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Carolin Stüdemann
  • Cordelia Röders-Arnold (l.) mit Carolin Stüdemann und den Menstruationstassen von „einhorn“.
  • Foto: Jan-David Korporal

Nachhaltige Menstruationsprodukte: „Die Periode soll Spaß machen“

Die MOPO stellt gemeinsam mit „Viva con Agua“-Geschäftsführerin Carolin Stüdemann in der Serie „Auf ein Wasser mit …“ Unternehmer:innen und Vordenker:innen vor, die eine bessere Welt schaffen. Heute spricht Carolin mit Cordelia Röders-Arnold, Head of Menstruation beim Berliner Unternehmen einhorn. Diese bieten vegane Kondome, fair produzierte Periodenprodukte sowie nachhaltige Menstruationstassen an und setzen sich dabei für die Enttabuisierung der Menstruation ein.

Moin Cordelia, wie schön, dass du hierfür Zeit gefunden hast. einhorn gilt als eines der fortschrittlichsten „New Work“-Unternehmen. Was bedeutet New Work konkret bei euch?

Cordelia Röders-Arnold: Unser Ansatz ist, dass sich Arbeit an den Bedürfnissen der Menschen orientiert. In diesem Kontext bedeutet New Work für uns, dass alle einhörner selbstbestimmt und -organisiert arbeiten. Wir suchen uns unsere Aufgabengebiete und Rollen selbst aus und legen unsere eigenen Prioritäten. Es gibt keine Chef:innen bei uns und jede/r übernimmt maximale Verantwortung für den eigenen Bereich. Es gibt keine Urlaubsbegrenzung und wir haben ein transparentes Gehaltssystem. Wir arbeiten je nach Präferenz von zuhause oder im Büro. Seit 2020 gehört einhorn sich selbst, die Gründer haben sich selbst die Möglichkeit genommen, es zu verkaufen und können keine Gewinne mehr aus der Firma ziehen.

Wie klappt bei euch diese Balance zwischen Hierarchielosigkeit und wirtschaftlichem Fortschritt?

Entscheidungen können natürlich mal länger dauern. Wenn wir zum Beispiel eine neue Verpackung gestalten, wünscht sich das Design eine besonders hochwertige, das Nachhaltigkeit-Team eine besonders umweltfreundliche und unsere Finanzenabteilung eine besonders günstige Verpackung – dann diskutieren wir, teilen unsere Positionen miteinander und finden so Konsens. Diese Prozesse sind manchmal langwierig, aber meist entstehen hier coole kreative Ideen und Innovationen.

Auf ein Wasser mit: Die Interview-Reihe von Viva con Agua und MOPO Viva con Agua
Viva con Agua
Auf ein Wasser mit: Die Interview-Reihe von Viva con Agua und MOPO

Auf euren Verpackungen steht, dass 50 Prozent der Gewinne an fairstainable Projekte weitergeleitet werden. Was kann sich die/der Leser:in darunter vorstellen?

Mit der Hälfte unserer Profite treiben wir das Thema Nachhaltigkeit voran. So konnten wir z.B. erreichen, dass unser Latex für die Kondome seit 2020 aus einer Agroforstplantage kommt und komplett nachverfolgbar ist. Die Bäuer:innen auf den Kautschuk- und Bio-Baumwoll-Plantagen erhalten eine Abnahmegarantie und werden über dem Marktpreis bezahlt. Außerdem bezahlen wir aus diesem Budget übergeordnete Ökobilanzen und wichtige Nachhaltigkeitsstudien, die wir der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Wir kompensieren das komplette CO2, das unsere Produkte und unsere Firma verursachen und lassen den Gegenwert des Plastikmülls, den unsere Produkte erzeugen, einsammeln.

Ihr sprecht im Rahmen eures Fairstainabilty-Ansatzes auch immer von transparente Lieferketten – wie sehen diese konkret bei euch aus?

Für uns ist Transparenz oft die Grundlage für ein Verständnis unserer Lieferketten. Ohne Transparenz und eine Vertrauensbasis zu unseren Partner:innen ist es schwer herauszufinden, an welchen Stellen in der Lieferkette der Schuh drückt, wo schlechte Arbeitsbedingungen herrschen oder bspw. der CO2-Fußabdruck besonders gut reduziert werden kann. Das ist ein langer und anstrengender Weg, denn globale Lieferketten sind so verzweigt, dass die wenigsten Unternehmen mehr als ihren direkten Lieferanten kennen. Wir kennen einen sehr großen Teil der Lieferkette aller unserer Produkte und halten aktiv vertrauensvolle Beziehungen zu Partner:innen aufrecht. Am Ende braucht es aber auch bessere Rahmenbedingungen aus der Politik, damit unser Konsumverhalten nicht auf dem Rücken von Benachteiligten ausgetragen wird.

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Angefangen hat es mit veganen Kondomen, mittlerweile bietet ihr eine große Bandbreite an Periodenprodukte an. Daran hast du entscheidenden Anteil. Wie kam es dazu?

Ich hatte mich, bevor ich zu einhorn kam, vermehrt mit der Frage beschäftigt, warum die Menstruation eigentlich immer noch ein ziemliches Tabu in Deutschland ist und warum eigentlich nie jemand laut im Büro nach einem Tampon fragte. Gleichzeitig wollte ich mich beruflich verändern und etwas tun, bei dem ich das Gefühl habe, dass es für die Gesellschaft relevant sei. Diese beiden Themen wollte ich miteinander verbinden und heuerte bei einhorn an.

Was sind eure Ansätze, um die Menstruation zu enttabuisieren?

Die wichtigsten Aspekte sind für uns Aufklärung und Spaß. Insbesondere die Aufklärung bei Kindern muss einen viel prominenteren Platz bekommen. Sonst bekommen die Mädchen von Anfang an das Gefühl, dass das ein schambehaftetes Thema ist, über welches man nicht spricht. Das muss sich ändern. Mit der NGO „Wash United“ arbeiten wir gerade an einem zeitgemäßen Aufklärungsguide, den Lehrer:innen sich ab Sommer 2022 gratis herunterladen können. Außerdem möchten wir, dass die Periode mehr Spaß macht. Was auf den ersten Blick merkwürdig klingen mag, ergibt Sinn, wenn man unsere Produkte sieht. Unsere Menstruationstasse heißt „Papperlacup“ und unsere Tampons kommen in kleinen Milchtüten daher. Wir glauben, dass die Periode im Speziellen und die Welt im Allgemeinen mehr Leichtigkeit braucht und es täte uns gut, wenn wir nicht alles so wahnsinnig ernst nähmen – inklusive uns selbst.


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Neben nachhaltig produzierten Slipeinlagen und Bio-Tampons bietet ihr auch Menstruationstassen an, die mehrfach verwendet werden können. Wäre es nicht nachhaltiger gar keine Wegwerfprodukte anzubieten?

Auf jeden Fall, darüber diskutieren wir auch regelmäßig und leidenschaftlich. Eine Ökobilanz, die wir sehr bald veröffentlichen, hat ergeben, dass unsere Menstruationstassen ökologisch nachhaltiger sind als als konventionelle Binden und Tampons oder solche aus Bio-Baumwolle. Deswegen möchten wir uns auch zukünftig mehr auf wiederverwendbare Alternativen fokussieren und auch versuchen noch mehr Menstruierende dafür zu begeistern. Wir glauben gleichzeitig aber nicht daran, Menschen vorzuschreiben, welches Produkt sie zu verwenden haben. Das ist ein Prozess, den jeder Mensch in seinem Tempo durchläuft.

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