Am Limit: Wen die Inflation am härtesten trifft
Explodierende Nebenkosten, höhere Miete, extrem verteuerte Lebensmittel im Supermarkt: Der Alltag wird für viele Hamburger zur Zerreißprobe, besonders bei denjenigen, die schon vor der Inflation immer nur knapp über die Runden kamen. In der MOPO erzählen sechs Menschen, wie sie das alles noch stemmen können – und was sie nicht mehr schaffen.
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Explodierende Nebenkosten, höhere Miete, extrem verteuerte Lebensmittel im Supermarkt: Der Alltag wird für viele Hamburger zur Zerreißprobe, besonders bei denjenigen, die schon vor der Inflation immer nur knapp über die Runden kamen. In der MOPO erzählen sechs Menschen, wie sie das alles noch stemmen können – beziehungsweise es nicht mehr schaffen.
Carsten Herold, Hartz-IV-Empfänger aus Eilbek
„Schon vor der Inflation war es sehr knapp, aber jetzt ist es wirklich unmöglich. Ich beziehe 449 Euro im Monat, davon gehen dann erst einmal 176 Euro an Fixkosten ab, also zum Beispiel Strom, Wasser, HVV oder FFP2 Masken. Bleiben noch 273 Euro übrig. 155 Euro sind übrigens im Regelsatz für Lebensmittel einkalkuliert, das macht fünf Euro am Tag. Die Preise dafür haben sich aber um mindestens 20 Prozent erhöht. Butter und Quark sind unglaublich teuer. Gesunde Ernährung ist da nicht mehr drin, deshalb gehe ich zweimal im Monat zur Tafel, um wenigstens ein bisschen Obst und Gemüse zu bekommen.“
„Für Bildung sind im Monat gerade einmal 1,62 Euro vorgesehen – wahrscheinlich, weil Hartz-IV-Empfänger sowieso abgeschrieben werden. Ich leiste mir mehr und kaufe manchmal Monatszeitungen. Einen Internet-Anschluss habe ich nach langem Überlegen Ende letzten Jahres angeschafft, aber ich glaube, dass auch ich ein Recht auf soziale Teilhabe besitze. Theater- und Kinobesuche fallen sowieso schon lange weg.“
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Martha Schmidt (85), Rentnerin aus Dulsberg
„Ich bin als Kind mit meiner Mutter aus Danzig geflüchtet, bin also ein Kriegskind. Damals haben wir wirklich harte Zeiten durchgemacht, deshalb ist diese aktuelle Zeit jetzt für mich nichts Neues. Ich bemühe mich immer, alles zu ertragen und durchzustehen, das hat meine Mutter mir beigebracht, sie hat immer versucht, aus allem das Beste zu machen.“
„Natürlich habe ich gemerkt, dass beim Einkaufen alles viel teurer geworden ist. Fleisch esse ich inzwischen wirklich selten und ich würde wirklich gerne mal wieder einen Nachtisch essen. Aber was ich gar nicht mag, ist resignieren. Ich versuche alles, was mir einfällt und gebe nie auf. Zum Beispiel habe ich mir ein paar Mal Spargel gekauft und den dann nur mit Kartoffeln und Soße gegessen, das habe ich wirklich genossen.“
Martin Köpke (42), Hartz-IV-Empfänger aus Dulsberg
„Ich bin neu in Hamburg und hoffe, bald als Maler arbeiten zu können. Derzeit beziehe ich Hartz-IV, aber bei den aktuellen Preisen ist das schwierig geworden. Am meisten merke ich das im Supermarkt bei der Butter, da kostet ein Stück inzwischen vier Euro. Auch, wenn ich für mich kochen möchte, zum Beispiel eine Bratwurst mit Kartoffeln und Mischgemüse, bin ich sofort einen 10-Euro-Schein los.“
„Süßkram nehme ich inzwischen gar nicht mehr mit und Nudeln esse ich nur noch selten. Stattdessen bin ich auf Kartoffeln umgestiegen, weil die kann ich einzeln kaufen. Mein Frühstücksfleisch kann ich mir auch schon länger nicht mehr leisten. Ich gehe jetzt auch öfter in den Pottkieker, die Stadtteilküche in Dulsberg. Hier ist das Essen billig und schmeckt super.“
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Astrid Ackermann (74), Rentnerin aus Bergedorf
„Ich lebe inzwischen wirklich von der Tafel und kann nicht mehr woanders einkaufen gehen. Das Einzige, was ich noch so kaufe, ist die Milch. Hier zahle ich fünf Euro und bekomme drei Tüten voller Lebensmittel, sei es Brot, Gemüse oder Obst. Bei mir ist ein Aldi direkt vor der Tür, aber da gehe ich kaum noch hin. Letztens war ich Öl kaufen, das hat über vier Euro gekostet!“
„Ich bekomme nur ganz wenig Rente, 700 Euro und Grundsicherung. Für Miete zahle ich 680 Euro im Monat, für Strom 60 Euro. Da bleibt nicht viel übrig zum Leben, meistens sind es nicht einmal 300 Euro. Das war zwar schon vor der Inflation so, jetzt ist es aber nochmal deutlich schlimmer geworden. Ich habe vor meiner Rente alles mögliche gearbeitet, war putzen und in Fabriken. Ich habe es trotzdem geschafft, meine drei Kinder großzuziehen, das Wichtigste war immer ein Dach über dem Kopf und Nahrung. Aber auch das wird es jetzt schwierig.“
Peter Meyer (61), Hartz-IV-Empfänger aus Sasel
„Ich gehe inzwischen sehr sparsam durchs Leben. Kino und Theater ist ja schon lange nicht mehr drin, aber jetzt umso weniger. Beim Einkaufen achte ich immer darauf, das Billigste zu bekommen. Deshalb gehe ich eigentlich immer in den Lidl. Auf meine geliebten Rouladen muss ich aber inzwischen verzichten. Die schmecken zwar immer noch gut, aber für über fünf Euro kann ich mir das nicht mehr leisten.“
Um Geld zu sparen, gehe ich auch oft beim „Pottkieker“ in Dulsberg essen. Da kostet eine Mahlzeit nur zwischen 3 und 3,50 Euro. Eine richtige Erleichterung für mich ist übrigens das 9-Euro-Ticket vom HVV.
Zeynep Yüksel (33), Controlerin aus Wilhelmsburg
„Der Alltag ist extrem schwierig geworden. Ich bin aktuell in Elternzeit und wir haben den Unterschied im Porte-monnaie direkt nach einem Monat gespürt. Jetzt kommt auch noch die Inflation dazu. Mein Mann besitzt eine Bäckerei, dort haben sich die Einkaufspreise inzwischen nahezu verdoppelt. Wirklich Gewinn kriegt er da jetzt auch nicht mehr raus.“
„Besonders trifft uns derzeit die Nebenkostenabrechnung, wodurch wir fast zweimal Miete zahlen müssen. Im Alltag merke ich das besonders beim Einkaufen von ganz alltäglichen Dingen wie Butter, Öl oder Jogurt. Ich wohne direkt am Nahkauf, gehe da aber überhaupt nicht mehr hin, sondern zu Aldi oder Penny. Früher bin ich immer dort einkaufen gegangen, wo es für mich gerade am Bequemsten war – aber das ist jetzt nicht mehr möglich.“