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Keine Fahrgäste warten an einer Bushaltestelle am Hauptbahnhof.
  • Nix los am Hauptbahnhof: Busse der Hochbahn wurden am Mittwoch bestreikt.
  • Foto: picture alliance/dpa/Christian Charisius

Warnstreik der Hochbahn sorgt für „dramatische Szenen“ bei Bücherbussen

In Hamburg stehen die U–Bahnen am Mittwoch still. Um ihren Tarifforderungen Nachdruck zu verleihen, streiken die Busfahrer und Zugführer der Hochbahn. Für viele Pendler fiel damit die Verkehrsanbindung zum Arbeitsplatz weg. Um doch zum Job zu kommen, versuchten die Hamburger sogar, mit dem Bücherbus der Bibliotheken zu fahren. Eine Zusammenfassung des chaotischen Mittwochs:

Seit drei Uhr morgens ging nichts mehr. Alle Hamburger U-Bahnen in Hamburg blieben am Mittwoch in den Depots, die Hochbahn-Busse in den Betriebshöfen. Die Gewerkschaft Verdi hatte die rund 6000 Beschäftigten des größten Unternehmens im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) zu einem 24–stündigen Warnstreik aufgerufen – und ist damit so erfolgreich, dass die Hochbahn bereits am Vortag die Segel gestrichen und gar nicht erst versucht hat, über einen Ersatzverkehr oder Notfahrplan noch zu retten, was zu retten ist.

Das Ergebnis: Die Fahrgäste – an Werktagen rund eine Million – mussten an diesem Tag selbst sehen, wie sie alternativ an ihr Ziel kamen.

Taxi-Anbieter profitieren vom Streik

Viele wechselten soweit möglich auf die noch fahrenden S-Bahnen, die in Hamburg verkehrenden Busse der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) oder Taxis. Der Anbieter Free Now etwa buhlte am frühen Morgen über seine App mit einem Rabatt von bis zu vier Euro um Gestrandete.

Aber auch der Sammeltaxi-Anbieter Moia zählte zu den Krisengewinnlern. „Aufgrund des heutigen Streiks der Hamburger Hochbahn ist bei uns gerade viel los. Wir geben unser Bestes, jeden Fahrtwunsch zu erfüllen und die Wartezeiten so kurz wie möglich zu halten“, twittert Moia am Vormittag. Etliche dürften aber auch einfach wieder nach Hause ins Homeoffice gegangen sein.

Seit 3 Uhr geht hier nichts mehr: Busse der Hamburger Hochbahn am Mittwochmorgen auf dem Betriebshof Alsterdorf. dpa
Seit 3 Uhr geht hier nichts mehr: Busse der Hamburger Hochbahn am Mittwochmorgen auf dem Betriebshof Alsterdorf.
Seit 3 Uhr geht hier nichts mehr: Busse der Hamburger Hochbahn am Mittwochmorgen auf dem Betriebshof Alsterdorf.

Das befürchtete Chaos auf den Straßen blieb aus. Am frühen Morgen lief nach Polizeiangaben zunächst alles wie gewohnt. Im Laufe des Morgens nimmt der Verkehr zwar dann doch zu. „Die Verkehrslage ist etwas dichter, insbesondere auf den Einfallstraßen“, sagt ein Sprecher der Verkehrsleitzentrale. Staus gebe es aber nicht. Ob nur der Warnstreik oder auch die Wetterlage mit Sturm und viel Regen mitverantwortlich für das vermehrte Verkehrsaufkommen auf den Straßen sei, wisse er nicht. Auch am Abend heißt es aus der Verkehrsleitstelle: „Das verteilt sich“.

