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    Wie das Geschäft leidet: „Absurde Situation“: Buchhandlungs-Chef über die Corona-Krise

    Eppendorf –

    Die Corona-Krise trifft auch den Buchhandel direkt ins Herz. Die Läden in Hamburg sind geschlossen, Stöbern ist nicht mehr möglich, Lesungen fallen aus. Und dabei hätten viele Menschen zu Hause ausgerechnet jetzt mehr Zeit zum Lesen als je zuvor. Die MOPO sprach mit Christian Heymann, Geschäftsführer der Hamburger Traditionsbuchhandlung Heymann mit 14 Filialen über die Schwierigkeiten, das Geschäft trotz allem am Laufen zu halten. 

    MOPO: Können Sie schon beziffern, wie hart die Corona-Krise und die damit verbundenen Maßnahmen Ihr Geschäft getroffen haben?

    Christian Heymann: Wir haben im März ungefähr 50 Prozent weniger verkauft. Im April bisher 70 Prozent weniger.

    Wie versuchen Sie, die Verluste auszugleichen?

    Wir stellen Neuerscheinungen bei Instagram und Facebook vor. Auch unsere Lesungen, die sonst in den Geschäften stattfinden, haben wir in die Social Media Kanäle verlagert. Die Lesungen sind dort natürlich viel kürzer und nur fünf bis zehn Minuten lang. Aber das Angebot kommt gut an. Die Leute bestellen bei uns telefonisch und per E-Mail. Wir liefern die Bücher per Post oder per Fahrrad aus.

    Treten Sie auch selbst in die Pedale?

    Ja, meine Waden werden immer kräftiger, obwohl ich auch sonst sportlich unterwegs bin. Momentan fahre ich nachmittags drei bis fünf Stunden durch die Stadt. Da kommen schon mal 40 Kilometer zusammen.

    Lohnt sich der Aufwand?

    Wirklich ausgleichen können wir unsere Verluste damit nicht. Die Logistik ist sehr aufwändig und auch die Abrechnung kostet viel Zeit, weil die Kunden nur per Rechnung bezahlen können.

    Warum machen Sie es dann?

    Wir machen es in erster Linie für unsere Kunden. Wir wollen die Leute ja nicht im Regen stehen lassen. Lesen ist ein wichtiges Kulturgut. Gerade jetzt haben die Menschen Zeit dafür. Die Leute freuen sich immer riesig, wenn ich bei ihnen an der Tür klingle und – natürlich auf Abstand – die Bücher überreiche. Das ist ein schönes Gefühl und macht mich glücklich. Und wir können unseren Cashflow so wenigstens ein bisschen in Bewegung halten.

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    Wie ist die Situation für Ihre Mitarbeiter?

    Wir mussten für unsere 210 Mitarbeiter Kurzarbeit beantragen. Für manche 100 Prozent, andere arbeiten voll. Wir haben versucht, das Ganze so sozialverträglich wie möglich zu gestalten und auf jeden individuell einzugehen. Jemand, der einen gut verdienenden Partner hat, kann eher kürzer treten, als eine alleinverdienende Mutter, die auf das Geld angewiesen ist. Die Kollegen gehen sehr fair miteinander um. Da ist viel Solidarität. Ich freue mich über diesen Teamgeist. Wir selbst in der Geschäftsführung verzichten momentan auf unser Gehalt.

    Ann-Danette Beißel von Heymann reicht bestellte Bücher per Stange aus dem Keller hinaus.

    Ann-Danette Beißel von Heymann reicht bestellte Bücher per Stange aus dem Keller hinaus.

    Foto:

    Quandt/ Florian Quandt

    Sie haben 14 Filialen. Wie sind Sie mit Ihren Vermietern verblieben?

    Manche verhalten sich sehr fair und haben uns die Hälfte der Miete erlassen. Das sind eher die Privatvermieter. Sie zeigen Verständnis. Sobald ein großer Fonds dahinter steckt, gibt es wenig Entgegenkommen. Da muss die Bundesregierung dringend nachsteuern. Es kann ja nicht sein, dass alle – egal ob Privatleute oder Einzelhändler – draufzahlen und die einzigen, die keinerlei Verluste erleben, sind die Vermieter. Selbst wenn man die Miete stunden kann, so werden doch aus gesunden Unternehmen kranke Unternehmen, weil sie sich verschulden. Auch Vermieter müssen aus meiner Sicht in die Pflicht genommen werden. Sonst wird das Thema die Gerichte noch viele Jahre beschäftigen.

    In Berlin sind die Buchhandlungen geöffnet, in Hamburg nicht. Wie empfinden Sie das?

    Das ist für uns schwierig nachzuvollziehen. Auch bei unserer Filiale in Eidelstedt haben wir die absurde Situation, dass sie geöffnet sein darf, weil es dort einen großen Pressebereich gibt. Der Buchbereich ist allerdings abgesperrt. Und es ist auch nicht erlaubt, dass der Buchhändler für einen Kunden, der eine Zeitung kauft, noch ein Buch aus dem geschlossenen Bereich holt. An das gleiche Buch kann der Kunde nur kommen, indem er es bestellt und wir es ihm liefern. Das ist doch nicht zu verstehen!

    Könnten Sie einen Verkauf unter Berücksichtigung der Kontaktregeln gewährleisten?

    Ja, klar. Wir könnten auch jemanden an die Tür stellen, der immer nur drei Leute gleichzeitig in die Läden lässt. An den Kassen würden wir Schutzscheiben montieren. Aber ich will mich nicht beschweren. Wir sind froh, dass wir die Lösung mit dem Lieferservice und Abholstationen gefunden haben. Der Schutz unserer Mitarbeiter und der Bevölkerung muss oberste Priorität haben. Da habe ich das allergrößte Verständnis.

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