• Ein Obdachloser liegt in Hamburg am bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in einem Schlafsack (Symbolbild).
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Schon fünf Tote: So schnell könnte Hamburg Obdachlose vor dem Corona-Winter retten

Dr. Stephanie Rose ist Sozialökonomin. Die Mutter einer Tochter ist Sozial- und Wissenschaftsexpertin der Linksfraktion in der Bürgerschaft. Die 32-Jährige fordert von der Stadt, Obdachlosen im Winter Hotelzimmer zur Verfügung zu stellen. Lesen Sie hier ihren Standpunkt, den Rose für die MOPO aufgeschrieben hat.

Mindestens 2000 Menschen leben in Hamburg auf der Straße – ohne festen Wohnsitz, ohne Unterkunft. Die Zahl ist eine Schätzung – denn die Dunkelziffer ist hoch. Was wir aber wissen: Obdachlosigkeit ist ein Dauerphänomen. Wer durch die Fußgängerzonen bummelt, sieht die Menschen in ihren Schlafsäcken, in ihren improvisierten Lagerstellen in Durchgängen oder vor Läden. Mitten im Lockdown sind sie oft die einzigen, die nachts noch auf den Straßen zu sehen sind.

Corona hat die Lage der Obdachlosen in Hamburg noch einmal verschärft

Der Corona-Winter hat ihre Lage noch mal verschärft. Denn die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus – also Kontaktbeschränkungen, Hygiene und der Rückzug in die eigenen vier Wände – sind mit den Lebensumständen auf der Straße nicht vereinbar.

Das hat furchtbare Folgen: Fünf Menschen sind in diesem noch so jungen Jahr auf unseren Straßen gestorben. Und das in innerhalb von nur sieben Tagen. Bisher lag Hamburgs trauriger Rekord bei drei Todesfällen im Monat.

Hamburger Linken-Politikerin will Obdachlose in Hotels unterbringen

Sowas macht mich wütend – denn es gäbe unkomplizierte Lösungen. Aber die Stadt setzt weiterhin auf Massenunterkünfte. Güter abwägen nennt sie das: Erfrierungsschutz geht eben vor Infektionsschutz. Und nicht mal dieser Erfrierungsschutz ist für alle ganztägig zugänglich. Morgens müssen Obdachlose das städtische Winternotprogramm nämlich wieder verlassen – und zwar auch bei Minustemperaturen.

Das ist durchaus nicht neu. Es hat aber unter Corona-Bedingungen noch schlimmere Folgen. Und immer öfter tödliche. In der Markthalle hat die Stadt den Betroffenen einen Tagesaufenthalt eingerichtet. Platz ist dort für bis zu 200 Menschen. 

Kein Mindestabstand in Hamburgs Unterkünften für Obdachlose

Muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Wir alle sollen uns gerade isolieren. Höchstens eine haushaltsfremde Person treffen, besser aber keine. Doch in der Markthalle gilt das nicht, in den Unterkünften eben auch nicht. Denn dort teilen die Menschen sich nachts ihr Zimmer – ohne Abstand, oft in wechselnden Runden.

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Bittere Folge: Viele Menschen bleiben lieber auf der Straße. In Schnee und Regen und angesichts der aktuellen frostigen Wetteraussichten.

Obdachlose besonders schutzbedürftig – Hotels wären Lösung, meint Hamburger Linke

Dabei sind Obdachlose besonders schutzbedürftig. Denn mit ihren Mehrfacherkrankungen gehören sie zu den besonders vulnerablen Gruppe. Die Stadt leistet also aktuell nicht mal das Allernotwendigste: die Schwächsten vor Infektionen zu schützen. Obwohl es doch eigentlich so einfach wäre: Hotelzimmer! Die stehen gerade zu Abertausenden leer.

Für die Sozialbehörde sind sie aber keine Lösung – dort sei eine Betreuung nicht möglich, so heißt es. Diese Haltung ist Blödsinn. Bewiesen hat das die aus privaten Spenden finanzierte Unterbringung in Hamburger Hotels zu Beginn der Pandemie. Denn die Betroffenen wurden nicht einfach in Hotels gebracht – sie wurden dort auch durch Sozialarbeiter:innen betreut.

Hamburger Sozialbehörde hält Unterbringung in Hotels für nicht machbar

Für mich ist die Sache klar: Es fehlt in Hamburg am politischen Willen! Denn die Stadt Düsseldorf bekommt es hin und hat obdachlose Menschen in Hotels untergebracht. Oder Wien – auch dort verbringen die Betroffenen den Corona-Winter in Einzelzimmern – ganztägig, an sieben Tagen in der Woche. Und wir haben genau das gefordert, immer wieder. Und wir haben es in der Bürgerschaft beantragt – wo wir abgeschmettert wurden. Immer wieder.

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Seit zehn Monaten sitze ich nun als Sozialpolitikerin für Die Linke in der Bürgerschaft. Am Anfang dachte ich noch, gute Ideen würden sich durchsetzen. Egal, wer nun gerade die Idee hatte. Das war ein Irrtum. Dabei geht’s hier aber gerade nicht um Parteipolitik, nicht um Machtspiele – es geht um schwer angeschlagene Menschen, die in Lebensgefahr auf der Straße sitzen.

Hamburger Linken-Poltikerin Rose: Hotels wären schnelle Hilfe für Obdachlose

Natürlich ist die Unterbringung in Hotelzimmern keine Dauerlösung. Und natürlich fordern wir eigentlich ganz etwas anderes: So sollte der Weg von der Obdachlosigkeit in die eigene Wohnung so kurz und so schnell wie möglich sein. Das ist auf Dauer viel wichtiger als das schlichte Verwalten von Obdachlosigkeit.

Aber jetzt, in diesem Corona-Winter? Jetzt können nur Hotelzimmer schnelle Hilfe bringen. Es sei denn, wir wollen uns an die Meldungen gewöhnen von den Menschen, die auf Parkbänken und in Einfahrten erfroren sind. Weil die Hilfe ausblieb.

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