gegner der Elbvertiefung und Koalitionspartner in der rot-grünen Landesregierung, ist das Projekt damit gescheitert. Der Fraktionsvorsitzende in der Hamburgischen Bürgerschaft, Dominik Lorenzen, sagte, die Entscheidung des Bundesamts sei fachlich richtig und eine folgerichtige Reaktion auf jahrelange Fehlplanungen und mangelnden Kooperationswillen. „Nun ist es höchste Zeit für einen Schlickgipfel, an dem alle Beteiligten gemeinsam einen Ausweg aus dieser Krise suchen und vernünftige Lösungen für die Großschifffahrt im Norden finden.“ Eines sollte nun auch dem Letzten klar sein: „Die 9. Fahrrinnenanpassung ist endgültig gescheitert.“ (mp/dpa)

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