• Hilke und Thomas Zedler in ihrem Coworking-Space.
  • Foto: Florian Quandt

Nie wieder Pendeln!: Jetzt erobern die Coworking-Büros den Hamburger Stadtrand

Nie wieder Pendeln: Das ist der Traum vieler Stadtrand- und Umland-Bewohner, die alljährlich Tausende Kilometer mit HVV oder Auto zurücklegen. Mit dem Fahrrad oder sogar zu Fuß zur Arbeit? Bislang für viele undenkbar. Doch das könnte sich ändern: Die Organisation „Coworkland“ hat sich ein System von Coworking-Spaces im Speckgürtel der Stadt ausgedacht. Wie Satelliten sollen sie Hamburg umringen.

Die Corona-Pandemie hat für einen deutlichen Umbruch gesorgt: feste Büro-Plätze gehören der Vergangenheit an. Jedoch ist Homeoffice nicht für alle geeignet. Zwischen diesen unterschiedlichen Arbeitsweisen gibt es die dritte Möglichkeit: Coworking-Spaces („Zusammenarbeit-Räume“) etablieren sich seit einiger Zeit in großen Städten. In Hamburg gibt es etwa 30 davon – vor allem in der HafenCity, in Ottensen und in der Schanze.

Für die rund 360.000 Einpendler, die laut „Agentur für Arbeit“ vor Beginn der Pandemie täglich in die Hansestadt fuhren, bringt das wenig. Und genau da setzt „Coworkland“ an.

Coworking gibt es jetzt auch im Hamburger Umland

Jacobi von Coworkland

Jean Pierre Jacobi ist Mitbegründer von „Coworkland“

Foto:

Coworkland eG

Das stressige Pendler-Leben kennt Jean Pierre Jacobi gut: „Ich bin vier Jahre lang von Hamburg nach Kiel gependelt und habe täglich zwei bis drei Stunden auf der Autobahn verbracht“. Der Co-Vorstand von „Coworkland“ organisierte damals als Selbständiger Büro-Umzüge für große Unternehmen. Heute arbeitet er dafür, dass keiner mehr zum Arbeiten umziehen muss – weder die Angestellten noch die Firmen.

„Unser Ziel ist, es den Unternehmern möglichst einfach zu machen, ihre Mitarbeiter mobil arbeiten zu lassen. Und die Pendler darauf aufmerksam zu machen, dass sie auch in einem Coworking-Space in der Nähe von zu Hause eine Infrastruktur zum Arbeiten haben können“, so Jacobi.

Zusammen mit seinem Ulrich Bär hat Jacobi 2018 angefangen, kleine mobile Coworking-Räume an den Stadtrand von Kiel zu stellen. Durch solche sogenannte „Pop-up-Container“ machen die zwei Unternehmer ihr System den Leuten bekannt und erforschen, ob überhaupt eine Nachfrage für ein Coworking-Space besteht. Das Konzept geht auf: Mittlerweile wurden sechs Coworking-Spaces im Kieler Speckgürtel eröffnet.

„Warum gibt es sowas hier nicht?“, fragten sich Thomas und Hilke Zedler, als sie im ersten Lockdown plötzlich zu Hause saßen, beide im Homeoffice mit zwei Kindern. Das Ehepaar wohnt in Holm (Kreis Pinneberg). Das nächste Coworking-Büro war eine lange Autofahrt entfernt.

Coworking-Space „Elbvororte“ in Wedel

Das Coworking-Space „Elbvororte“ in Wedel.

Foto:

Florian Quandt

Was es nicht gibt, muss man eben selber machen, dachte sich das Paar. „Wir wollten einen Platz schaffen, wo die Zeit vor und nach der Arbeit Freizeit ist und nicht Pendel-Zeit“, erzählt Hilke Zedler. Im Februar eröffneten sie mit Hilfe von „Coworkland“ das „Elbvororte“-Büro in Wedel (Kreis Pinneberg).

Coworking-Räume gibt es jetzt auch im Kreis Pinneberg

Und sie sind nicht die einzigen: In Barsbüttel (Kreis Stormarn) gibt es die „Rhabarberkate“, in Langenhorn das „Kiez-Büro“. Weitere sind in Planung, um den Satelliten-Ring zu schließen, z.B. in Buxtehude. Jacobi und Bähr unterstützen die Gründer dabei mit fachlichem Knowhow, Vernetzen sie und kümmern sich um die Vermarktung.

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Hilke und Thomas Zedler können jetzt gemütlich in einem großen hellen Raum mit Elbblick arbeiten – einen 15-minütigen Spaziergang von der S-Bahn-Haltestelle Wedel entfernt. Sie ist in der Marketingbranche tätig, er in der Digitalisierung: Für beide ist das Projekt mit der „Coworkland“-Gesellschaft auch eine Entwicklungschance in ihrem Berufsleben. Davon soll aber ebenso die Stadt Wedel profitieren: „Wir wollen hier Technologie und Innovation reinbringen. Dafür sind wir auch im Gespräch mit der Fachhochschule Wedel“, sagt Thomas Zedler über eine mögliche Zusammenarbeit in der Zukunft.

Coworkingspace

So wird im Gruppenraum des Coworking-Space „Elbvororte“ gearbeitet.

Foto:

Anna Dotti

Firmen sparen Geld, Angestellte Zeit

Aber auch die Firmen profitieren: Erstens sparen sie teure Bürofläche in der Innenstadt. Zweitens sind ihre Mitarbeiter zufriedener, weil diese lange Pendlerwege sparen. Bislang werden die Büroräume in und um Hamburg zwar eher von Selbstständigen oder einzelnen Angestellten genutzt, in Kiel hat aber z.B. das Land Schleswig-Holstein bereits Arbeitsplätze für IT-Mitarbeiter gebucht.

Dank eines flexiblen Tickets entscheiden viele Kunden spontan, welche Arbeitstage sie in den „Elbvororten“ verbringen. Es gibt Einzel- und Gruppenbüros, Besprechungs- und Präsentationsräume, ein Atelier und sogar Spielzeug, falls die Kita mal wieder dicht ist. Ein Einzelbüro kostet 650 Euro im Monat, ein Schreibtisch im Gruppenraum für den ganzen Monat 160 Euro.

Ungefähr eine Handvoll Berufstätiger kommt jeden Tag in die Räume: Vom psychologischen Coaching bis zur kreativen Arbeit, von der Architektur bis zum IT-Bereich sind sie in ganz unterschiedlichen Branchen tätig. Jedoch wohnen sie alle westlich von Hamburg und viele sind davor in die Stadt gependelt.

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Die familiäre Atmosphäre ist für die meisten ein wichtiger Pluspunkt. Aber nicht für alle: „Ich brauche ein professionelles Umfeld mit Menschen mit gleichen Bedürfnissen wie meinen und wünsche mir, dass mehr Leute dazu kommen. Jetzt ist es natürlich schwierig wegen der Pandemie“, sagt Emma S.

Die Innovationsberaterin wohnt in Blankenese und ist seit dem ersten Tag Mitglied der Coworking-Gemeinschaft. Von ihrer Entscheidung ist sie immer noch stark überzeugt: „Ich hatte auch andere ähnliche Angebote gehabt. Aber ich kann jetzt mit dem Fahrrad an der Elbe entlang zu meinem Arbeitsplatz fahren und in der Mittagspause am Strand spazieren. Das ist für mich ein riesiges Geschenk, arbeiten zu können, wo andere Urlaub machen wollen.“ 

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