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Blick auf das Gebäude der Zeugen Jehovas in Alsterdorf, eingefügt das Foto von Philipp F.
  • Philipp F. (35) tötete sieben Menschen und sich selbst.
  • Foto: dpa/MOPO-Collage

Berater, Sportschütze, Ex-Zeuge Jehovas: Das ist über Amokläufer Philipp F. bekannt

Vier Schachteln mit je 200 Patronen und 15 volle Magazine – das fanden Ermittler in der Wohnung von Philipp F. (35), der am Donnerstagabend sieben Menschen im Gemeindehaus der Zeugen Jehovas in Alsterdorf tötete. Dass er der Amokschütze ist, davon ist der Staatsschutz überzeugt. Neue Details, die am Freitag in einer Pressekonferenz offengelegt wurden, belegen eine noch viel größere Brutalität als angenommen. Demnach soll F. während der Tat insgesamt neun Magazine à 15 Schuss abgegeben haben – also mehr als 100 Projektile, abgefeuert auf anwesende Gäste eines dort gerade stattfindenden Gottesdienstes.

In seinem Rucksack fanden die Beamten weitere 20 Magazine, zwei trug er unmittelbar am Mann. Nur durch das schnelle Eingreifen der Polizei sei wohl Schlimmeres verhindert worden, so Matthias Tresp, Leiter der Schutzpolizei, der den Einsatz am Donnerstagabend leitete. Nur vier Minuten nach dem Notruf trafen die ersten Kräfte ein. Auch die Spezialeinheit USE sei zufällig noch in der Nähe gewesen und habe die Situation sofort erkannt und gehandelt: Sie schossen auf die verriegelte Tür, verschafften sich Zugang. Im Inneren hätten sie „permanenten Schusswaffengebrauch“ wahrgenommen, drinnen einen Mann ins erste Stockwerk flüchten sehen. Oben soll sich dieser dann selbst gerichtet haben.

Innensenator Andy Grote (SPD), der sichtlich mitgenommen über die Geschehnisse berichtete, sagte, dass die „sehr schnell handelnden“ Polizisten mit großer Wahrscheinlichkeit das Tatgeschehen unterbrochen haben. „Sie haben so Täter von Opfer getrennt“, sagt er. „Wir können davon ausgehen, dass sie damit vielen Menschen das Leben gerettet haben.“

Er verspüre tiefes Mitgefühl für alle Opfer, Angehörigen und Einsatzkräfte, die Zeugen der Tat geworden sind. Man habe in Hamburg einiges erlebt, aber eine Amoktat in solcher Dimension, „das kannten wir bisher nicht“, so Grote. Sowas habe man vorher nur im Fernsehen gesehen, sowas sei immer anderswo passiert. „Man mochte es sich nicht vorstellen, dass es hier passiert. Aber nun ist es hier passiert.“ Er spricht vom schlimmsten Verbrechen der jüngeren Geschichte der Stadt.

Amokläufer beantragte 2022 Waffenschein – anonymer Hinweis auf Gefährdung

Philipp F., der seit 2014 in Hamburg wohnte, soll die Tatwaffe, eine Pistole der Marke Heckler und Koch, samt Munition, legal besessen haben. Dafür hatte er am 6. Dezember 2022 eine Waffenbesitzkarte beantragt, die am 12. Dezember desselben Jahres zugestellt worden war. Er gab sich als Sportschütze aus. Im Januar 2023 ist bei der Waffenbehörde ein anonymer Hinweis eingegangen, in dem davon geschrieben wird, dass die Polizei doch das Verhalten von Philipp F. überprüfen solle, er mache den Eindruck, an einer psychischen Erkrankung zu leiden. Er hege eine generelle Wut gegenüber religiösen Anhängern, besonders gegenüber den Zeugen Jehovas.

Eine Überprüfung des Mannes fand am 7. Februar statt, Beamte trafen F. in dessen Altonaer Wohnung an. Laut Polizeipräsident Ralf Martin Meyer zeigte sich F. dabei kooperativ; es habe zudem keine Hinweise auf eine mögliche psychische Erkrankung gegeben. F. habe Auskunft auf Fragen erteilt, die Waffe und die Munition seien fachgerecht im Tresor verschlossen gewesen. „Nur ein Projektil lag oberhalb des Tresors. Er hat sich dafür entschuldigt und dieses Projektil umgehend verschlossen.“ Damit hätten keine weiteren rechtlichen Möglichkeiten vorgelegen. Meyer: „Die rechtlichen Möglichkeiten waren ausgeschöpft.“

Philipp F. lebte bisher unauffällig

Philipp F. war vor der Tat nie als Beschuldigter aufgefallen, weder bei der Polizei noch der Staatsanwaltschaft. Nur als Anzeigenerstatter kannte man ihn dort. F. wurde in Memmingen geboren und wuchs im Allgäu auf, in einem „streng evangelischen Haushalt“, wie er selbst auf seiner Website schrieb. Der gelernte Bankkaufmann arbeitete als Berater und hatte offenbar ein Büro am Ballindamm. Er gab sich auf seiner Internetseite als international agierender Geschäftsmann aus, der für seine Dienste die völlig unrealistische Summe von 250.000 Euro Tagessatz angegeben hat.

Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass der Mann alleine handelte und die Tat plante. Er habe die Gemeinde im Groll verlassen, das konkrete Motiv wird weiter ermittelt. Ein politischer Hintergrund wird bisher allerdings ausgeschlossen.

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Sieben Menschen wurden bei der Amoktat getötet, darunter vier Männer und zwei Frauen im Alter zwischen 33 und 60 Jahren, sowie ein ungeborenes, weibliches Kind. Acht weitere Menschen wurden verletzt, vier lebensgefährlich. F. war mit keinem der Opfer verwandt. Grote: „Wir hoffen, dass alle überleben. Unsere Gedanken sind bei ihnen.“

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