• Teilnehmer einer Solidaritätsdemo mit der „Letzten Generation“ nach den Durchsuchungen
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Die Skandalisierung der „Letzten Generation“ soll nur vom eigenen Versagen ablenken

Da wird ein großes Staatstheater inszeniert. Schwer bewaffnete Polizei in kugelsicheren Westen stürmt Wohnungen von Akteuren der „Letzten Generation“, als gelte es, einen Terrorakt oder Staatsstreich zu verhindern. Mitgenommen wird, was nicht niet- und nagelfest ist, Gelder werden beschlagnahmt , die Website der Aktivisten gesperrt. Unsere Innenministerin Nancy Faeser, ganz im Wahlkampfmodus als hessische SPD-Spitzenkandidatin, zollt verbal Beifall und Anerkennung. Union und FDP finden’s auch ganz wunderbar. Die lästigen Asphalt-Kleber werden als gefährliche Staatsfeinde stigmatisiert. Ohne Richterspruch bekommen sie den Stempel der kriminellen Vereinigung aufgedrückt. Eine Überreaktion, als würden die USA den Vatikan mit Atombomben attackieren.

Gewiss, die Aktivisten der letzten Generation machen immer wieder Unerlaubtes, verstoßen gegen Gesetze. Aber damit wollen Sie nichts anderes, als die Politik zu einem endlich wirksamen Klimaschutz anzutreiben. Kalkulierte Eskalation, denn die vergleichsweise gesitteten Kundgebungen und Aufzüge von „Fridays for Future“ haben seit Jahren nichts gebracht.

FDP, Grüne, SPD, CDU: Alle versagen Sie beim Klimaschutz

Alle öffentlichen Beteuerungen unserer Politiker für Umwelt- und Klimaschutz in Wahlkämpfen und auf internationalen Konferenzen waren letztlich nur Schall und Rauch. Die Klimakatastrophe rückt näher, ist vielleicht schon da. Und unsere Politik versagt heute wie gestern und vorgestern.

Der Autor: Christoph Lütgert war Rundfunk-Korrespondent beim NDR, Erster Reporter beim ARD-Politik-Magazin „Panorama“ und 17 Jahre lang Chefreporter Fernsehen beim NDR. Er schreibt regelmäßig als Gastkommentator für die MOPO. privat/hfr
Lütgert
Der Autor: Christoph Lütgert war Rundfunk-Korrespondent beim NDR, Erster Reporter beim ARD-Politik-Magazin „Panorama“ und 17 Jahre lang Chefreporter Fernsehen beim NDR. Lütgert wurde wegen seiner sozialkritischen Reportagen mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Er schreibt regelmäßig als Gastkommentator für die MOPO.

Die FDP gefällt sich in Blockaden, ob beim Tempolimit, beim Aus für Verbrennermotoren oder in den Heizungskellern. Die Grünen dilettieren mit unausgegorenen Gesetzesentwürfen, der Sozialdemokrat Olaf Scholz hatte zwar als Klimakanzler Wahlkampf gemacht, lässt davon als Anführer seiner heillos zerstrittenen Ampelkoalition aber nichts mehr erkennen. Die oppositionelle Union begnügt sich mit Häme und Schadenfreude, als hätte sie nicht in den Jahrzehnten als Regierungspartei ebenfalls kläglich versagt.

Das 1,5-Grad-Klimaziel ist schon geradezu nonchalant aufgegeben worden. Jetzt steuert man eine Erderwärmung von zwei bis drei Grad an und weiß genau, welch verheerende Folgen das etwa für Afrika – aber dann auch für Europa – haben wird.

Die Skandalisierung der „Letzten Generation“ soll vom eigenen Versagen ablenken

Das ist der Dauerskandal, von dem die Politik durch die Skandalisierung der „Letzten Generation“ ablenken will.

Wer verfolgt die Verfolger der unbotmäßigen Klimaaktivisten, wer verfolgt also jene die sich an den künftigen Generationen versündigen? Was ist schlimmer: Ein paar Verkehrsstaus, weil sich irgendwo wieder welche festgeklebt haben – oder die vielen tausend Klima-Toten, die auf das Konto derer gehen, die sich einem wirklichen Klima- und Umweltschutz verweigern? Schmierereien an Fassaden öffentlicher Gebäude kann man wegmachen, die Verwüstungen als Folge des Politikversagens aber nicht.

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Wir fühlen uns ja immer noch im christlichen Abendland, zwei große Parteien führen das „christlich“ in ihrem Firmennamen. Deshalb zum Abschluss ein Spruch aus der Bibel in der klassischen Luther-Übersetzung, unseren Politikern ins Stammbuch geschrieben: „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge, und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?“

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