• Foto: dpa

Plastik-Wahnsinn: Öl-Multis produzieren immer mehr Kunststoff statt Benzin

Weniger Flugzeuge, Lkw und Kreuzfahrtschiffe während der Corona-Zeit. Das hat dem Klima gutgetan. Doch der Stillstand hat gleichzeitig eine negative Entwicklung befördert: Der Ölpreis rauschte weltweit in den Keller. Mit der Folge, dass neue Kunststoffe auf Ölbasis noch billiger wurden und recyceltes Material umso unattraktiver. Die ersten Hersteller von Shampoo und Reinigungsmitteln schwenken für Packungen wieder auf Neuware um. 

Vor allem während der Corona-Monate März bis Mai haben alle Menschen mehr Zeit zu Hause verbracht. Und laut „Grünem Punkt“ mittlerweile im Schnitt zehn Prozent mehr Verpackungsmüll produziert. Gleichzeitig waren zwar Kantinen und Restaurants geschlossen und Firmen in Kurzarbeit, laut dem Unternehmen wirkte sich das aber weit weniger aus.

Plastikmüll: Hamburger verbrauchen immer mehr

Unterm Strich steige die Menge des Verpackungsmülls. „Es wird auch aus hygienischen Gründen mehr verpackt und Restaurants konnten zeitweise Speisen nur noch zur Abholung anbieten – natürlich in Plastik verpackt“, erklärt Michael Wiener, CEO beim „Grünen Punkt“, die Entwicklung.

Moderne_Sortieranlagen

Plastik wird in einer modernen Sortieranlage getrennt.

Foto:

Grüner Punkt

Doch es kommt noch dicker. Das Plastik aus dem gelben Sack, das recycelt wird, findet immer weniger Abnehmer. Denn es kann preislich nicht mehr mit neu hergestellten Kunststoffen konkurrieren. Wiener malt ein Schreckens-Szenario an die Wand: „Der Markt mit recyceltem Plastik kollabiert.“

Abholung von Gelben Säcken

Gelbe Säcke werden vor einem Haus abgeholt. Die Deutschen produzieren 38 Kilo Plastikmüll pro Kopf im Jahr. Nur ein Teil davon landet im Gelben Sack.

Foto:

Grüner Punkt

Der Grund ist denkbar simpel: Weil während der Krise deutlich weniger Erdöl nachgefragt wurde, verfiel der Preis massiv. Damit wurde Neu-Plastik, das aus Rohöl hergestellt wird, immer billiger. Recycling ist so immer weniger konkurrenzfähig. Die Folge: Die Nachfrage nach dem sogenannten Recyclat sank dramatisch.

Grüner Punkt: Neu-Plastik billiger als Recycling

Laut „Grünem“ Punkt schwenken viele Hersteller, die bislang Recyclat für Produkte und Verpackungen verwendet haben, jetzt sogar wieder auf Neuware um. Dann ist die Shampoo-Flasche plötzlich nicht mehr aus alten Pet-Flaschen recycelt, sondern mit frisch gefördertem Rohöl.

Regranulat

Granulat aus recyceltem Plastik in verschiedenen Farben.

Foto:

Der Grüne Punkt

Denn die Qualität von neuem Plastik ist zudem auch höher als die von recyceltem. Aber: „Recyclingkunststoff spart bis zu 50 Prozent der Treibhausgas-Emissionen, die durch neuen Kunststoff erzeugt werden“, so Wiener.

Umweltbundesamt: 12 Millionen Tonnen Kunststoff

Laut Umweltbundesamt liegt der gesamte Kunststoffverbrauch in Deutschland jährlich bei knapp 12 Millionen Tonnen. Tendenz immer noch steigend. Davon sind nur etwa zehn Prozent (1,8 Mio. Tonnen) Recyclate, alles andere ist Neu-Plastik.

Das könnte Sie auch interessieren: Soviel Essen landet in Hamburg im Müll

Von den Plastikmüll-Mengen, die wir in den gelben Tonnen sammeln, wird laut Umweltbundesamt etwa die Hälfte recycelt. Die andere Hälfte wird „thermisch verwertet“, also verbrannt, um – etwa in Zementwerken – Wärme zu erzeugen.

Grüne: Müll-Exporte werden nicht kontrolliert

Die Grünen zweifeln diese Rechnung als geschönt an: Müllexporte nach dem Sortieren und weitere Verluste beim Recyclingprozess würden bei der offiziellen Quote nicht rausgerechnet. Bereinigt betrage die gesicherte Recyclingquote von Kunststoffen in Deutschland daher lediglich 17,3 Prozent. Die Grünen fordern daher ein Gesetz, das dafür sorgt, dass bis 2030 neue Kunststoffprodukte zu mindestens 50 Prozent aus recycelten Kunststoffen bestehen müssen.

Kunststoffrecycling: Blumenkübel und Eimer.

Aus recyceltem Plastikmüll werden Blumenkübel und Eimer hergestellt.

Foto:

Grüner Punkt

Dazu passt die gerade von der EU verabschiedete Einführung einer Plastiksteuer. Die Länder müssen ab 2021 für jedes Kilo Plastik, das nicht recycelt wurde, Geld an Brüssel abführen. In Deutschland, so schätzt der BUND, könnte sich die neue Plastik-Abgabe auf jährlich zwischen 1,4 und zwei Milliarden Euro summieren. Die Länder werden diese Abgabe von den Unternehmen holen und die vermutlich vom Verbraucher. So werden Verpackungen wohl in Zukunft einige Cent teurer.

Eine problematische Entwicklung: Noch erwirtschaften BP, Shell und Exxon ihr Geld mit Kraftstoffen. Der Boom der erneuerbaren Energien, sparsamere Verbrauche und Elektroautos, zudem weniger Verkehr – darauf stellen sich die Ölkonzerne bereits ein, und zwar indem sie auf die Produktion von Kunststoff setzen.

Das könnte Sie auch interessieren:  Hamburg hat kein Bock auf Biomüll

Die Petro-Chemie boomt, überall auf der Welt (China, Indien, Saudi-Arabien) werden von Öl-Multis neue Werke für die Herstellung von Ausgangsstoffen für die Kunststoff-Industrie eröffnet. So wird die Menge an hergestelltem Plastik in Zukunft nicht ab – sondern leider weiter stark zunehmen.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp