Hamburgs Dammtorbahnhof: Für den Kaiser gab‘s ein Extragleis
Wohl kaum ein anderer Bahnhof in Deutschland hat so viele gekrönte Häupter und Staatsgäste gesehen. Denn zu der Zeit, als Könige und Kaiser, Prinzen und Prinzessinnen, Präsidenten, Generalsekretäre und Kanzler noch per Eisenbahn reisten, sind sie, wenn sie Hamburg besuchten, alle hier empfangen und verabschiedet worden. Die Rede ist vom schönsten Großstadtbahnhof Deutschlands: dem Dammtorbahnhof. Im 120. Jahr seines Bestehens sind Fotos aus den Anfangstagen aufgetaucht, die teilweise unveröffentlicht sind. Schauen Sie selbst!
Wohl kaum ein anderer Bahnhof in Deutschland hat so viele gekrönte Häupter und Staatsgäste gesehen. Denn zu der Zeit, als Könige und Kaiser, Prinzen und Prinzessinnen, Präsidenten, Generalsekretäre und Kanzler noch per Eisenbahn reisten, sind sie, wenn sie Hamburg besuchten, alle hier empfangen und verabschiedet worden. Die Rede ist vom schönsten Großstadtbahnhof Deutschlands: dem Dammtorbahnhof. Im 120. Jahr seines Bestehens sind Fotos aus den Anfangstagen aufgetaucht, die teilweise unveröffentlicht sind. Schauen Sie selbst!
Unter Eisenbahnexperten gilt der Dammtorbahnhof übrigens gar nicht als Bahnhof. Da er über keine Weichen verfügt, ist er streng genommen nur ein Haltepunkt. Aber diese Spitzfindigkeit ist den 55.000 Reisenden, die ihn täglich nutzen, fremd. Der Dammtorbahnhof glänzt nicht nur durch außergewöhnliche Schönheit – er ist auch der drittgrößte Hamburger Bahnhof (nach Hauptbahnhof und Bahnhof Altona) und einer von fünf Fernbahnhöfen der Stadt. Täglich wird er von 310 Fern- und Regionalzügen angefahren und von 527 S-Bahnen.

Hamburg: Dammtorbahnhof gar kein Bahnhof, sondern nur ein Haltepunkt
Auf eine ausgesprochen spannende Geschichte blickt der Bahnhof zurück. Es gibt viel Verblüffendes und Kurioses zu erzählen. Zum Beispiel verfügte er in den Anfangsjahren im Parterre über ein spezielles Fürstenzimmer, wo sich die blaublütigen Gäste nach der Reise erfrischten, umkleideten und Gäste empfingen. Was ebenfalls völlig in Vergessenheit geraten ist: dass es einen Vorgängerbahnhof gleichen Namens gab, der sich ein paar Hundert Meter entfernt befand – dort, wo heute das Cinemaxx-Kino steht. Wieso der abgerissen wurde, dazu später mehr.

Zunächst ein Rückblick: Hamburgs Eisenbahngeschichte begann 1842 mit der Fertigstellung der Hamburg-Bergedorfer Eisenbahn – diese Linie wurde später bis nach Berlin verlängert. Gleich nachdem 1844 die Altona-Kieler Eisenbahn fertiggestellt war, gab es Überlegungen, zwischen den beiden Linien eine Verbindung herzustellen. Aber erst 1864, als Holstein nach dem Krieg gegen Dänemark preußisch geworden war, fiel die Entscheidung zum Bau der sogenannten Verbindungsbahn.
1866 wird der erste Dammtorbahnhof erbaut – dort, wo heute das Cinemaxx-Kino steht

