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  • Kanzlerkandidat Laschet: Ängste schüren als letzter Strohhalm.
  • Foto: (c) dpa

Warum der Wahlkampf der CDU eine Unverschämtheit ist

Die CDU torkelt in den Umfragekeller – und zeigt sich im Angesicht der Niederlage von ihrer schwächsten Seite. Absurde Kommunisten-Angst schüren und „Gender-Gaga“ bekämpfen: Die Welt sucht Halt und die Union bietet stattdessen Politik, die wirkt wie Satire.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich fühle mich beleidigt. Es ist, als wenn man den Partner nach 16 Jahren Beziehung in einer Krise zur Rede stellen will. Über all die Dinge, die schiefliefen und -laufen. Über die Zukunftsängste, die einen umtreiben. Wenn man fragt: Wie soll es weitergehen? Wie stellst du dir das vor mit uns? Was spricht eigentlich noch dafür, dass wir zusammenbleiben? Und das Gegenüber wirft sich ein Bettlaken über und ruft: Buhu! Ich bin das rote Gespenst!

MOPO-Chefredakteur Maik Koltermann Quandt

Der Autor

Maik Koltermann (46), MOPO-Chefredakteur, findet, dass die Union die Wähler gewaltig unterfordert. Und wundert sich, dass sich in der besorgten CDU offenbar niemand vor Neonazis fürchtet, obwohl die immerhin den Parteikollegen Walter Lübcke erschossen haben.

Nun war’s ja nie Liebe zwischen mir und der CDU. Aber diese Partei hat immerhin den Großteil meines Lebens Regierungsverantwortung gehabt. Volk und Volksvertreter: Wenn’s da keine Beziehung gäbe, das wäre ja schlimm.

Der Wahlkampf wäre eine Gelegenheit, ein Angebot zu machen

Es stehen also an die ganz großen Themen: Corona, die Corona-Folgen, Klima, soziale Gerechtigkeit. Ich will Sie da nicht lange quälen. JEDER in diesem Land ahnt doch zumindest, worum es wirklich geht. Was wir anpacken müssen. Dass es eilt. Dass es konkret werden muss. Und dass vor allem das „Wie?“ sehr spannend ist.

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Der Wahlkampf wäre nun eine wunderbare Gelegenheit, ein Angebot zu machen. Menschen an die Hand zu nehmen. Ihnen Wege aufzuzeigen, wie wir da durchkommen, durch diesen gewaltigen Schlamassel.

Ziemiak, Merz, Laschet: Sie könnten abliefern. Sie lassen es stattdessen lieber düster dräuen.

Klassiker: 1953 war die Angst vor „den Roten“ noch konkret begründbar. Konrad-Adenauer-Stiftung
Klassisches Motiv: Ein Plakat von 1953. Da war die Angst vor „den Roten“ noch konkret begründbar.
Klassisches Motiv: Ein Plakat von 1953. Da war die Angst vor „den Roten“ noch konkret begründbar.

Ziemiak sagt: „Kevin Kühnert sagt es ja selbst, dass wir dieses System, was wir jetzt haben, eigentlich überwinden müssen. Da wird von Verstaatlichungen gesprochen.“ „Nichts“ habe Olaf Scholz in der Partei zu melden. Das Abrutschen in den Höllenschlund des Kommunismus sei quasi nicht zu verhindern.

Die CDU-Promis drohen lieber mit dem Untergang

Merz sagt über „eine linke Regierung“: „Es gibt hier keine Gemeinsamkeiten in den wesentlichen zentralen außenpolitischen, wirtschaftspolitischen, finanzpolitischen, sozialpolitischen, gesellschaftspolitischen Themen.“

Und Laschet meint, Deutschland könne „kein Industrieland bleiben“, schon allein unter Rot-Grün.

Und auf den Social-Media-Kanälen der Jungen Union kreiseln die passenden Bildchen zur „linken Gefahr“.

Als würde Scholz den Besserverdienern die Rolex vom Handgelenk reißen

Nichts! Keine! Alles neu! Sehen Sie es vor sich? Wie Olaf Scholz Schwerter zu Pflugscharen macht? Wie er die Internationale singt und Besserverdienern am Kiosk die Rolex vom Handgelenk reißt?

