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  • Foto: picture alliance/dpa

Kontaktsperre: Infizieren sich jetzt zu wenige mit dem Coronavirus?

Die geltende Kontaktsperre in Deutschland hat eine klare Funktion: Die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, damit das Gesundheitssystem nicht überlastet wird. Dem Epidemiologen Martin Eichner zufolge löst diese Maßnahme das Problem aber nicht – sondern verschiebt es nur nach hinten.

Jedes Land geht anders mit der Corona-Pandemie um: Einige verhängen eine Ausgangsperre, Deutschland lediglich eine Kontaktsperre. Welche Maßnahmen am sinnvollsten sind, darüber streiten sich Wissenschaftler, Ärzte und Politiker. Die Kontaktsperre löse das Problem jedenfalls nicht, sagte Epidemiologe Martin Eichner in einem Interview mit „tagesschau.de“. 

Coronavirus: „Kontaktvermeidung verschiebt das Problem nur“

„Wenn wir die Ansteckungen aufhalten, wird kaum jemand immun. Wir brauchen aber aus epidemiologischer Sicht etwa zwei Drittel Immunität in der Bevölkerung oder etwas mehr, um die Epidemie dauerhaft in den Griff zu bekommen“, erklärt Eichner. Diese Zahl ist in letzter Zeit bereits öfter gefallen: Forscher gehen davon aus, dass jeder Infizierte bis zu drei weitere Personen ansteckt. Sobald zwei von drei Personen, also zwei Drittel der Bevölkerung, immun sind, hätte das Virus kaum noch eine Chance, sich weiter auszubreiten.

Martin Eichner ist Epidemiologe am Institut für Klinische Epidemiologie und angewandte Biometrie der Uniklinik Tübingen.

Martin Eichner ist Epidemiologe am Institut für Klinische Epidemiologie und angewandte Biometrie der Uniklinik Tübingen. 

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picture alliance / Silas Stein/d

Die Kontaktsperre dient nicht dazu, dass sich weniger Menschen infizieren, sondern dazu, dass es kontrollierter geschieht. Doch damit gewännen wir laut Eichner lediglich Zeit: „Wenn wir nach ein paar Wochen zum normalen Leben zurückkehren, ohne dass wir eine nennenswerte Immunität in der Bevölkerung aufgebaut haben, stehen wir genau am gleichen Punkt, an dem wir vorher standen.“

Eichner schlägt Alternative für Kontaktsperre vor

Bei einer Verlängerung der Kontaktsperren würden wir das Problem nur weiter vor uns herschieben. Und auch eine Lockerung der Maßnahmen würde bedeuten, dass wir noch monatelang mit dem Coronavirus zu kämpfen hätten. Was also wäre die Alternative? Laut dem Epidemiologen sei die schnellste Variante eine Infektionsausbreitung in Wellen. 

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„Um schneller eine hohe Immunisierung der Gesellschaft zu erreichen, müsste man die Kontakte wieder zulassen und zwar so lange, bis die Infektionszahlen wieder so stark ansteigen, dass es gesellschaftlich und für das Gesundheitssystem fast untragbar wird. Sobald die Infektionswelle in vollem Gange ist, müsste man noch einmal die Kontakte unterbrechen“, erklärt Eichner. Das solle wiederholt werden, bis bei etwa zwei Dritteln der Bürger die Immunität aufgebaut sei.

Corona-Pandemie: Wichtig ist der Schutz der Risikogruppen

Da der Epidemiologe davon ausgeht, dass dieses Szenario für die Gesellschaft extrem belastend wäre, hält er aber andere Ansätze für sinnvoller. Wichtig sei, vor allem die Risikogruppen zu schützen. Denkbar wäre der vermehrte Einsatz von Schutzmasken sowie den Antikörpertests, die gerade entwickelt werden. Doch wie man auch vorgeht: Die optimale Lösung zu finden, sei derzeit noch schwierig. „Für genauere Modellrechnungen ist die Datenlage noch viel zu diffus“, so Eichner. (mhö)

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