Trauer um Hamburger Promi-Reporterin: „Jetzt bist Du gegangen. Viel viel zu früh“
Es gab eigentlich keinen speziellen Grund. Wir hatten uns etwas aus den Augen verloren. Dann hast du geschrieben – und um ein Lunch-Date gebeten. Freundlich. Fast zurückhaltend. Aber mit einem genauen Plan. Den hattest du immer. Und jetzt, es war Mitte 2024, wolltest du mir etwas Besonderes sagen. Bei Pizza und Salat. Der „Typ“ ist zurück. So hast du den Krebs in dir getauft. Du wirst sterben. In ein paar Wochen. Monaten. Das wusste niemand genau. Nur der Abschied war sicher.
Jetzt bist du gegangen. Aus der Mitte von uns. Der Mitte des Lebens. Viel viel zu früh. Für immer. Es zerreißt mir das Herz. Und rückt die Erinnerungen zurück in den Fokus. Teils verschwommen, teils im erbarmungslosen Detail.
Als ich zu deinem Lieblings-Italiener in Eppendorf kam, wusste ich nicht, was mich erwartet. Du hast es vorher nicht verraten. Weil du nicht wusstest, ob ich sonst gezögert hätte. „So ein Quatsch“, habe ich gesagt. „… so schrecklich wahr“, habe ich gedacht. Dein Anblick hat mich bis ins Mark berührt. Du warst ein Hauch. Ein Schatten auf Gesicht und Körper. Die Spuren der Krankheit. Und trotzdem saßt du stolz vor mir, mit festem Blick. Etwas zu viel Make-Up. Deine letzte Maske. Für die Wahrheit warst du noch stark genug.
Aus dem Lunch wurde Kaffee. Und länger. Es gab die ganze Geschichte. Fast jedes Kapitel kannte ich. Auch vor unserer Freundschaft. Vor 2001.
Reporterin Rike Schulz hatte alle Promi-Nummern
Rike war Reporterin. War Neugier und Finesse in Person. Ehrgeiz und Pedanz im journalistischen Blut. Bei Bild, bei Bauer, bei der MOPO. Hier – damals noch in Bahrenfeld – schon mit 30 Jahren eine „Legende“ am Roten Teppich. Immer top gestyled – vom Scheitel bis zur Sohle. Immer etwas zu viel als zu wenig. Aber typisch. Rike hatte jede Promi-Nummer, ordentlich sortiert nach Buchstaben in ihrem FiloFax. Und sie konnte jeden anrufen. Jan Fedder, Tim Mälzer, Udo Lindenberg, Sky Dumont, H.P. Baxxter – sogar Uwe Seeler und Helmut Schmidt.

Rike war ein thematischer Tausendsassa. Ein Multitalent. Sie schrieb Geschichten, die einem das Herz zerrissen. Näher dran als jede Lupe. Am Tatort einfühlsam, nachdrücklich und gewieft. Sie stellte die richtigen Fragen. Nicht zu fordernd, aber auch nie scheu. Sie hatte sie immer vorher im Block. Und manchmal rief sie mich vorher an, „ob ich das so echt formulieren kann?“ Das Ego hatte Grenzen. Und die kannte sie. Von gleich mehreren kleinen und großen Dramen in der eigenen Familie. Aber das ist eine andere Geschichte.
Mit ihrer Kamera guckte die Reporterin „hinter die Fassade der Gesichter“
Nach den Fragen kamen die Bilder. Dann waren die Menschen, die sie interviewte, meist Bekannte. Viele auch Freunde. Rikes Kamera war immer dabei. Sie hatte den Blick für den schnellen Moment. Das Titelfoto. Den Abschuss. Der Paparazzi in ihr. Noch viel lieber jedoch waren ihr die Szenen, mit denen sie hinter die Fassade der Gesichter blickte. Sie lichtete fast jeden Star, Musiker und Politiker des Senats ab. Tagsüber, nachts. Feierabend ein Fremdwort.
Sie machte auch die Session mit dem Babybauch meiner Frau. „Zeichne da mal einen Smiley drauf“, fiel ihr mitten im Shooting ein. „Da wächst neues Leben – das ist doch süß.“ Diese kleinen Einfälle, diese unvergessenen Momente. Akribie und Feingeist – das hast du wunderbar verbunden.
