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Laut Friedrich Merz (l.) hat Thüringens CDU-Chef Mario Voigt „genau das, was wir miteinander besprochen haben” gemacht – die Steuersenkung mit den Stimmen der AfD sichern.
  • Laut Friedrich Merz (l.) hat Thüringens CDU-Chef Mario Voigt „genau das, was wir miteinander besprochen haben” gemacht – die Steuersenkung mit den Stimmen der AfD sichern.
  • Foto: picture alliance/dpa | Michael Reichel

Thüringen-Eklat: Das Versagen von Parteichef Merz

Es ist schwer zu sagen, was von den Ereignissen am Donnerstag in Thüringen eigentlich saurer aufstößt: Sind es glückstrunkene AfDler:innen wie Alice Weidel, die triumphierend jubelte „Thüringen ist erst der Anfang”? Oder ist es eine CDU, die mit geradezu beleidigend schlichter Argumentation ihre Hände in Unschuld wäscht? Friedrich Merz jedenfalls wird in die Geschichtsbücher eingehen, als einer von denen, die den Rechtsextremen den Weg bereiteten.

Die Thüringer CDU, in der Opposition zur rot-rot-grünen Minderheitsregierung, hatte einen Antrag zur Absenkung der Grunderwerbssteuer ins Parlament eingebracht. Was passieren würde, war seit Tagen klar: Nur mit den Stimmen der AfD von Björn Höcke, die in Thüringen vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wurde, würde es eine Mehrheit geben und die Änderung wäre beschlossen. Und so kam es.

Den Vorgang kann man nun auf zwei Arten kleinreden: „Die Steuersenkung ist nunmal richtig. Ist doch egal, wer sie beschließt.”

„Wenn sich demokratisch gewählte Mehrheiten in einem Parlament finden, dann ist das genau das, wofür es die Demokratie gibt.”

Wer vor dem Hintergrund der Thüringer Abstimmung so in Deutschland argumentiert, zeigt bereits atemberaubende Geschichtsvergessenheit. Doch die Verantwortlichen der CDU gingen beim Niveau-Limbo noch ein Stück weiter.

CDU: Von Zusammenarbeit kann keine Rede sein

Der Thüringer CDU-Fraktionschef Mario Voigt erklärte: „Ich will deutlich sagen: Die Leute haben die Schnauze voll von diesen parteitaktischen Spielen.” Es sei bei dem Gesetz um eine Entlastung für die Menschen gegangen. „Ich kann nicht gute, wichtige Entscheidungen für den Freistaat, die Entlastung für Familien und der Wirtschaft, davon abhängig machen, dass die Falschen zustimmen könnten.” Absprachen mit der AfD habe es nicht gegeben, von einer Zusammenarbeit wie von Rot-Rot-Grün behauptet könne keine Rede sein.

Wenn man den Vorsatz, nicht mit Nazis zusammenzuarbeiten, als „parteitaktisches Spiel” bezeichnet, ist das nur ein weiterer Hinweis darauf, dass die Thüringer CDU der AfD dort offenbar inzwischen so nah steht, dass einer baldigen Fusion nicht viel entgegenzustehen scheint. Denn wahr ist doch: Man muss Entscheidungen für den Freistaat davon abhängig machen, dass die RICHTIGEN zustimmen. Heißt: Es braucht, wenn einem die Demokratie am Herzen liegt, eine Mehrheit von denen, die auf dem Fundament des Grundgesetzes stehen.

Nah beieinander: Thomas Kemmerich (FDP, stimmte ebenfalls zu), Mario Voigt (CDU-Fraktionsvorsitzender) und Björn Höcke (AfD-Fraktionsvorsitzender) kurz vor der Abstimmung für das Gesetz zur Senkung der Grunderwerbssteuer Imago/Sascha Fromm
Nah beieinander: Thomas Kemmerich (FDP, stimmte ebenfalls zu), Mario Voigt (CDU-Fraktionsvorsitzender) und Björn Höcke (AfD-Fraktionsvorsitzender) kurz vor der Abstimmung für das Gesetz zur Senkung der Grunderwerbssteuer
Nah beieinander: Thomas Kemmerich (FDP, stimmte ebenfalls zu), Mario Voigt (CDU-Fraktionsvorsitzender) und Björn Höcke (AfD-Fraktionsvorsitzender) kurz vor der Abstimmung für das Gesetz zur Senkung der Grunderwerbssteuer

Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz hatte das Agieren der Thüringer CDU-Fraktion sogar vor der Abstimmung verteidigt. Der thüringische CDU-Vorsitzende Voigt habe vorab mit ihm über die Angelegenheit geredet. „Und Mario Voigt macht genau das, was wir miteinander besprochen haben.” Und dann, wie eine Schlusspointe: Eine Zusammenarbeit mit der AfD werde es auf Bundes- und Landesebene nicht geben. „Dabei bleibt es auch.”

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Was Merz in Wirklichkeit damit abgesegnet hat: die Ermächtigung des radikalsten Kerns der AfD. Erstmals hat der nun in Deutschland ein Gesetz gegen eine Landesregierung umsetzen können. Die radikalen Kräfte in der AfD haben ihren Wählern gezeigt, dass sie ganz konkret Macht haben und ausüben können – es sich also lohnt, das Kreuz bei ihnen zu machen.

Ein Triumph für die AfD

Es ist ein Triumph für die Rechten. Und genau so schlachten sie den Vorgang auch aus: Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel hat nach der Abstimmung die strikte Abgrenzung der CDU zu ihrer Partei für erledigt erklärt. „Merz’ Brandmauer ist Geschichte – und Thüringen erst der Anfang”, schrieb sie auf X. „Es wird Zeit, dem demokratischen Willen der Bürger überall in Deutschland zu entsprechen. Deshalb AfD.”

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Warum hat Merz das abgesegnet? Ist das intellektuelle Bräsigkeit? Oder ein kümmerlicher Versuch von Machtpolitik? Oder das Kaschieren von Ohnmacht, weil die Thüringer Parteikollegen eh machen, was sie wollen? Merz war angetreten, die AfD „zu halbieren“. Er tut das Gegenteil. Schon seit Monaten wertet er ihre Positionen mit allerhand populistischem Herumgestochere auf. Mit rhetorischer Grobklotzigkeit wie dem Gerede von der CDU als „Alternative für Deutschland mit Substanz”.

Diese jüngste Entscheidung ist nun ein weiterer Sargnagel für eine klar positionierte, wertebasierte, modern-konservative Union. Stattdessen dilettiert sie unter seiner Führung herum wie das Fähnchen im Wind. Positions- und charakterlos. Das könnte einem egal sein. Nur leider geht es in diesem Land zurzeit um viel zu viel. 

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