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Hat er seine Koalition noch im Griff? Olaf Scholz bei einem Besuch eines VW-Werks für Elektrofahrzeuge (Archivbild).
  • Hat er seine Koalition noch im Griff? Olaf Scholz bei einem Besuch eines VW-Werks für Elektrofahrzeuge (Archivbild).
  • Foto: Imago

Wie Deutschland zur Lachnummer Europas wurde

Und was hat die ganze Streiterei der Bundesregierung und vor allem des Verkehrsministers Volker Wissing mit der EU-Kommission um die Zukunft des Verbrenner-Motors gebracht? Die meisten Experten sind sich einig: In der Sache wenig bis gar nichts. Aber der Ansehensverlust der deutschen Regierung in Europa ist verheerend.

Wissing wollte sich und seine existenzbedrohte FDP als Retter des Verbrenner-Motors beim deutschen Wähler profilieren. SPD-Kanzler Olaf Scholz, passiv wie auch bei vielen anderen Konflikten, ließ ihn gewähren und die Angelegenheit peinlich lange schleifen. So wurde Deutschland in Brüssel zur Lachnummer Europas.

Der Autor: Christoph Lütgert war Rundfunk-Korrespondent beim NDR, Erster Reporter beim ARD-Politik-Magazin „Panorama“ und 17 Jahre lang Chefreporter Fernsehen beim NDR. Er schreibt regelmäßig als Gastkommentator für die MOPO. privat/hfr
Lütgert
Der Autor: Christoph Lütgert war Rundfunk-Korrespondent beim NDR, Erster Reporter beim ARD-Politik-Magazin „Panorama“ und 17 Jahre lang Chefreporter Fernsehen beim NDR. Lütgert wurde wegen seiner sozialkritischen Reportagen mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Er schreibt regelmäßig als Gastkommentator für die MOPO.

Nochmal zu den Einzelheiten: Als wirksame Maßnahme gegen die Klimakrise hatten sich Europaparlament und EU-Staaten schon im vergangenen Oktober darauf geeinigt, dass in Europa ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen; also nur noch Autos, die kein Benzin und kein Diesel verbrennen und deshalb keine Schadstoffe mehr ausstoßen.

Die FDP als Retterin des Verbrenners

Das ganze sollte jetzt im März dieses Jahres verbindlich festgeschrieben werden. Eigentlich nur noch eine Formsache. Dann aber der Sinneswandel des deutschen Ministers. Ein Sinneswandel in Torschlusspanik. Denn Wissings FDP kämpft permanent ums Überleben. Das offenkundige Kalkül: Als die Partei, die das Auto mit Verbrennungsmotor rettet, könnte sie beim Wähler punkten. Also sollte die deutsche Zustimmung vom vorigen Jahr nicht mehr gelten. Die Folge: ein schier endloses und peinliches Gezerre zwischen Brüssel und Berlin.

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Fassungslosigkeit bei europäischen Partnern darüber, dass das einst so verlässliche Deutschland zum unsicheren Kantonisten geworden ist. Der lettische Ministerpräsident kaum verbrämt wütend: Es sei verwunderlich, dass eine Regierung sich plötzlich anders entscheide, nachdem eine Vereinbarung schon getroffen worden sei. Wenn sowas Schule mache, sei Europa am Ende, sei es kein Faktor mehr, spiele keine Rolle. Und das in global überaus schwierigen Zeiten.

Olaf Scholz und seine Chaos-Truppe

Nun gut, es wurde der Kompromiss gefunden, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die ausschließlich klimaneutrale Kraftstoffe, die sogenannten E-Fuels, tanken, auch nach 2035 neu zugelassen werden dürfen.

Dazu muss man allerdings wissen: die künstlichen E-Fuels, die nur mit Öko-Strom erzeugt werden dürfen, gelten bei allen Experten als knapp, teuer und wenig effizient. Das dürfte sich auch bis 2035 kaum ändern. Die geringen Mengen, die man dann mit großem Aufwand produzieren könnte, sollen vor allem für den Schiffsverkehr und für Flugzeuge  reserviert werden. Denn die können – im Gegensatz zu Autos – nicht mit Strom betrieben werden.

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat ausgerechnet, dass die für 2035 erwartete Produktionsmenge nicht mal für die Schiffe und die Flugzeuge ausreicht. Für  Autos mit Verbrennungsmotor, für die sich FDP-Mann Wissing so stark gemacht und für die er den Streit vom Zaun gebrochen hat, bliebe überhaupt nichts übrig. Für PKW bliebe eben aus heutiger Sicher erstmal nur der Elektro-Antrieb. Und dafür das ganze Theater.

Wie verlässlich ist Deutschland noch?

Dass die FDP in ihrem permanenten Überlebenskampf auf derartigen Unsinn verfiel, mag man noch verstehen. Dass aber Kanzler Olaf Scholz die Liberalen so lange gewähren ließ und nicht irgendwann mal ein Machtwort sprach, um den Spuk schneller zu beenden, muss die europäischen Partner aufs höchste irritieren. Sie dürften sich fragen, wie es um die Verlässlichkeit des wichtigsten EU-Landes bestellt ist.

So, wie Olaf Scholz in den vergangenen Tagen auf europäischer Bühne aufgetreten ist, machte er nicht den Eindruck, als hätte er erkannt, welche Verwerfungen in Europa die von ihm geführte deutsche Chaos-Truppe zumindest auf Zeit ausgelöst hatte. Im Gegenteil: Auf einer Pressekonferenz in Brüssel riss er grinsend noch ein paar Witzchen.

Olaf Scholz konnte als Erster Bürgermeister vielleicht Hamburg, er konnte vielleicht auch Finanzminister in seinen Ressort-Grenzen; aber für den Kanzler Scholz muss man konstatieren: Europa kann er nicht.

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