Leicht gesagt – aber auf dich war wirklich immer Verlass. Ob in der Redaktion oder beim Dinner zwischen Alster und Winterhude. Deinem Lieblingskiez. Wenig, was du dich nicht getraut hast. Auch die „harten Recherchen“, da packte dich besondere Energie. Oft haben wir auf den richtigen Moment im MOPO-Smart gewartet, über Gott und die Welt philosophiert. Wenn’s dann los ging, warst du sofort am Hörer.

Nein, ein Team-Player warst du nicht immer. Viel lieber die Rike, die ihr Ding macht. Meist in Perfektion. Ein echter Typ. Hamburg verdankt dir unzählige Geschichten, die sonst nie erzählt worden wären. Geheimnisse, die du entdeckt hast. Headlines. Enthüllungen. Herzschmerz.
Viele Jahre kämpfte Rike Schulz unermüdlich gegen den Krebs
Dann kam der Krebs. In dem Moment, als die Sonne besonders hell auf dich schien. Ein Killer. Für die meisten. Nicht für dich. Bei jedem Besuch im AK Barmbek hast du wie selbstverständlich erklärt: „Das ist nur so ein Typ. Der kommt – und der geht“.
Unfassbar tapfer und fast verbissen hast du gekämpft. Jede Pille geschluckt. Jede OP, jede Bestrahlung genommen wie ein kleiner Stich beim Impfen. Und damit die erste Hürde genommen. „Wer so etwas überlebt, hat nichts zu verlieren“, hast du gesagt. „Alles ab jetzt ist Zugabe.“ Das war vor gut 16 Jahren. 16 Jahre Zugabe. Wir müssen dankbar sein. Denn der Schatten war immer da.
Du hast wieder voll gearbeitet. Neue Stories erzählt. Aber du hast auch deine „Liste“ abgearbeitet. Deine Wunschliste des Lebens, die wichtigste Notiz in deinem Handy.
Porsche besitzen. Segelboot kaufen. Mit deinem Mann. Mehr Schuhe besitzen, als in jeder Gundlach-Filiale … kein Scherz – Rikes Sammlung war wahrlich eindrucksvoll und füllte mehr als ein Zimmer… Was haben wir gelacht über unser Lieblingsbild: Ich hatte einen rosa Pumps von dir am Ohr wie ein Telefonhörer. Auf der Liste ganz oben: Einen Herzens-Platz finden, einen Lieblingsort – es wurde ein Hotelzimmer mit Dachterrasse auf Mallorca.
Vielmehr aber waren es die kleinen Wünsche. Freunde gewinnen. Zimmer streichen. Auf der Alster in den Sonnenuntergang segeln. „Ich habe meine Liste abgearbeitet“, hast du mir dann beim Italiener verkündet. „Jetzt kann ich gehen“.
Der Krebs kam zurück. Erbarmungsloser als zuvor
2023 kam der „Typ“ zurück. An anderer Stelle. Unendliche Therapien und Qualen hast du gemeistert, einen Teil von dir verloren – um weitere Zeit zu gewinnen. Und jeden Tag zu nutzen. Gerade in den letzten Monaten hast du neue Herzensmenschen gefunden, die dich begleitet haben. Das hat mich besonders gefreut. Es war deine größte Sehnsucht. Die Einsamkeit die stille Angst.
Und das Leben war so ungerecht. Der „Typ“ kam erneut zurück. Erbarmungsloser als zuvor. An unerreichbarer Stelle. Unheilbar. Der Tod auf Raten. Und damit bist du wahrlich über dich hinausgewachsen.
Mit schier übermenschlicher Kraft hast du der Diagnose die Stirn geboten. Den Schock weggelächelt. Mit Schluckbeschwerden. Jeder Tag fiel schwerer. Die Kraft des Körpers verließ dich. Der Wille blieb. Bis letzten Donnerstag. Der Tag des Abschieds.
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Liebe Rike, dein Verlust ist nicht zu ersetzen. Die Erinnerungen fliegen. Wie an diesem Tag beim Italiener. Tiramisu und Träume. So viele hatten in dir eine wunderbare Begleiterin. Eine Kämpferin. Ein Vorbild zum Bewundern.
Du hast große Geschichten erzählt, kleine Wunder vollbracht. Das Schicksal war ein unfairer Gegner. Mach‘s gut!
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