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So kreativ sind die Hamburger: Essens-Rutsche, Hunde-Schalte und andere coole Ideen

Geschlossene Türen, Kontaktverbot – die Corona-Krise trifft den Hamburger Einzelhandel aufs allerhärteste. Bei vielen ist der Umsatz auf Null gesunken. Andere versuchen, sich mit Lieferangeboten über Wasser zu halten. Aber die Not macht auch erfinderisch. Die MOPO hat sich auf die Suche nach den kreativsten Verkaufslösungen gemacht.

„Lesser Panda“: Wo Mahlzeiten das Rutschen lernen

Vor dem Restaurant „Lesser Panda“ an der Karolinenstraße steht seit Donnerstag eine Rutsche. Doch die Rutsche ist kein Ersatz für die Kinder des Karoviertels, deren Spielplatz seit Ausbruch der Corona-Krise geschlossen ist. Nein, über die hölzerne Schräge rutschen japanische Nudelgerichte.

„Zuerst haben wir unsere Mahlzeiten über einen Tisch vor der Tür verkauft“, erzählt Florian Ridder (30), einer der beiden Restaurantchefs. Aufgrund der Enge in dem Mini-Lokal sei es aber schwierig gewesen, die Abstandsregeln einzuhalten.

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Eine Nachbarin hatte die Idee mit der Rutsche und hat die kreative Essensausgabe auch gleich selbst gebaut. „Ich bin sehr dankbar für die Liebe und Solidarität aus der Nachbarschaft“, sagt Ridder. Die Rutsche sei vor allem ein Hingucker. „Viele Leute bleiben stehen. Besonders Kinder haben Spaß. Wir freuen uns, in diesen Zeiten ein positives Signal aussenden zu können.“

Für Ridder und seinen Co-Geschäftsführer Vincent Domeier sind es harte Zeiten. Der Umsatz ist um 80 Prozent eingebrochen. Trotzdem haben die beiden keine Staatshilfen beantragt. „Die Hilfen sind für diejenigen, die gar keinen Umsatz mehr machen“, sagt Ridder. „Wir verdienen ja noch ein bisschen was, wenn auch wenig.“

Ridder und Domeier verzichten momentan auf ihr Gehalt, um die Miete und die beiden Köche bezahlen zu können. „Wir haben früher Pop-up-Stores gehabt. In der Zeit haben wir gelernt, keine Angst zu haben und die Dinge positiv zu sehen“, sagt Ridder. „Wir schaffen das!“

Wie „Jimmy“ seine Osterhäschen auf Touren bringt

Einen Totaleinbruch hat auch Jimmy Blum mit seinen beiden Second-Hand-Läden „Jimmy“ an der Hartungstraße und am Schulterblatt erlebt. Retro-Fummel und Vintage-Klamotten muss man anprobieren. Da hilft auch ein Online-Shop nichts. Blum setzt nun auf den Verkauf seiner Gourmet-Produkte (Olivenöl, Seifen, Spirituosen) und Deko-Artikel wie glitzernde Osterhäschen, die er nun eigenhändig mit dem Fahrrad ausliefert.

Jimmy Blum liefert per Fahrrad aus

Sein Second-Hand-Laden ist geschlossen. Nun liefert Jimmy Blum Deko-Artikel per Fahrrad aus.

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Florian Quandt

„Bisher habe ich meine Fixkosten noch nicht zusammen“, sagt Blum, der bei der Stadt die Förderung beantragt hat. „Heute war die Miete fällig. Die hab ich jetzt erstmal aus meinen Ersparnissen bezahlt.“

Schallplatten auf Rädern – neuer Service von „Hanseplatte“

Ebenfalls mit dem Fahrrad versucht sich auch Jakob Groothoff vom Plattenladen „Hanseplatte“ durch die Krise zu manövrieren. „Meine Lösung sind meine Waden“, lacht der 34-Jährige, der täglich zwischen fünf und 15 Kilometer durch die Stadt radelt. Seine Kunden, die sonst zum Stöbern in den Laden gegenüber der ehemaligen Rinderschlachthalle am Neuen Kamp kommen, informieren sich über die Social-Media-Seiten der „Hanseplatte“ und bestellen per Mail oder telefonisch.

