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Die Anhänger der linken Szene zogen von der Roten Flora aus durch das Schanzenviertel.
  • Die Anhänger der linken Szene zogen von der Roten Flora aus durch das Schanzenviertel.
  • Foto: Marius Röer

Fünf Festnahmen bei Demo nach Urteil gegen Linksextremistin Lina E.

Linksextremistin Lina E. und drei ihrer Komplizen sind am Mittwoch zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Die bereits im Voraus angekündigten Proteste gegen das Urteil führen in Hamburg unter anderem zu mehreren Festnahmen. Auch seien Polizisten verletzt worden.

Nach Polizei-Angaben waren zu Demo-Beginn um 20.20 Uhr etwa 500 Menschen vor Ort, darunter auch mehrere Vermummte. Im weiteren Verlauf wurde die Teilnehmerzahl auf etwa 1200 geschätzt, wie ein Sprecher des Lagedienstes der MOPO am Donnerstagmorgen sagte. Auf Transparenten forderten die Demonstranten unter anderem „Free Lina“ oder „Kampf ihrer Klassenjustiz – Getroffen hat es einzelne, gemeint sind wir alle“.

Anschließend zogen sie durch das Schanzenviertel, einige Aktivisten zündeten Bengalo-Feuer auf dem Dach der Roten Flora. Auch während des Zuges wurde immer wieder Pyrotechnik eingesetzt. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort – inklusive Wasserwerfer.

Pyrotechnik, Flaschenwürfe auf Polizisten und Festnahmen

Um 21.16 Uhr erreichte der Protestzug den Karolinenplatz, hier löste der Versammlungsleiter die Demo schließlich auf. Die Teilnehmer durften sich ab dann in Kleingruppen entfernen. Dabei wurden weiter Rauchbomben gezündet und Mülleimer in Brand gesetzt. Nach Polizeiangaben sei der Einsatz gegen 23 Uhr beendet worden.

Wie ein Polizeisprecher der MOPO sagte, gab es fünf Festnahmen, unter anderem wegen eines mutmaßlichen Angriffs auf Polizeibeamte. Nach Angaben eines Reporters vor Ort sollen an der Ecke Glashüttenstraße/Marktstraße Böller und Flaschen auf Polizisten geworfen worden sein. Unter anderem hatte ein Mann versucht, einen Kameramann zu treten.

Polizei: Drei Beamte bei Demo verletzt

Drei Beamte wurden bei dem Einsatz verletzt, unter anderem bei einer Festnahme, so der Sprecher weiter. Ein Beamter wurde im Krankenhaus stationär aufgenommen.

Viele Menschen trafen sich um 20 Uhr vor der Roten Flora, um gegen das Urteil gegen Lina E. zu demonstrieren. Marius Röer
Hunderte Menschen trafen sich vor der Roten Flora, um gegen das Urteil gegen Lina E. zu demonstrieren.
Viele Menschen trafen sich um 20 Uhr vor der Roten Flora, um gegen das Urteil gegen Lina E. zu demonstrieren.

Zu ähnlichen Demos war neben Dresden und Hamburg auch in zahlreichen deutschen Städten aufgerufen worden, darunter Berlin und am späteren Abend in Leipzig.

Überraschung nach Urteilsbegründung: Lina E. kommt vorerst frei

Das Oberlandesgericht hatte die 28-jährige Lina E. am Mittwochvormittag unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Die mitangeklagten Männer erhielten Haftstrafen zwischen zwei Jahren und fünf Monaten sowie drei Jahren und drei Monaten wegen Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.

Am Mittwochabend, kurz nach Demo-Beginn, wurde dann überraschend bekannt, dass Lina E. nach zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft vorerst frei kommt. Der Haftbefehl gegen sie werde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt, sagte Hans Schlüter-Staats, Vorsitzender Richter der Staatsschutzkammer am Oberlandesgericht Dresden, zum Abschluss der Urteilsbegründung. Die Reststrafe muss sie erst verbüßen, falls das Urteil rechtskräftig wird – das Gericht ließ Revision zu.

Sie muss sich nun zweimal wöchentlich bei der Polizei melden, darf den in der Akte vermerkten Wohnsitz nur mit Zustimmung des Gerichts wechseln und muss nach ihrem Reisepass auch den Personalausweis abgeben.

Strafmildernd wirkte bei Lina E. nicht nur der Umstand, dass sie nicht vorbestraft ist und schon seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzt. Schlüter-Staats sieht bei ihr auch die Persönlichkeitsrechte durch die mediale Berichterstattung verletzt und sprach von einer Vorverurteilung. Allerdings räumte das Gericht der 28-Jährigen eine hervorgehobene Bedeutung in der Gruppierung ein, jedoch „keine prägende im Sinne einer Rädelsführerschaft“.

Die „größte Hypothek des Verfahrens ist der Status, den Sie hier erlangt haben“

„Fünf Jahre drei Monate ist für jemanden in Ihrem Alter und auch sonst heftig und gravierend“, hatte Schlüter-Staats einleitend zu der aus Kassel (Hessen) stammenden Studentin gesagt. Die „größte Hypothek des Verfahrens ist der Status, den Sie hier erlangt haben“, bemerkte er noch persönlich.

Die Entscheidung löste bei den Demonstranten, aber vor allem bei der Mutter der 28-Jährigen freudige Überraschung aus, die in frenetischem Beifall und Gejohle der Unterstützer um sie herum gipfelte. Nach dem Urteil waren zunächst Ausschreitungen befürchtet worden. Unklar war am Abend, ob die Aufhebung des Haftbefehls zu einer Entspannung der Lage beiträgt. 

„TagX“: Linke Szene ruft zu Großdemos auf

Die Bundesanwaltschaft hatte den Angeklagten vorgeworfen, zwischen 2018 und 2020 Leute aus der rechten Szene in Leipzig, Wurzen und Eisenach brutal zusammengeschlagen zu haben. E. saß seit November 2020 in Untersuchungshaft – und galt als Kopf der Gruppe.

Das linke Bündnis Antifa betitelt den kommenden Samstag als „TagX“: Bundesweit war zu Demos aufgerufen worden. Im Internet tauchten Drohungen auf, wonach für jedes Jahr Haft in Leipzig ein Sachschaden von einer Million Euro angerichtet werden soll. (roeer/idv/dpa)

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