• Regisseur und Komponist Franz Wittenbrink im St. Pauli Theater in Hamburg. 

Kultur-Lockdown kurz vor Premiere: „Die Maßnahmen sind traurig, aber notwendig“

St. Pauli –

Er steckte gerade in den Endproben für das erste richtige Theaterstück seit Monaten: Regisseur und Komponist Franz Wittenbrink wollte am 12. November eigentlich die Premiere seines neuen Musiktheaters „Nicht anfassen!“ im St. Pauli Theater feiern. Doch anstatt wütend darüber zu sein, dass die Coronamaßnahmen seine Pläne durchkreuzten, versucht er die Herausforderungen mit Kreativität und Humor zu lösen – und die Hoffnung nicht zu verlieren.

Die Proben im St. Pauli Theater am Spielbudenplatz liefen wochenlang auf Hochtouren: Solisten performten mit drei Metern Abstand, das Gesangsensemble probte mit Trennwänden aus dünnem Cellophan, damit sich die Sänger weiterhin gegenseitig hören konnten. Die Freude war groß, unter dem entwickelten Hygienekonzept endlich aufführen zu können – bis der Lockdown light beschlossen wurde.

Hamburger Regisseur: „Die Maßnahmen sind traurig, aber notwendig“

In dem Stück „Nicht anfassen!“ geht es um Social Distancing in Corona-Zeiten – fast schon ein wenig ironisch, dass die Premiere nicht wie geplant stattfinden konnte, weil genau das zur Eindämmung der Pandemie erforderlich ist. Der Liederabend von Franz Wittenbrink soll nicht anklagend sein – sondern dazu auffordern, die Situation mit Humor zu nehmen: „Die Zeiten sind – was Nähe betrifft – fürchterlich und grotesk. Das zeigen wir auch in aller Deutlichkeit. Aber am Ende steht, dass wir auch das überstehen und uns auf Zeiten freuen können, in denen wir uns wieder näherkommen dürfen“, so der Regisseur im Gespräch mit der MOPO. 

Die Schauspieler des Stücks „Nicht anfassen!": Holger Dexne, Anneke Schwabe, Katharina Blaschke, Andreas Bongard und Katharina Wittenbrink (v.l.). 

Die Schauspieler des Stücks „Nicht anfassen!“: Holger Dexne, Anneke Schwabe, Katharina Blaschke, Andreas Bongard und Katharina Wittenbrink (v.l.). 

Foto:

Oliver Fantitsch

Umso trauriger, dass diese Botschaft dem Publikum nicht nähergebracht werden konnte – gerade zu einem Zeitpunkt, wo viele nochmal eine Portion Mut gebraucht hätten. „Die Verordnungen waren für uns ein ziemlicher Schlag – alle hatten sich auf die Premiere gefreut“, sagt Wittenbrink. Doch es habe nicht lange gedauert, bis die Ratlosigkeit im gesamten Ensemble durch Optimismus ersetzt wurde. „Wir haben uns gesagt: Bevor wir gar nichts mehr machen, machen wir das Stück so schön, wie wir können.“

Theaterproben am St. Pauli Theater: „Ohne Publikum nicht das selbe“

In der Hoffnung, dass die Premiere nicht mehr in allzu weiter Ferne liegt, wird also fleißig weitergeprobt. Doch alle spüren, dass nichts so ist wie sonst. „Normalerweise steigt in der letzten Woche vor der Premiere der Adrenalinpegel. Aber ohne Publikum fehlt dieses Spannungsgefühl: Egal wie gut es war, man kann danach nicht zufrieden zurücksinken.“ Dass die Premiere im Dezember stattfinden kann, sei zwar möglich – es könne aber genauso gut noch einen Monat länger dauern.

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Obwohl die Maßnahmen seine Pläne durchkreuzten, hat der Regisseur Verständnis für die Entscheidungen der Politiker. „Die Regierung trägt die gesamte Verantwortung für alle und ich finde ich es absolut richtig, dass beispielsweise Schulen und Kitas Vorrang haben. Als Kulturschaffender ist mir natürlich der Bereich Kultur wahnsinnig wichtig, aber ich habe Verständnis dafür, dass die Einrichtungen schließen müssen – sonst würde man von den Infektionszahlen überhaupt nicht mehr runterkommen. Die Maßnahmen sind traurig, aber notwendig.“

Franz Wittenbrink: „Kultur ist nicht einfach abgeschaltet worden“

Die Stadt würde schließlich durchaus mit privaten Theatern kooperieren und Finanzhilfen zusichern – dazu gehört auch die Regelung, dass bis zu 75 Prozent der Umsatzausfälle ersetzt werden können. „Im Großen und Ganzen sehe ich ein Bemühen seitens der Politik, die endgültige Schließung von Kultureinrichtungen aufzuhalten.“ Im Einzelnen möge es zwar tragische oder ungerechte Vorfälle geben – aber einfach abgeschaltet worden sei die Kultur nicht.

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