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Der blutige Bentley steht auf der Straße.
  • In der Nacht zum 27. August 2018 wurde ein Mordanschlag auf den Boss der „Hells Angels“ verübt.
  • Foto: Marius Röer

Schüsse auf „Hells Angels“-Boss: Rocker-Freundin soll Gericht angelogen haben

Ab Dienstag muss sich Lisa Melina S. vor dem Hamburger Landgericht verantworten: In einem früheren Prozess soll sie das Gericht angelogen haben, um ihren Liebsten zu entlasten. Es geht um Rache, Rockerbanden – und Auftragsmord. Nun droht der 28-Jährigen eine zusätzliche Verurteilung wegen uneidlicher Falschaussage.  

Die Geschichte hinter dem Prozess, der kommende Woche vor dem Hamburger Landgericht geführt wird, beginnt im Sommer 2016. Lisa Melina S. ist damals 21 Jahre alt, ihr Freund Arasch R. ist vier Jahre älter. Er ist ein mächtiger Mann auf dem Kiez, als Vize-Boss der „Mongols” befindet er sich in einem regelrechten Krieg mit den „Hells Angels“. 

Mitte der 2010er Jahre gibt es zahlreiche blutige Auseinandersetzungen zwischen den Rockerbanden: Schießereien auf offener Straße, Messer-Attacken – und Prügeleien. So soll Arasch R. im Frühjahr 2016 die rechte Hand von „Hells Angels“-Boss Dariusch F. verprügelt haben. Die Rache dafür bekommt auch Lisa Melina S. zu spüren: Am späten Abend des 16. Juni 2016 steht sie in der geöffneten Terrassentür des Wohnhauses von Familie R., als plötzlich ein maskierter Mann auftaucht – und ihr in die Brust schießt. Der Täter dringt in die Wohnung ein, schießt auch auf Arasch R. und ergreift anschließend die Flucht. 20 Streifenwagen fahnden nach dem Täter, doch er wird nie gefasst. Das Paar überlebt knapp. Für beide ist klar: Hinter dem Angriff steckt Dariusch F. Sie schwören Rache. 

Eine Spirale der Rache: Kiez-Krieg zwischen Rockerbanden

Zwei Jahre vergehen, die „Mongols“ verlieren in Hamburg an Bedeutung. Arasch S. sitzt wegen Waffen- und Drogendelikten im Gefängnis, als „Hells Angels“-Anführer Dariusch F. in der Nacht zum 27. August 2018 in seinem weißen Bentley durch Hamburg fährt. An der Kreuzung von Budapester Straße und Millerntorplatz hält der damals 38-Jährige an einer roten Ampel, neben ihm ein Mercedes Benz Coupé. An dessen Steuer: Lisa Milena S., auf dem Beifahrersitz ein bulgarischer Auftragskiller. Dann geht alles ganz schnell: Durch das Autofenster wird fünfmal auf Dariusch F. geschossen, die Kugeln treffen ihn in Brust, Schulter und Kopf. Der Rocker-Boss wird zur Notoperation ins Krankenhaus gebracht, vor seiner Zimmertür richtet die Polizei Wachposten ein. Wieder schwärmen 20 Streifenwagen zur Fahndung aus, wieder bleibt sie erfolglos. Dariusch F. überlebt, bleibt jedoch querschnittsgelähmt. 

Arasch R. wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Seine Freundin soll versucht haben, seine Strafe zu mildern. RUEGA
Arasch R. in einem grauen Sweatshirt, er hat einen dunklen Balknen vor den Augen.
Arasch R. wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Seine Freundin soll versucht haben, seine Strafe zu mildern.

Nach kurzer Zeit werden Lisa Melina S., Arasch R. und dessen Vater Toryali R. als Auftraggeber für den versuchten Mord ermittelt. Der von ihnen angeheuerte Killer legt vor Prozessbeginn ein vollumfängliches Geständnis ab: Das Gangster-Paar habe ihm für den Auftrag 10.000 Euro geboten, das Geld habe er aber nie bekommen. Stattdessen sei es bei Mittelsmännern hängen geblieben.  

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Im Juni 2019 verkündet das Hamburger Landgericht sein erstes Urteil in dem Fall: Lebenslange Haft für Arasch R. wegen Anstiftung zum Mord. Toryali R. wird wegen Beihilfe zu neuneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Der Schütze kommt mit sechseinhalb Jahren davon: Zum einen trug er aktiv zur Aufklärung des Falles bei, zum anderen war er wegen einer Schizophrenie zum Tatzeitpunkt nur vermindert schuldfähig. Seine Strafe sitzt er statt im Gefängnis in einer psychiatrischen Anstalt ab. Und Lisa Melina S.? Sie muss wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer und gefährlicher Körperverletzung für zwölfeinhalb Jahre hinter Gitter. Das Urteil gegen sie ist rechtskräftig. 

Formaler Fehler: BGH hob Urteil zu Auftragsmord auf

Doch die Entscheidung über Schütze, Auftraggeber und Mittäter wird vom Bundesgerichtshof aufgehoben – wegen eines Formfehlers. Das Landgericht überschreitet die Frist für die Zustellung der Urteilsbegründung um einen Tag. Das bedeutet: Der Fall wird erneut verhandelt – und das Blatt wendet sich. Lisa Melina S. widerspricht ihren früheren Aussagen. Plötzlich will sie die Tat alleine geplant und den Auftrag vergeben haben. „Ich kann eigene Sachen entscheiden, ich habe einen eigenen Mund”, wird sie während des erneuten Prozesses gegen ihren Freund von Medien zitiert. Arasch R. soll eigentlich gegen die Tat gewesen sein, ihr jedoch schließlich eine Handynummer gegeben haben, über die der Kontakt zu dem Auftragskiller entstand. 

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Hinter der veränderten Aussage steckt Strategie: Das Urteil gegen Lisa Melina S. aus dem Prozess zum versuchten Auftragsmord kann nachträglich nicht mehr verschärft werden. Ein neues Urteil gegen Arasch R. könnte jedoch deutlich milder ausfallen, wenn seine Freundin ihn entlastet. Doch das Landgericht lässt sich nicht beirren: Chat-Protokolle und von der Polizei abgehörte Gespräche belegen R.s Rolle in dem geplanten Mord. Im April 2020 ergeht deshalb das gleiche Urteil wie schon 2019, diesmal ohne formale Fehler. Außerdem wird Lisa Melina S. wegen falscher uneidlicher Aussage angeklagt – und hat nun eine weitere Verurteilung zu befürchten. Prozessbeginn ist kommenden Dienstag.  

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