Dafür musste auch eine Reihe neuer Bahnhöfe her: Dazu gehörte neben den Bahnhöfen Sternschanze und Schulterblatt auch der erste Dammtorbahnhof, ein spätklassizistischer Bau, der am 16. Juli 1866 seinen Betrieb aufnahm und wie sein Nachfolger dem Empfang von Staatsgästen diente.
Das könnte Sie auch interessieren: In dieser Villa residierte Hamburgs schlimmster Massenmörder
Die Verbindungsbahn befand sich anfangs auf Straßenniveau. Auf fünf Kilometern Länge gab es insgesamt 21 Kreuzungen, an denen Pferdefuhrwerke, Kutschen und Fußgänger jedes Mal warten mussten, wenn die Bahn durchfuhr. Ein Zustand, der mit wachsendem Straßenverkehr bald unerträglich wurde.
Sensationelle Fotos: Viele Aufnahmen wurden noch nie zuvor gezeigt
- Staatsarchiv Hamburg Heute Standort des Cinemaxx-Kinos Dammtor: 1866 wurde dort der erste Dammtorbahnhof gebaut.
Heute Standort des Cinemaxx-Kinos Dammtor: 1866 wurde dort der erste Dammtorbahnhof gebaut. - Staatsarchiv Hamburg Am 18. Juni 1895 werden Kaiser Wilhelm II. und seine Söhne (in Matrosenanzügen) noch am alten Dammtorbahnhof willkommen geheißen.
Am 18. Juni 1895 werden Kaiser Wilhelm II. und seine Söhne (in Matrosenanzügen) noch am alten Dammtorbahnhof willkommen geheißen. - Deutsche Bahn Stiftung Der erste, 1866 fertiggestellte Dammtorbahnhof stand dort, wo sich heute dass Cinemaxx-Kino Dammtor befindet.
Der erste, 1866 fertiggestellte Dammtorbahnhof stand dort, wo sich heute dass Cinemaxx-Kino Dammtor befindet. - Staatsarchiv Hamburg Dieses Foto zeigt beide Dammtorbahnhöfe: Der zweite (l.) ist noch eingerüstet, der erste (am Bildrand rechts) noch nicht abgerissen.
Dieses Foto zeigt beide Dammtorbahnhöfe: Der zweite (l.) ist noch eingerüstet, der erste (am Bildrand rechts) noch nicht abgerissen. - Deutsche Bahn Stiftung So hat zu Kaisers Zeiten im Dammtorbahnhof der Wartesaal für die erste Klasse ausgesehen.
So hat zu Kaisers Zeiten im Dammtorbahnhof der Wartesaal für die erste Klasse ausgesehen. - Staatsarchiv Hamburg Hamburgs Paradebahnhof für Staatsbesuche: Vor 120 Jahren, am 7. Juni 1903, wird er feierlich eingeweiht.
Hamburgs Paradebahnhof für Staatsbesuche: Vor 120 Jahren, am 7. Juni 1903, wird er feierlich eingeweiht. - Deutsche Bahn Stiftung Blick in die Bahnhofshalle des Dammtorbahnhofs.
Blick in die Bahnhofshalle des Dammtorbahnhofs. - Deutsche Bahn Stiftung Die Bahnhofshalle des Dammtorbahnhofs: Das Gebäude ist noch eine Baustelle.
Die Bahnhofshalle des Dammtorbahnhofs: Das Gebäude ist noch eine Baustelle. - Deutsche Bahn Stiftung Noch eingerüstet, aber noch unvollendet: Der Dammtorbahnhof vermutlich 1902. Ein Foto aus der Deutsche Bahn Stiftung, das wohl noch nie zuvor veröffentlicht wurde.
Noch eingerüstet, aber noch unvollendet: Der Dammtorbahnhof vermutlich 1902. Ein Foto aus der Deutsche Bahn Stiftung, das wohl noch nie zuvor veröffentlicht wurde. - Deutsche Bahn Stiftung Die Baustelle des Dammtorbahnhofs vermutlich um 1901.
Die Baustelle des Dammtorbahnhofs vermutlich um 1901. - Staatsarchiv Hamburg Undatiertes Archivbild des Dammtorbahnhofs - vermutlich um 1910 aufgenommen: Gerade verlässt ein Dampfzug die Bahnhofshalle.
Undatiertes Archivbild des Dammtorbahnhofs – vermutlich um 1910 aufgenommen: Gerade verlässt ein Dampfzug die Bahnhofshalle. - MOPO-Archiv Hamburg-Stadtplan von 1900: Der alte Dammtorbahnhof von 1866 ist hier noch eingezeichnet, aber auch schon der neue, der 1903 eingeweiht wurde.
Hamburg-Stadtplan von 1900: Der alte Dammtorbahnhof von 1866 ist hier noch eingezeichnet, aber auch schon der neue, der 1903 eingeweiht wurde. - Manfred Berger: „Historische Bahnhofsbauten“ Der 1903 eingeweihte Dammtorbahnhof. Der Grundriss zeigt, wo sich das Fürstenzimmer befand. Ganz rechts.
Der 1903 eingeweihte Dammtorbahnhof. Der Grundriss zeigt, wo sich das Fürstenzimmer befand. Ganz rechts.
Im Zuge einer Neuordnung der Hamburger Bahnanlagen wurde 1898 erstens entschieden, einen Hauptbahnhof zu bauen, um so die vier dicht beieinander liegenden innerstädtischen Bahnhöfe abzulösen. Zweitens wurde beschlossen, die Verbindungsbahn aus dem Straßenniveau herausnehmen und auf einen Bahndamm zu verlegen. Dort, wo der Damm die Straßen kreuzte, wurden Unterführungen geschaffen, damit der Straßenverkehr ungehindert fließen konnte.
Als 1903 der neue Dammtorbahnhof fertig ist, sagt Kaiser Wilhelm II.: „Sieht ja ganz nett aus.“
Dazu musste ein neuer, moderner Dammtorbahnhof gebaut werden. Über dessen Planungs- und Baugeschichte ist nur wenig bekannt. Das dürfte daran liegen, dass das Bauvorhaben nicht öffentlich ausgeschrieben, sondern direkt an einen Architekten vergeben wurde: an Regierungs- und Baurat Schwartz, der eng mit dem Königlichen Oberbaurat Cäsar zusammenarbeitete. Ihre Pläne sahen im Sockelgeschoss das Empfangsgebäude vor, darüber auf Höhe des Bahndamms die Bahnsteige. Und darüber wölbt sich bis heute eine prächtige Bahnsteighalle.