„Dramatische Szenen an unseren Bücherbus-Haltestellen“

Die Suche nach alternativen Transportwegen nahm an diesem Tag aber durchaus auch skurrile Züge an. So twittern etwa die Bücherhallen Hamburg schon fast verzweifelt von „dramatische Szenen an unseren Bücherbus-Haltstellen“. Denn statt Bücher auszuleihen, versuchten Gestrandete ihren Transportweg über den Bücherbus zu organisieren. „Leider können wir aber keine Fahrgäste mitnehmen.“

Verdi–Gewerkschaftssekretärin Magdalene Waldeck zeigt sich hingegen hoch zufrieden vom Verlauf des Warnstreiks. „Die Resonanz ist wirklich super“, sagt sie. Verdi will mit dem Ausstand den Druck auf den Arbeitgeber für die dritte Tarifverhandlungsrunde am Donnerstag erhöhen. Die Gewerkschaft fordert für die Beschäftigten bei einer zwölfmonatigen Tariflaufzeit monatlich 600 Euro mehr Lohn. Zudem sollen Auszubildende monatlich zusätzlich 258 Euro und ein kostenloses Profiticket für den öffentlichen Nahverkehr erhalten.

Die Hochbahn bietet bislang bei einer Laufzeit von 21 Monaten eine Erhöhung der Tarifentgelte rückwirkend zum 1. Januar um 4,5 Prozent, mindestens aber um 150 Euro an. Eine weitere Anhebung um 130 Euro sollte es ab dem 1. Januar 2024 geben, zudem eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3000 Euro.

Am Donnerstag fahren die U–Bahnen wieder normal

Dass die Hochbahn so schnell alle Zügel habe fahren lassen und den Bahn- und Busbetrieb am Mittwoch gar nicht erst aufgenommen habe, ist für Waldeck leicht erklärbar. Da Gewerkschafter in dem Unternehmen einen Zuschlag erhielten, sei der Geschäftsführung bekannt, wie hoch der Organisationsgrad unter den Bus– und U–Bahnfahrerinnen und –fahrern sei. Entsprechend hätten sich die Chefs an einer Hand abgezählt, wie erfolgreich ein Notfahrplan oder Ersatzverkehr wohl gewesen wäre. Waldeck teilt aber deren Einschätzung, dass ein solches Mittel auch nicht sinnvoll gewesen wäre – hatte die Hochbahn doch erklärt: „Damit verbunden wäre ein hohes Sicherheitsrisiko, wenn sich Fahrgäste mit der Hoffnung auf ein vermeintliches Verkehrsangebot in zu volle Fahrzeuge oder auf Bahnsteigen drängeln.“

Sowohl Waldeck als auch Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum gehen davon aus, dass am Donnerstag von 3 Uhr an die U-Bahnen wieder normal fahren, bei den Bussen könne es an der einen oder anderen Stelle noch etwas länger dauern. Aber spätestens um 6.00 Uhr sollte alles wieder funktionieren, sagte Kreienbaum. Über wirtschaftliche Schäden könne er noch nichts sagen. Durch den Warnstreik fehlten zwar Einnahmen, auf der anderen Seite entfielen aber auch Kosten etwa für Strom oder Diesel.

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Definitiv Verluste erlitten quasi als Kollateralschaden die sonst viel frequentierten Kioske in den nun verwaisten U–Bahnhöfen, etwa jener vor Angelique Anders an der U–Bahn–Station Lattenkamp. Sie sagte dem „Hamburger Abendblatt“ am Morgen, sie habe bereits knapp 1000 Euro Umsatz eingebüßt. In den drei Stunden seit der Öffnung um 6 Uhr habe sie erst zwei Kannen Kaffee aufgesetzt, sonst „läuft jetzt schon Nummer sechs durch“, sagt sie.

Und auch etliche Jugendliche dürften auf dem Weg zur Schule genervt von Umsteige–Odysseen oder alternativ langen Fahrradwegen gewesen sein, erst recht wenn sie merkten, dass sie auch hätten zu Hause bleiben können. Denn dies hatte die Schulbehörde (BSB) erlaubt, die Entscheidung aber erst am späten Dienstagabend um 23.30 Uhr via Twitter verbreitet – und auf demselben Kanal entsprechende Reaktionen geerntet: „Familien brauchen auch etwas Planungssicherheit. Und die Schulen übrigens auch. Setzen 6, liebe BSB.“ (dpa/mp)

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