Hanseplatte

Schallplatten auf Rädern: Jakob Groothoff von „Hanseplatte“ auf St. Pauli liefert mit dem Fahrrad aus.

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Quandt/ Florian Quandt

„Es funktioniert ganz gut“, sagt Groothoff, für den die Radtouren auch eine willkommene Abwechslung vom Lagerkoller zu Hause sind. Dennoch: Ohne Hilfen von der Stadt geht es nicht. Für seine beiden Mitarbeiterinnen musste Groothoff Kurzarbeit beantragen, die Miete hat er gestundet. „Dank der Bestellungen können wir zumindest die notwendigsten Dinge bezahlen.“

„Frau Büchert“ stellt die Tüten vor die Tür

Jana Büchert vom Buchladen „Frau Büchert“ im Grindelviertel hat ihre Bücher zunächst über die Apotheke gegenüber verkauft. Doch weil das nicht so gerne gesehen wird („Man sollte nicht für zusätzliche Frequenzen in den Apotheken sorgen“, so Brigitte Nolte, Geschäftsführerin des Hamburger Einzelhandelsverbands), hat die Buchhändlerin umorganisiert.

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Stellt die Bücher vor die Tür: Jana Büchert von der Buchhandlung „Frau Büchert“ im Grindelviertel.

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hfr

Auf einem Zettel im Schaufenster informiert Jana Büchert ihre Stammkunden, dass die Bücher per Telefon oder Mail bestellt werden können. Dann packt sie die Produkte in Papiertüten und stellt sie im Eingang bereit. Wer an die Tür klopft, weicht anschließend im Sicherheitsabstand zurück, Jana Büchert stellt die Tüte vor die Tür. Bezahlt wird per Rechnung.

Weil auch die Beratung per Mail läuft, Zahlungseingänge überprüft und Rechnungen abgeheftet werden müssen, ist der Alltag von Jana Büchert umständlich geworden. „Es ist die vierfache Arbeit für ein Viertel des Umsatzes“, sagt sie. Dennoch: Das Ostergeschäft ist derzeit ihre Rettung. Und die kritische Einstellung ihrer Nachbarschaft gegenüber Online-Versandhändlern wie Amazon & Co. Was nach Ostern sein wird, da gilt für Jana Büchert wie bei allen Einzelhändlern in Hamburg die große Ungewissheit.

Der „Weinladen St. Pauli“ setzt jetzt auf digitale Verkostung

Stephanie Döring vom „Weinladen St. Pauli“ hat deshalb umgepolt. Ihr Online-Shop, der normalerweise nur nebenbei und in Ergänzung zum Bar-Ausschank und Tresenverkauf läuft, ist momentan der Rettungsanker für das geschlossene Geschäft an der Paul-Roosen-Straße. Und um den virtuellen Verkauf anzukurbeln, veranstalten Döring und ihr Partner nun Online-Weinproben.

Weinladen St. Pauli macht jetzt Online-Weinproben

Sie machen jetzt Online-Weinproben: Stephanie Döring vom Weinladen St. Pauli und Johannes Riffelmacher vom Restaurant Salt & Silver

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„Wir erzählen etwas über die Weine, die Winzer, die wir gut kennen, die Weinregionen und natürlich den Geschmack“, erzählt Döring. Das Ganze sei unterhaltsam gestaltet, die Zuschauer können parallel dazu die vorab zugestellten Weine probieren und über Facebook Fragen stellen, die live beantwortet werden. Der Erfolg hat die Döring umgehauen: „Wir sind geradezu überschwemmt worden mit Bestellungen und mussten plötzlich hunderte Weinkisten ausliefern“, erzählt die Wein-Expertin. „Das was zunächst im wahrsten Sinne eine Schnapsidee war, ist nun ein neuer Geschäftszweig mit Logistik-Abteilung geworden.“ Die nächste Weinprobe findet am 18. April um 19 Uhr auf Facebook, Instagram und dem neuen Social TV Sender One Hamburg (www.one-hh.de) statt.