Die Bauzeit betrug zwei Jahre. Gut eine Million Mark verschlang das Projekt. Ziemlich originell verlief die Einweihung am 7. Juni 1903: Im neuen Bauwerk versammelten sich 76 Ehrengäste, die die Nacht zwischen der Schließung des alten und der Eröffnung des neuen Bahnhofs durchfeierten – tatsächlich wurde der Bahnbetrieb nicht mal für einen einzigen Tag ausgesetzt. Die Party erreichte ihren Höhepunkt, als um 5.37 Uhr der erste Zug durch den neuen Bahnhof fuhr.
Das könnte Sie vielleicht auch interessieren: Der Tag, an dem die „Engelmacherin von St. Pauli“ hingerichtet wurde
Nicht nur, dass der Dammtorbahnhof – wie bereits erwähnt – ein Fürstenzimmer besaß, es gab auch ein eigenes Abstellgleis für royale Sonderzüge. Der erste Regent, der den neuen Dammtorbahnhof besuchte, war Kaiser Wilhelm II., der am 20. Juni 1903 nach Hamburg reiste, um der Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals auf dem Rathausmarkt beizuwohnen. Der Kaiser meinte beim Anblick des Bahnhofsneubaus: „Sieht ja ganz nett aus“. Aus seinem Mund wohl ein großes Kompliment.
1904 besucht der englische König Edward VII. Hamburg und wird am Dammtorbahnhof empfangen

Im Jahr darauf wurde mit König Edward VII. erstmals ein britischer König in Hamburg empfangen – auch er kam im Dammtorbahnhof an. Der „Kaiserbahnhof“, wie der Dammtorbahnhof genannt wurde, blieb auch in den folgenden Jahrzehnten bahntechnischer Empfangssalon für hochgestellte Persönlichkeiten: Bundespräsident Heinrich Lübke, Indiens Premier Jawaharlal Nehru, die englische Queen Elizabeth II., Dänemarks Königin Margarethe, Hollands Königin Juliana – sie alle wurden hier empfangen, aber auch der persische Schah Reza Pahlavi, der äthiopische Kaiser Haile Selassie, Thailands König Bhumibol und dessen Ehefrau Sirikit. Und natürlich Diktator Adolf Hitler.
Der Dammtorbahnhof heute: Das Fürstenzimmer gibt es schon lange nicht mehr. Auch das Kaisergleis ist längst beseitigt. Zwischen 1999 und 2002 wurde der denkmalgeschützte Bahnhof aufwendig restauriert und hat dadurch mächtig gewonnen.
2006 wird der Dammtorbahnhof zum besten Großstadtbahnhof Deutschlands gekürt
Denjenigen Passanten, die achtlos vorbeigehen oder -fahren, sei empfohlen, beim nächsten Mal für einen Moment zu verweilen und sich die Fassade mit den wunderschönen Jugendstil-Ornamenten in Ruhe anzusehen. Dann versteht jeder, wieso der Verein „Allianz pro Schiene“ den Bahnhof 2006 zum besten Großstadtbahnhof Deutschlands gekürt hat.
Das könnte Sie vielleicht auch interessieren: Napoleon, Nazis, nackte Brüste – 100 Jahre Herbertstraße

Zum Schluss möchten wir uns noch herzlich bedanken: beim DB Museum in Nürnberg und beim Staatsarchiv Hamburg, die ihre Fotosammlungen bereitwillig öffneten und Bilder vom Dammtorbahnhof hervorzauberten, die teilweise nie veröffentlicht wurden.