Finanzsenator Andreas Dressel war als „Privatmann“ lautestes Sprachrohr der Gegner des Zukunftsentscheids

Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) war als „Privatmann“ lautestes Sprachrohr der Gegner des Zukunftsentscheids Foto: picture alliance/dpa | David Hammersen

Klatsche für den Senat: Vier Lehren aus dem Zukunftsentscheid

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Über Wochen und Monate wurde geworben, gestritten und debattiert. Seit Sonntagabend steht fest: Hamburg hat sich für eine drastisch ambitioniertere Klimapolitik entschieden. Statt erst im Jahr 2045 muss die Stadt nun bereits 2040 rechnerisch CO2-neutral sein. Für den Senat, der das intern entschieden ablehnte und sogar mit einzelnen Mitgliedern dagegen öffentlich eintrat, ist das eine krachende Niederlage. Vier Lehren aus einem ziemlich besonderen und spannenden Abend.

Klimapolitik bewegt die Menschen – doch noch!

Globale Krisen, boomender Rechtspopulismus, leere Kassen: In den großen Wahlkämpfen des Jahres spielte Klimapolitik kaum eine Rolle. Viele bereits beschlossene Maßnahmen stehen sogar, wie das Verbrenner-Aus, erneut infrage. Bis ins grüne Lager hinein haben Politiker zunehmend Angst davor bekommen, den Bürgern Zumutungen zuzutrauen, um Energiewende und engagierte Klimapolitik schnell voranzubringen. In Hamburg haben sich nun Hunderttausende Bürger sogar dafür entschieden, das Tempo des Umbaus drastisch anzuziehen. Und das trotz einer in den vergangenen Tagen massiv lauter gewordenen Kampagne der Gegner der Initiative. Sie warnten vor den großen Kosten und sozialen Verwerfungen, sollte für Hamburg die CO2-Neutralität bereits für 2040 angestrebt werden, anstatt – wie bereits beschlossen – für das Jahr 2045. Die Befürworter schreckte das nicht.

Der Senat hat sich verzockt

Im Rathaus setzte man auf Aussitzen. Lange war von den Regierungsparteien kaum etwas zum Thema zu hören. Einzig Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), umtriebiger Social-Media-Nutzer, machte sich auf Facebook und Co. gegen das Vorziehen des anspruchsvollen Ziels stark. Als „Privatmann“, wie er immer wieder betonte, um dem Neutralitätsgebot zu genügen, das ihn als Regierungsmitglied verpflichtet.

Die Grünen, bei denen die Partei-Basis grundsätzlich für möglichst ambitionierte Klimaziele steht, drucksten in der Führung bei dem Thema in den vergangenen Wochen meist herum. Gehöriger Respekt vor der beschleunigten Riesen-Aufgabe war spürbar. Immer klarer wurde: Der Senat wollte das Thema aussitzen und kleinhalten. Man hoffte offenbar, dass die Initiative an den Mindestanforderungen der Abstimmungsbeteiligung scheitern würde. Die Hamburger Wirtschaftsbosse, die erst kurz vor Toreschluss aus der Hecke sprangen, um ihre Stimme gegen eine Änderung des Datums zu erheben, hatten das Thema vorher offenbar komplett unterschätzt.

Auf Hamburg kommen gigantische Aufgaben zu

Ein Gutachten der Umweltbehörde hat Mehrkosten in Milliardenhöhe prophezeit, für den Fall, dass der Zukunftsentscheid vorgezogen werden würde. Gerade im Wohnsektor müssen riesige Investitionen und Sanierungsprojekte in einem relativ kurzen Zeitraum umgesetzt werden, was nach der Angebot/Nachfrage-Logik die Kosten steigen lassen wird. Wirtschaft und Politik werden gefragt sein, die Rahmenbedingungen optimal zu gestalten, damit ausreichend Kapazitäten – und im besten Fall konjunkturelle Effekte entstehen.

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Demokratie ist eine tolle Sache

Auch wenn die öffentliche Debatte erst spät Fahrt aufnahm – im Endspurt zu der wegweisenden Entscheidung wurde ein für jeden einzelnen Hamburger extrem wesentliches Thema lebhaft und vielfältig diskutiert. In den Medien, in den Familien, an den Arbeitsplätzen. Hunderttausende positionierten sich explizit zu einer, wenn nicht der zentralen Fragen unserer Zeit. Die Tragweite ist vielfach klargemacht worden – wer nicht abgestimmt hat, kann sich nun über die Folgen nicht mehr beschweren. Die Hamburger haben zwar knapp, aber am Ende mit klarer Mehrheit entschieden. Die Volksentscheid-Macher müssen jetzt mit deutlich konkreteren Konzepten zeigen, dass ihre Versprechen von Finanzierbarkeit und sozialem Ausgleich nicht nur Luftschlösser waren. Und auf den Senat warten große Herausforderungen …

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