Hundeversität: Vierbeiner-Training per Video-Konferenz

Auch Tina Tschürtz, deren Job als Hundetrainerin normalerweise unbedingt im Direktkontakt stattfindet, setzt in Corona-Zeiten auf virtuelle Ferndiagnosen. „Mein Geschäft ist seit Corona klar eingebrochen. Gruppen-Training ist nicht mehr erlaubt“, sagt die Inhaberin der Hundeschule „Hundeversität„. Deshalb veranstaltet Tschürtz ihre Trainingseinheiten jetzt vor dem Bildschirm per „Zoom“.

Hundetrainerin Tina Tschürtz aus Hamburg

Hundetraining per Video-Botschaft: Tina Tschürtz mit ihrer Hündin Ginger.

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„Ich biete Beschäftigungsideen für drinnen an“, sagt Tschürz, die sich sonst einmal die Woche mit ihren Gruppen trifft. „Wir drehen die Bildschirme so, dass wir uns alle sehen können.“ Das sei auch für die Hundebesitzer wichtig, für die die Gruppe ein über Jahre gewachsener Alltagsbestandteil ist.

Für Kunden, die sich einen Hund aus dem Tierheim holen und Hilfe bei der Eingewöhnung brauchen, darf Tschürtz zwar jetzt auch wieder Einzeltraining anbieten, weil es an der frischen Luft ist und der Kontakt nur zu einer Person besteht. Dennoch bietet die Hundetrainerin auch hier virtuelle Hilfe an. „Das ist für mich neu und ich bin ganz überrascht, wie viele Probleme man auch online lösen kann“, so Tschürtz.

Auch größere Unternehmen arbeiten mit neuen Lösungen

Für die kleinen Einzelhändler ist der Überlebenskampf besonders hart. Aber auch die größeren Unternehmen erfinden neue Lösungen, um ihr Geschäft fortführen zu können.

Die Buchhandlung Heymann mit vielen Filialen in der Stadt veranstaltet virtuelle Lesungen, stellt Neuerscheinungen auf seinen Social-Media-Kanälen vor und liefert Bestellungen per Fahrrad aus. Dafür tritt sogar Geschäftsführer Christian Heymann in die Pedalen.

Das Hotel „My Place“ in der Lippmannstraße 5 bietet seine Zimmer als Bürofläche an. „Unsere Hotelzimmer werden temporär zu privaten Arbeitszimmern!“, heißt es auf Instagram. Und weiter: „Eine schöne Möglichkeit, wenn Euch zuhause die Decke auf den Kopf fällt, die Kinder auf der Couch springen oder der Küchentisch besetzt ist!“ Der Preis für Hotel-Büro-Zimmer inklusive WLAN, eigenem Badezimmer und Desinfektionsmittel: 17 Euro pro Tag. 

Und selbst bei Ikea in Schnelsen läuft alles anders als sonst: Der Einkauf ist nur noch per Online-Bestellung möglich. Kunden bekommen ein bestimmtes Zeitfenster für die Abholung zugeteilt. Wer dann mit dem Auto vorfährt, wird in bestimmte Parkbuchten geleitet, darf seinen Wagen dort nicht verlassen, sondern ruft eine am Kopfende der Parkbucht angeschriebene Telefonnummer an, um seine Ankunft mitzuteilen. Dann bringen Ikea-Mitarbeiter die Bestellung per Rollwagen zum Auto und entfernen sich wieder, so dass der Kunde seine Sachen nur noch einzuladen braucht.

Auch der Buchhändler Thalia teilt ab Montag bestimmte Zeitfenster für bestellte Ware zu. Kunden sind aufgefordert,  in der Schlange auf die Abstandsregeln zu achten und sich nach Erhalt der Bücher sofort vom Ort zu entfernen, ohne hineinzuschmökern. Zahlung ist nur per Kreditkarte möglich.

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