x
x
x
Der Künstler Gunter Demnig verlegt den 7000. Stolperstein vor dem Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg.
  • Der Künstler Gunter Demnig verlegt den 7000. Stolperstein vor dem Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg.
  • Foto: picture alliance/dpa/Christian Charisius

7000. Stolperstein in Hamburg verlegt: „Das darf nie aufhören“

Der Künstler Gunter Demnig hat am Mittwoch vor dem Hotel „Vier Jahreszeiten“ den 7.000. Stolperstein in Hamburg verlegt. Er soll an Harald Seligmann erinnern, der von 1925 bis 1938 Nachtportier in dem Luxushotel war und im Konzentrationslager Neuengamme ermordet wurde.

„Die Stolpersteine sind eine große Bereicherung für unsere Erinnerungskultur“, sagte Carola Veit, Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft. „Und es ist in diesen Zeiten besonders wichtig zu sehen, dass das auch nie aufhören darf, dass wir gemeinsam stehen müssen gegen Antisemitismus, gegen Hass und Hetze. Daran erinnern diese Stolpersteine – jeder für sich und jeder erinnert auch an ein Schicksal.“

Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) mit dem Künstler Gunter Demnig bei der Verlegung des 7000. Stolpersteins vor dem Hotel Vier Jahreszeiten. picture alliance/dpa/Christian Charisius
Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) mit dem Künstler Gunter Demnig bei der Verlegung des 7000. Stolpersteins vor dem Hotel Vier Jahreszeiten.
Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) mit dem Künstler Gunter Demnig bei der Verlegung des 7000. Stolpersteins vor dem Hotel Vier Jahreszeiten.

Seit 1995 erinnert der Kölner Künstler Demnig mit seinem Projekt europaweit an Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft – seit 2002 auch in Hamburg. Die Steine, die auf der Oberseite kleine Messingplatten mit den Namen der Opfer tragen, werden vor den einstigen Wohn- und Arbeitsorten im Gehwegpflaster verlegt. Nach einer kleinen Feierstunde, an der auch Landesrabbiner Shlomo Bistritzky und der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Philipp Stricharz, teilnahmen, legten Teilnehmer weiße Rosen neben dem Stolperstein für Harald Seligmann nieder.

Stolpersteine: „Ich hätte nie gedacht, dass es solche Dimensionen annimmt“

„Ich hätte nicht gedacht, dass es solche Dimensionen annehmen würde“, sagte Demnig, der das Projekt initiiert hat. Mittlerweile sei das Projekt mit mehr als 100.000 Steinen in Deutschland und Europa das größte dezentrale Mahnmal der Welt. „Es sind immer mehr Angehörige, die sagen: Wir möchten das auch haben. Ich glaube, das ist eine Generationenfrage. Es sind jetzt die Enkel und Urenkel, die wissen wollen: Wo waren unsere Wurzeln, was ist da passiert?“ Gerade für die jüngeren Menschen mache er das. „Denn die wollen wissen, wie konnte so etwas im Land der Dichter und Denker passieren?“

Der Kommentar zum Thema: Die Botschaft der Stolpersteine ist aktueller denn je

Harald Seligmann, an den nun der 7.000. Stein erinnert, wurde 1886 als Sohn jüdischer Eltern auf der Uhlenhorst geboren. Nach seinem Schulabschluss begann er eine Lehre zum Gastronomen. Während des Ersten Weltkriegs diente er bei der Marine. 1916 heiratete er Bianka Diek, die katholisch war, und trat ihrem Glauben bei. Seit 1925 arbeitete er als Nachtportier im Hotel „Vier Jahreszeiten“, 1938 wurde er entlassen. Die Nationalsozialisten zwangen seine Frau, sich von ihm scheiden zu lassen, 1939 wurde Seligmann wegen „Rassenschande“ zu zwei Jahren Haft verurteilt. 1941 wurde er entlassen und ins Konzentrationslager Neuengamme überstellt. Dort starb er am 26. Juni 1942.

Diskussion um Gedenkminute für „unschuldige jüdische und palästinensische Opfer“

Am Ende der Zeremonie bat der Initiator der Stolpersteine in Hamburg, Peter Hess, um eine „Gedenkminute für die unschuldigen jüdischen und palästinensischen Opfer“. Das kam nicht bei allen Teilnehmern gut an. „Es ist völlig unangebracht, eines jüdischen Menschen zu gedenken, der hier ermordet wurde, weil er Jude war, und im Anschluss eine Gedenkminute für jüdische und palästinensische Opfer der aktuellen Ereignisse einzulegen“, sagte Philipp Stricharz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde. „Als wäre es zu vergleichen, wenn jüdische Menschen heute in Israel ermordet werden, weil sie Juden sind, mit Palästinensern, die sterben, aufgrund des Terrors der Hamas, den Israel versucht, abzustellen.“

Der 7000. Stolperstein erinnert an Harald Seligmann. picture alliance/dpa/Christian Charisius
Der 7000. Stolperstein erinnert an Harald Seligmann.
Der 7000. Stolperstein erinnert an Harald Seligmann.

Nach Angaben von Landesrabbiner Shlomo Bistritzky gab es in Hamburg nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel bisher noch keine Angriffe auf jüdische Einrichtungen oder Menschen. „Ich verstehe, dass Menschen sich hier mit den Palästinensern solidarisieren möchten“, sagte Bistritzky mit Blick auf die für Mittwochabend genehmigte pro-palästinensische Demo in Hamburg. Das sei in Ordnung, „solange das friedlich und ordentlich abläuft.“

Stolpersteine: In Hamburg wurden rund 8000 Juden während der Nazi-Zeit ermordet

In Hamburg wurden rund 8.000 Juden von den Nationalsozialisten ermordet. Hinzu kommen weitere Verfolgte wie Homosexuelle, Behinderte oder Andersdenkende. Der erste Hamburger Stolperstein wurde 2002 für Professor Siegfried Korach im Grindelviertel verlegt.

Getragen wird das Projekt in Hamburg auch durch eine Reihe von Geschichtswerkstätten und Initiativen, die sich um die regionale Recherche von Opferdaten kümmern oder Informationen zu einzelnen Opfergruppen ermitteln. Im Rahmen dieser Arbeit sind nicht nur die Lebensdaten von Opfern erforscht worden. Es sind darüber hinaus Kurzbiografien über viele Einzelschicksale entstanden, mit denen die Ermordeten in Wort und Bild vor dem Vergessen bewahrt werden. Über mobile Apps können diese Daten abgefragt werden.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp