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Rassismus: So brutal gingen Zivilfahnder mit diesem Hamburger um

Eimsbüttel –

Der Fall des Pflegers John H. hat Tausende auf Instagram berührt. Er zeigt, dass Rassismus auch heutzutage für viele zum Alltag dazugehört, doch oftmals wird Betroffenen kein Gehör geschenkt. John H. hat sich bereiterklärt, mit der MOPO über seine Erfahrungen zu sprechen – er will andere ermutigen, ihre Erlebnisse zu teilen.

Für John H. war die Begegnung mit drei Zivilpolizisten im April traumatisch. Der junge Mann, der seit 16 Jahren in Deutschland lebt, ist nicht zum ersten Mal mit Rassismus in Berührung gekommen – doch so schlimm wie an jenem Tag sei es noch nie gewesen, sagt er. „Ich denke sehr viel darüber nach – jedes Mal, wenn ich arbeite. Ich merke, dass ich Hilfe brauche“, so der 31-Jährige.

Polizisten rissen John H. ohne Erklärung vom Fahrrad

Er erinnert sich: Die Polizisten hatten ihn ohne Erklärung von seinem Fahrrad gerissen, ihm Handschellen angelegt und in seine Hosentaschen gegriffen. Erst danach klärten sie die Situation auf: Die Beamten hatten einen Hinweis auf einen Drogendealer bekommen und das Verhalten des Pflegers, der gerade auf dem Weg zu einem Patienten war, als auffällig eingestuft.

John H. blieb mit Schürfwunde, Fußschmerzen und kaputtem Handy, kaputter Uhr und kaputtem Fahrrad zurück – und mit einem Trauma, das ihn wohl noch lange begleiten wird. Seine Eltern und seine Schwester sind schockiert, dass so etwas in Deutschland passieren kann, erzählt er.

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Die Polizei gestand sich ihr Fehlverhalten ein und entschuldigte sich im Namen der Einsatzkräfte. „Wir möchten auch öffentlich unser Bedauern über den Vorfall zum Ausdruck bringen. Unsere Kollegen haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, lagen aber falsch. Für diesen Fehler möchten wir um Verzeihung bitten“, heißt es in der Stellungnahme. Die Polizei sicherte außerdem zu, entstandene Sachschäden zu übernehmen.

Hamburger erlebte schon oft Ungleichbehandlung

Der gebürtige Ghanaer, der im Alter von 15 Jahren mit seiner Familie nach Deutschland kam, erlebte schon oft Ungleichbehandlung. „Wenn ich aus dem Urlaub zurückkam, wurde ich beispielsweise am Flughafen rausgepickt und nach dem Ausweis gefragt. Das fand ich schon ein bisschen krass: Alle können einfach weitergehen, nur ich nicht.“ Ein Einzelfall sei er nicht – auch seiner Familie und seinen Kollegen erginge es ähnlich, sagt er.

Im Alltag sei er immer wieder den misstrauischen Blicken anderer Menschen ausgesetzt – aufgrund seiner Hautfarbe. Zum Beispiel bei der Arbeit, wenn er als ambulanter Pfleger mit seinem E-Rad unterwegs ist: „Wenn ich bei einem Patienten bin und mein Fahrrad auf- oder zuschließe, merke ich die Blicke der anderen. Sie sehen mich an, als würde ich das Fahrrad klauen“, sagt John H., der seit 2017 bei dem Pflegedienst in Eimsbüttel arbeitet.

Gerade erfahren Menschen in Pflegeberufen besonders viel Anerkennung und Respekt. „In Zeiten der Corona-Pandemie wird gesagt, Pfleger sind Helden. Ich versuche, ein Held zu sein – und werde dann trotzdem so behandelt.“

Sobald John H. seinen Ausweis zeigt, wird so getan, als sei nichts gewesen, sagt er. So war es auch an jenem Tag, als ihn die drei Zivilpolizisten „gewaltvoll“ stoppten. Sie entschuldigten sich – für sie war die Sache damit abgeschlossen. Doch das reicht dem 31-Jährigen nicht. Dass die Polizei für die verursachten Sachschäden aufkommt, ist ihm egal. „Mir geht es nicht um das Geld, es geht um mich und um andere. Ich will, dass alle gleich behandelt werden.“

Rassismus in Hamburg: John H. will Aufmerksamkeit schaffen

Bis dahin wird es noch ein weiter Weg sein – auch in Hamburg, wo es immer noch viel Rassismus gibt, wie John H. findet. Doch es sei ein Anfang, sich Gehör zu verschaffen. „Mir fiel es sehr schwer darüber zu reden, aber es ist wichtig, dass wir den Mut dazu haben, weil es sonst immer so weitergeht und die nächsten Generationen genauso darunter leiden werden.“

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Mut gemacht hätten ihm auch die positiven Reaktionen auf den Vorfall im Internet, erklärt er. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich auf Instagram so viel Resonanz bekommen würde. Vorher hatte ich Angst, dass es nicht so gut ankommen würde, aber es ist ja das Gegenteil der Fall. Das hat mich schon sehr gefreut.“

Bevor er gezielt einen Trauma-Therapeuten aufsuchen möchte, hat John H. sich an das Projekt „Empower“ in St. Georg gewandt, um sich dort beraten zu lassen. Die Beratungsstelle richtet sich an Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und begleitet sie auf ihrem Weg zurück in die Normalität: Dazu gehören beispielsweise die Vermittlung von therapeutischen und ärztlichen Angeboten und die Aufklärung über juristische Möglichkeiten und finanzielle Unterstützung.

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