Ties Rabe Schulbehörde Schulstudie Corona
  • Schulsenator Ties Rabe (SPD)
  • Foto: imago/Chris Emil Janßen

Wie sicher sind Hamburgs Schulen? Streit um Corona-Studie geht weiter

Erneute Schulschließungen will Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) unbedingt verhindern. Doch wie sicher sind die Schulen für die Kinder, Jugendlichen und die Lehrkräfte? Eine Studie der Kultusministerkonferenz (KMK) untersucht das auch auf Hamburger Anregung. Nur veröffentlichen will die KMK die Studie nicht. Und auch der Senat ziert sich, vorab Ergebnisse preiszugeben.

Schon im Dezember 2020 hatte die Kultusministerkonferenz die Studie zu den Corona-Auswirkungen in Schulen angekündigt. Die Uniklinik Köln und das Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen gemeinsam unter anderem, ab wann welche Maßnahmen für das Schulmanagement bei Ausbrüchen notwendig sind, um das Infektionsrisiko möglichst gering zu halten.

Corona in Schulen: Hamburg hält Studie zurück

Ein Dreivierteljahr später gibt es noch immer keine Ergebnisse der Studie. Die KMK und auch die Hamburger Schulbehörde halten die Daten bis dato unter Verschluss. Das sorgt für Ärger im Parlament: „Der Senat muss hier dringend Klarheit schaffen und Fakten liefern“, wendet sich Sabine Boeddinghaus in einer schriftlichen Kleinen Anfrage, die der MOPO exklusiv vorab vorliegt, an Rot-Grün. Die bildungspolitische Sprecherin der Linken kritisiert, dass auch Anfragen nach dem Transparenzgesetz „mit dünnen Argumenten“ abgeblockt würden. Obwohl Schulsenator Ties Rabe selbst einen Zwischenbericht für den Sommer ankündigte.

In der Antwort des Senats heißt es dagegen, dass Vorab-Ergebnisse gar nicht vorgesehen seien. Frühestens im September würden die Ergebnisse in einer Fachzeitschrift veröffentlicht, „wie im Wissenschaftsbetrieb üblich“ – und erst nach einem Peer-Review-Verfahren zur qualitativen Absicherung der Studie. Zudem dürfe die Schulbehörde die Ergebnisse gar nicht veröffentlichen, selbst wenn es Vorab-Berichte gäbe. Dafür sei allein die KMK zuständig. Und die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mit diesem Gremium wolle Hamburg nicht riskieren.

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Zu möglichen Erkenntnissen über die Inzidenz unter den Schüler:innen und dem Schulpersonal in Hamburg und einen Vergleich der Quarantänezahlen unter den Bundesländern formuliert der Senat knapp: „Die Ergebnisse für Hamburg sind unauffällig und fallen ähnlich wie in den anderen Ländern aus.“

Auch die KMK verweist grundsätzlich auf eine Veröffentlichung der Studie in einer Fachzeitschrift. Allerdings: Anfang August veröffentlichte das Gremium zwei Zwischenberichte mit Stand Januar und März 2021. Die gingen nach Aussage des Senats zwar nicht durch eine Peer-Review, aber zumindest durch eine systematische Überprüfung. „Diese Argumentation ist alles andere als schlüssig und überzeugend“, sagt Sabine Boeddinghaus und vermutet wachsenden öffentlichen Druck hinter der Veröffentlichung.

KMK veröffentlicht Zwischenberichte – Monate später

Diese aber sei viel zu spät erfolgt – in einer sich so schnell verändernden Lage wie der aktuellen Pandemie seien verlässliche, belastbare Informationen sowohl für die Politik als auch die Öffentlichkeit wichtig. Inwieweit das auf Zwischenergebnisse zutrifft, die zu ihrer Veröffentlichung schon fünf Monate alt sind? Mindestens fraglich.

Linken-Politikerin Sabine Boeddinghaus kritisiert den Umgang des Senats mit einer Corona-Schulstudie der Kultusministerkonferenz, IMAGO / Andre Lenthe
Sabine Boeddinghaus Schulstudie Corona
Linken-Politikerin Sabine Boeddinghaus kritisiert den Umgang des Senats mit einer Corona-Schulstudie der Kultusministerkonferenz.

Dazu kommt: Die Studie, die Ties Rabe selbst angeregt hatte, sollte beweisen, dass „Schulen vergleichsweise sicher und eben keine Treiber der Pandemie sind und daher auch weiterhin am Präsenzunterricht festgehalten werden soll“. Allerdings zeigt der zweite Zwischenbericht aus dem März 2021, dass Schüler:innen doch belastbar zum Infektionsgeschehen beitragen. Gezielte Schulschließungen können demnach ein wirksames Mittel sein, um eine negative Corona-Entwicklung zu stoppen.

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„Aber wir sollten dieses Mal die Schulen wirklich als allerletztes schließen“, hatte der SPD-Politiker Ende Juli gegenüber der MOPO gesagt. In der Senatsantwort auf die Kleine Anfrage werden Schulschließungen nicht einmal erwähnt. Der Präsenzunterricht stelle „kein höheres Infektionsrisiko“ dar und auch die „ergriffenen Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen [leisten] einen wertvollen Beitrag zur Senkung des Infektionsrisikos insgesamt“.

Schüler:innen hätten „in der Regel einen milden Krankheitsverlauf“, das Infektionsrisiko in Schulen sei „vom Infektionsgeschehen außerhalb der Schule abhängig“. Und so setzt Hamburg weiterhin auf schon bekannte Regeln. Umfassende Impfangebote für Schulpersonal, zweimal wöchentlich kostenlose Tests für Schüler:innen, Maskenpflicht in Schulgebäuden, alle 20 Minuten die Klassenzimmer für fünf Minuten lüften und mobile Lüftungsgeräte für alle Klassenräume in Hamburg sollen die Schulen möglichst Corona-sicher machen.

Senat hielt schon einmal Corona-Studie zurück

Schon einmal fiel der Senat mit ausweichendem Verhalten bei einer Studie auf, die den Präsenzunterricht zumindest in Frage stellt. Im September 2020 hatte es an der Heinrich-Hertz-Schule in Winterhunde einen Corona-Ausbruch mit 39 Infizierten gegeben. Eine Untersuchung des Heinrich-Pette-Instituts und des UKE zeigte, dass die Fälle auf Übertragungen in der Schule zurückgeführt werden konnten.

Auch diese Studie hatte die Schulbehörde zunächst unter Verschluss halten wollen. Erst nach einer Anfrage mit Verweis auf das Transparenzgesetz rückte die Behörde die Ergebnisse doch noch heraus. Künftig müsse Rot-Grün „viel mehr und entschiedener handeln“, sagte Sabine Boeddinghaus.

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Sie stimme Ties Rabe zu, dass alles dafür getan werden müsse, um Schulschließungen zu verhindern. Es sei wichtig, den Unterricht „so zu organisieren, dass man alle erreicht – aber nicht zwingend in Präsenz“, sagte die Bürgerschaftsabgeordnete weiter. Mehr außerschulische Lernorte seien dazu wichtig. Noch etwas wünscht sich Sabine Boeddinghaus vom Senat: „Man muss zugestehen, dass Schule in einer Pandemie nicht so läuft, wie gewohnt.“

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