Prozess gegen Ex-Bezirksamtschef Harald Rösler
  • Der frühere Leiter des Bezirksamts Nord, Harald Rösler, steht zu Beginn der Verhandlung im Gerichtssaal 337 im Strafjustizgebäude.
  • Foto: picture alliance / dpa/Marcus Brandt

Freikarten für Rolling Stones-Konzert: Behördenchef schweigt

Beim Konzert der Rolling Stones vor gut vier Jahren im Hamburger Stadtpark ging es nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft nicht nur um Rock‘n‘Roll, sondern auch um Bestechung und Korruption. Vor dem Landgericht Hamburg hat am Mittwoch der Prozess gegen den damaligen Leiter der Genehmigungsbehörde begonnen.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Chef des Hamburger Bezirksamts Nord, Harald Rösler (71, SPD), Bestechlichkeit und Untreue vor. Rösler soll bei Verhandlungen über die Genehmigung des Konzerts vom Veranstalter 300 Kauf- und 100 Freikarten verlangt haben. Im Gegenzug soll er der Veranstaltungsfirma FKP Scorpio bei den Gebühren für die Nutzung der Grünfläche im Stadtpark entgegengekommen sein.

Schaden von über 436.000 Euro für die Stadt Hamburg

Der Stadt Hamburg sei ein Schaden von über 436.000 Euro entstanden, erklärte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft. Rösler selbst habe zusammen mit seiner Ehefrau Konzertkarten der Kategorie Premium Gold mit Einladung zu einem Empfang im Wert von fast 1400 Euro angenommen. Die geforderten Frei- und Kaufkarten im Gesamtwert von rund 10.000 Euro seien vom Konzertveranstalter an Rösler und dessen Stellvertreter als „Spende“ geliefert worden. Die widerrechtlich besorgten Freikarten soll Rösler an 40 Mitarbeiter zum Dank für deren Arbeit weitergegeben haben. Zudem hätten „Freunde des Hauses“ Tickets aus dem Kaufkarten-Kontingent erwerben dürfen.

Rösler äußerte sich am Mittwoch zunächst nicht zu den Vorwürfen. In dem Prozess müssen sich noch drei weitere Angeklagte verantworten: der damalige stellvertretende Bezirksamtsleiter und zwei Verantwortliche des Konzertveranstalters.

„Es wird nicht zu einer Verurteilung kommen“

Der GmbH droht die Einziehung des sogenannten Tatertrags von 436.000 Euro. Der Prozessbevollmächtigte der Firma wies die Vorwürfe gegen den Konzertveranstalter als haltlos zurück. Es sei sicher, dass sich die beiden Verantwortlichen der Firma nicht der Bestechung schuldig gemacht hätten. „Es wird nicht zu einer Verurteilung kommen“, zeigte sich Anwalt Oliver Pragal überzeugt. Der Veranstalter habe 255.000 Euro für die Stadtpark-Wiese bezahlt, dazu die gesamte Infrastruktur von der Wasserversorgung bis zu den Produktionsbüros auf eigene Kosten errichten müssen. Für die Beseitigung der Schäden an der Grünfläche habe der Veranstalter weitere 330.000 Euro aufwenden müssen. „Es war die teuerste Festwiesennutzung in der Geschichte Hamburgs und die teuerste Konzertfläche in der Geschichte des Unternehmens“, sagte Pragal.

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Das Vertragsverfahren habe die GmbH von einem Gutachter prüfen lassen, es sei als rechtmäßig bewertet worden. In der Branche sei es deutschlandweit üblich, dass Veranstalter sogenannte Venue-Karten an die Genehmigungsbehörden abgeben müssten. Es habe deswegen bislang kein einziges Strafverfahren gegeben. Pragal nannte unter anderem den Olympiapark München, das Olympiastadion Berlin und die Stadthalle Bremerhaven. Auch bei Konzerten in der Hamburger Elbphilharmonie oder der Laeiszhalle müssten „Dienstplätze“ zur Verfügung gestellt werden. Prozentual sei das Kontingent in allen diesen Fällen höher als es beim Rolling-Stones-Konzert im Stadtpark gewesen sei.


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„Repräsentationsveranstaltung mit internationalen Gästen aus Kunst und Kultur“

Pragal erinnerte daran, dass die Hamburger Entscheidungsträger damals „überglücklich“ gewesen seien, dass kurze Zeit nach den Krawallen beim G20-Gipfel Bilder vom Konzert einer Band mit generationenübergreifendem Publikum um die Welt gehen sollten. Der Empfang vor dem Konzert, zu dem Rösler eingeladen war, sei eine Repräsentationsveranstaltung mit internationalen Gästen aus Kunst und Kultur gewesen.

In der Affäre wurden bereits zwei hohe Beamtinnen verurteilt, ohne dass die Urteile bislang rechtskräftig wurden. Das Amtsgericht Hamburg verurteilte am 26. August eine Dezernentin aus dem Bezirksamt Nord wegen Vorteilsannahme und der Verleitung Untergebener zu einer Straftat zu 120 Tagessätzen von je 115 Euro.

Hamburg: Ehemalige Staatsrätin bereits verurteilt

In einem ersten Verfahren wegen der Ticketaffäre war Ende 2019 eine ehemalige Staatsrätin zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen von je 170 Euro verurteilt worden. Rechtskräftig ist dagegen bereits ein Strafbefehl vom März 2020 gegen den früheren Leiter des Rechtsamts und Antikorruptionsbeauftragten im Bezirksamt Nord, wie ein Gerichtssprecher sagte. Er musste 90 Tagesätze zu je 150 Euro zahlen. In dem aktuellen Prozess hat die Strafkammer elf weitere Termine bis Ende Januar angesetzt.

Das Rolling-Stones-Konzert am 9. September 2017 in Hamburg war der Auftakt zur damaligen „No Filter“-Europatournee gewesen. Rund 82.000 Fans waren in den Stadtpark gekommen, um Mick Jagger, Keith Richards, Ron Wood und den im August 2021 gestorbenen Schlagzeuger Charlie Watts zu erleben. Frei verkäufliche Tickets kosteten zwischen 100 und knapp 900 Euro. (dpa)

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