• Ein Blick in die „Julius-Vosseler-Siedlung“ in Lokstedt.
  • Foto: Patrick Sun

Wohnen in Hamburg: 4590 Euro für ein Reihenhaus — wo endet der Mieten-Wahnsinn?

Lokstedt –

4590 Euro Miete im Monat kostet es laut einer Anzeige beim Immobilienportal „Immobilienscout 24“, in ein graues Mittelreihenhaus in der Julius-Vosseler-Straße zu ziehen. Kein großes Grundstück, kein sonderlich hübscher Bau, trotzdem teuer – und Ausdruck des Mietenwahnsinns, der teilweise in Hamburg herrscht. Wer kann sich so etwas noch leisten und vor allem: Was wird dagegen unternommen?

185 Quadratmeter Neubau-Wohnfläche mit sieben Zimmern inklusive zwei Stellplätze für Autos und einem kleinen eigenen Garten: Das verspricht das Angebot bei dem Online-Immobilienportal für eine Kaltmiete von 4190 Euro. Warm kommen 400 Euro obendrauf.

Wohnen in Hamburg: Angebot in Lokstedt für 4590 Euro

Umgerechnet wäre das ein Preis von 22,65 Euro pro Quadratmeter. Ein Blick in den Hamburger Mietenspiegel von 2019 zeigt: Das liegt deutlich über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Der Quadratmeterpreis liegt dort bei einer normalen Wohnlage zwischen 10,64 und 15,29 Euro, bei einer guten Wohnlage zwischen 13,50 und 15,31 Euro.

Siegmund Chychla, Vorsitzender des „Mieterverein zu Hamburg“, zeigt sich nicht überrascht. „Gebäude oder Wohnungen, die nach dem 1. Oktober 2014 gebaut wurden, sind von der Mietpreisbremse ausgeschlossen“, erklärt er. Diese sieht vor, dass die Miethöhe bei Neuabschluss von Mietverträgen auf die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete plus zehn Prozent begrenzt wird.

Wohnen in Hamburg: Neubauten fallen nicht unter Mietpreisbremse

„An diesem Angebot sieht man, dass Neubau alleine das Wohnungsproblem in Hamburg nicht lösen kann“, ergänzt Chychla. „Solche Wohnungen können sich höchstens fünf Prozent der Hamburger Haushalte leisten.“

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Dem stimmt Marc Meyer, Rechtsanwalt bei „Mieter helfen Mietern“, zu: „Hier handelt es sich bezogen auf die Größe um eine klassische Familienwohnung. Die meisten Mieter werden sich solche Wohnkosten aber nicht leisten können“, sagt er der MOPO. Auch er sieht deutlichen Nachbesserungsbedarf bei der in Hamburg erst 2020 um fünf Jahre verlängerten Mietpreisbremse.

Wohnen in Hamburg: Mietpreisbremse mit vielen Ausnahmen

Denn dieses Beispiel sei ein Fall für die Mietpreisbremse, falle allerdings unter die erwähnten Ausnahmen. „Diese Ausnahmen müssen allesamt gestrichen werden“, so Meyer.

Laut dem Wohnlagenverzeichnis der Stadt Hamburg handelt es sich bei der Julius-Vosseler-Straße bislang um eine unterdurchschnittliche „normale Wohnlage“. „Offenbar geht der Anbieter davon aus, auf dem beengten Wohnungsmarkt ungehindert beliebige Miethöhen aufrufen zu können“, sagt Meyer.

Wie kommen solche Preise wie hier in Lokstedt zustande? Die MOPO versuchte, den Anbieter zu kontaktieren, der meldete sich allerdings nicht zurück.

Wohnungsmarkt in Hamburg: Wo ist Nachbesserungsbedarf?

Auch in der Politik zeigt man sich angesichts des Angebots entsetzt. „Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass sich Teile der Wohnungswirtschaft im frei finanzierten Wohnungsbau trotz aller Versprechungen nicht verpflichtet fühlen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, sagt Olaf Duge, Sprecher der Grünen Bürgerschaftsfraktion für Stadtentwicklung und Wohnen.

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„Politisch zeigt es uns, dass bei der Grundstücksvergabe noch deutlichere Vorgaben im Hinblick auf Weiterverkäufe und Preisgestaltung vorgenommen werden müssen“, so der Grünen-Politiker. Diese müssten zum Beispiel an Bauträger vergeben werden, die nicht die Maximalrendite anstrebten, wie Genossenschaften, Einzeleigentümer oder soziale Stiftungen.

Wohnen in Hamburg: Mehr als 70.000 Neubauten seit 2011

„Die Ausnahme des Neubaus von der Mietpreisbremse soll dazu beitragen, den Neubau von bezahlbarem Wohnraum nicht abzubremsen“, argumentiert Martina Koeppen, Sprecherin für Stadtentwicklung der SPD-Bürgerschaftsfraktion. „Seit 2011 wurden über 70.000 Wohnungen fertiggestellt, von denen rund 21.500 öffentlich gefördert sind.“ Das sei der richtige Weg für eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt.

Koeppen beurteilt das Angebot in Lokstedt als unanständig. Dies sei ein Grund, sich weiter für bezahlbares Wohnen einzusetzen. „Mit der CDU ist im Bund jedoch kein schärferes Mietrecht zu machen. Dafür braucht es in Berlin ab Herbst 2021 progressive Mehrheiten jenseits von CDU“, so die SPD-Politikerin.

Mieten-Anstieg in Hamburg unter der allgemeinen Preisentwicklung

Auch die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen sieht die Notwendigkeit von Neubauten für einen entspannteren Wohnungsmarkt. „Deshalb ist es wichtig, für den Wohnungsbau grundsätzlich Anreize zu schaffen und potenzielle Hürden abzubauen“, so eine Sprecherin. Das Ziel mit jährlich 10.000 neuen Wohnungen sei mit Ausnahme einer leichten coronabedingten Einschränkung im Jahr 2020 seit 2016 immer erreicht worden.

Zusätzlich hat der Bundestag am Freitag das Baulandmobilisierungsgesetz beschlossen. Dieses sieht unter anderem vor, dass Baugrundstücke nicht zu Spekulationsobjekten werden, sondern dass Kommunen den Wohnungsbau effektiver durchsetzen können.

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