Was ist bei Ihnen in den vergangenen Wochen hängen geblieben vom Wahlkampf der Union? Von den Ideen zur Zukunft? Laschets großer Moment beim Triell vielleicht? Als er Scholz so richtig am Wickel hatte? Als er plötzlich so griffig-aggressiv war? Worum ging es doch gleich? Ach ja: Kampfdrohnen für die Bundeswehr! Haben Sie sich da abgeholt gefühlt in Ihrer Unsicherheit? Hat Sie das vorangebracht auf der Suche nach dem Weg in die Zukunft? Mich nicht.

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Der zurzeit allgegenwärtige Vorwurf der schwer angeschlagenen Union, den sie wie das Mantra eines torkelnden Boxers im Oberstübchen kreisen lässt, ist: Die SPD von Olaf Scholz paktiere mit der Linken. Und die sei brandgefährlich. Wegen ihrer Ablehnung der NATO. Und weil sie Reiche stärker belasten will: Einkommens-, Vermögens-, Erbschaftssteuer. So was.

Als wäre nix gewesen in den vergangenen 30 Jahren

Derrr Kommunismus kommt!!! Es ist das uralte Lied aus der Mottenkiste. Als noch eine Mauer durchs Land ging und außer Nordkorea noch andere Länder Planwirtschaft für ’nen Knaller hielten. Einfach 1:1 übernommen. So, als wäre nix gewesen in den vergangenen 30 Jahren.

Nun kann man natürlich darüber streiten, ob die Pläne von SPD, Grünen und Linken zu einer gerechten Verteilung richtig sind und welche Folgen sie hätten. Im Falle der Finanzfragen ist das klar. Reiche wären stärker belastet. Sie können also zwar weiter noch reicher werden, aber müssen ein bisschen mehr abgeben von dem, was dazukommt. Absurder Gedanke? Kann man so sehen. Der Beginn der kommunistischen Gewaltherrschaft? Come on!

Auch könnte man überlegen, wie das von Trump zerfledderte, von Erdogan vorgeführte und in Afghanistan gedemütigte Militärbündnis neu aufzustellen wäre. In Afghanistan übrigens fehlte es der Bundeswehr sehr klar erkennbar an einer rechtzeitig formulierten Strategie, aber ganz offensichtlich in den dramatischen letzten Tagen nicht an Kampfdrohnen.

Aber können Sie sich daran erinnern, dass diese Debatte geführt worden wäre?

Wann reden wir über die richtigen Themen, liebe Union?

Ein NATO-Austritt als drohendes Szenario? Das Aufkündigen internationaler Allianzen? Eine Bundesregierung unter dem stoischen Pragmatiker Scholz oder der bürgerlichen Baerbock, die in Zeiten erodierender Machtgefüge und eines Riesen-Haufens aktueller Probleme außenpolitische Abenteuer sucht? Na, klar …

Wann also reden wir nun über die wirklichen Themen, liebe Union?

Christoph Ploß, Hamburger CDU-Vorsitzender. picture alliance/dpa/Markus Scholz
Christoph Ploß, Hamburger CDU-Vorsitzender, sieht seine Partei derzeit in der Offensive.
Christoph Ploß, Hamburger CDU-Vorsitzender, hat im Wahlkampf eine klare Priorität. Das wichtigste aktuelle Problem: „Gendern“ …

Vielleicht in Hamburg? Wir haben Glück! Bei uns ist einer der Überflieger der Partei am Ruder. Christoph Ploß, das junge, moderne Gesicht der Union. Und jetzt schließen Sie mal die Augen und überlegen Sie: Womit rennt der Mann seit Wochen unentwegt durch die Lande? Was ist das Signature-Topic des Social-Media-Darlings, mit dem er uns ans Licht führen will? Richtig: Sie sehen ein kleines Sternchen vor Ihrem inneren Auge.

Ploß greint übers Gendern, derweil brennt die Welt

Ploß mag Antworten haben auf die drängenden Fragen unserer Zeit. Aber wenn er sie formuliert hat, muss es untergegangen sein in all dem paranoiden Gesumse über einen vielleicht untauglichen, aber jedenfalls grundsätzlich ehrenwerten Versuch, Frauen mehr Sichtbarkeit und Wahrnehmung zu verschaffen. Ploß greint übers Gendern, und derweil brennt die Welt. Kann man machen. Bringt mich nicht voran.

Die Union ist laut einer aktuellen Umfrage bei 19 Prozent. Falls man sich im Konrad-Adenauer-Haus gerade die Frage stellen sollte: Das hat sie nicht verdient. Denn die Frage ist doch, warum überhaupt noch jemand die Absender dieses inhaltsleeren Trugbildes eines Wahlkampfs mit einer Stimme belohnt.

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