Hochbahn-Streik unsozial? „Das ist nicht unsere Schuld“
„Wir müssen ein Zeichen setzen”, sagt Verdi-Gewerkschaftssekretärin Magdalene Waldeck über den Hochbahn-Streik in Hamburg. Seit 3 Uhr nachts stehen alle U-Bahnen und Busse der Stadt für die nächsten 24 Stunden still. Die Gewerkschaft fordert durchschnittlich 17 Prozent mehr Lohn. Ist diese Summe gerechtfertigt? Und wie sozial ist es, dafür die halbe Stadt lahmzulegen? Die MOPO hat mit Waldeck gesprochen – auch über die Frage, ob es noch weitere Streiktage geben wird.
„Wir müssen ein Zeichen setzen”, sagt Verdi-Gewerkschaftssekretärin Magdalene Waldeck über den Hochbahn-Streik in Hamburg. Seit 3 Uhr nachts stehen alle U-Bahnen und Busse der Stadt für die nächsten 24 Stunden still. Die Gewerkschaft fordert durchschnittlich 17 Prozent mehr Lohn. Ist diese Summe gerechtfertigt? Und wie sozial ist es, dafür die halbe Stadt lahmzulegen? Die MOPO hat mit Waldeck gesprochen – auch über die Frage, ob es noch weitere Streiktage geben wird.
Das sind die Forderungen: Bisher gab es zwei Verhandlungsrunden zwischen Verdi und Hochbahn. Verdi verlangt für die Beschäftigten monatlich 600 Euro mehr Lohn. Nach den Vorstellungen der Gewerkschaft soll der Tarifvertrag eine Laufzeit von zwölf Monaten haben. Zudem sollen Azubis monatlich zusätzlich 258 Euro und ein kostenloses Profiticket für den öffentlichen Nahverkehr erhalten.
Die Arbeitgeberseite hat nach Gewerkschaftsangaben in der zweiten Verhandlungsrunde bei einer Laufzeit von 21 Monaten rückwirkend zum 1. Januar eine Erhöhung um 4,5 Prozent und zum 1. Januar 2024 eine Erhöhung der Tabelle um 130 Euro angeboten. Zudem biete der Arbeitgeber eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3000 Euro. Der zweite Verhandlungstermin am vergangenen Donnerstag war ergebnislos verlaufen. Von 3 Uhr am Mittwoch bis 3 Uhr am Donnerstag hat Verdi nun alle Beschäftigten der Hochbahn zum Warnstreik aufgerufen.
Frau Waldeck, warum wird nach zwei Verhandlungsrunden gleich so radikal alles bestreikt?
Magdalene Waldeck: Das kann man so und so sehen. Die Kolleginnen und Kollegen haben in den letzten Monaten und Jahren vieles durchgehalten wie Corona oder die Inflation. Der Streik ist im Endeffekt das Ergebnis. Es gab zwar früh ein Angebot vom Arbeitgeber, aber Busfahrerinnen und Busfahrer sowie andere Beschäftigte verdienen zum Teil so wenig, dass sie aufstocken müssen oder sich die Miete gar nicht mehr leisten können. Dieses Gesamtpaket hat dazu geführt, dass unsere Beschäftigten gesagt haben: Wir müssen ein richtiges Zeichen setzen.

Sie hatten eben schon das Angebot der Hochbahn angesprochen. Warum haben Sie es denn abgelehnt?
Es ist viel zu weit entfernt von unseren Forderungen. Das hat der Arbeitgeber selbst gesehen und es als „Lichtjahre entfernt” betitelt. So ist es auch.
Aber ist die Forderung nach 17 Prozent mehr Lohn nicht übertrieben?
Nein, ist sie nicht. Wenn man die Inflation einberechnet und dass die Beschäftigten letztes und vorletztes Jahr einen Reallohnverzicht hatten, dann sind 17 Prozent nur die Spitze.
Die Inflation trifft allerdings viele Branchen. Was, wenn das jetzt alle fordern?
Dann wäre das so, und dann würden wir das auch durchsetzen.
Wer soll das alles bezahlen?
Die Stadt Hamburg hat sehr viel Geld eingenommen mit Steuern. Die sprudeln hier faktisch. Die Hochbahn ist eine 100-prozentige Tochter der Stadt. Es wäre genug Geld da, um die 17 Prozent umzusetzen. Wenn es der Stadt wichtig wäre, diese Beschäftigten zu halten, um die Mobilitätswende umzusetzen, dann sollte sie das tun. Sie werden die Menschen sonst auf Dauer nicht mehr halten.
Das heißt, Sie sagen, die Mobilitätswende ist nicht umsetzbar, wenn sich tariflich jetzt nichts ändert?
Auf jeden Fall! Ohne uns gäbe es keine Mobilitätswende. Die Beschäftigten fliehen schon jetzt in andere Bundesländer, weil sie dort besser bezahlt werden oder auch in andere Bereiche. Techniker gehen teilweise zu Airbus, weil sie dort locker 1000 Euro mehr verdienen. Die Leute brechen uns jetzt schon weg. Wir werden bis 2030 auch rund 2000 Busfahrerinnen und -fahrer mehr brauchen.
Der aktuelle Streik trifft vor allem einkommensschwache Gruppen, die für den Weg zur Arbeit auf den Nahverkehr angewiesen sind. Ist das nicht wiederum unsozial?
Nein, das ist nicht unsere Schuld. Das ist absolut die Schuld des Arbeitgebers, der trägt es auf dem Rücken der Fahrgäste aus. Die Hochbahn hätte uns ein besseres Angebot vorlegen können, und dann wäre es kein Problem gewesen. Auf den ersten Blick federt das Angebot die finanzielle Krise der Beschäftigten etwas ab, aber langfristig hätten sie weniger Geld in der Tasche.
Hätte man nicht auch erstmal Teile des Verkehrssystems bestreiken können?
Ja, aber das wäre kein Zeichen gewesen. Das, worum es uns geht, ist nicht mal eben mit einer Kundgebung vorm Hochbahn-Haus oder einem Aufruf für Teile der Beschäftigten durchzusetzen.
Soll es noch weitere Streiktage in dieser Form geben?
Das kann ich noch nicht sagen. Morgen ist die nächste Verhandlung und wir werden sehen, was passiert.