Keine Kunden mehr: So leiden Hamburgs Physiotherapeuten unter der Corona-Krise

    Eidelstedt –

    Um das Coronavirus einzudämmen, müssen inzwischen viele Einrichtungen schließen: Einzelhandel, Theater, Museen, Kinos, Restaurants, Cafés, mittlerweile auch Clubs und Friseure. Physiotherapeuten können das nicht, denn sie gehören zu den systemrelevanten Berufen und müssen mindestens für Notfälle geöffnet haben. Das Problem: Die Kunden bleiben weg, weil sie Angst vor einer Ansteckung haben – nun stehen einige Praxen kurz vor dem Aus.

    Das Coronavirus bedroht hierzulande viele Firmen in ihrer Existenz. Dazu zählen ausgerechnet auch Physiotherapeuten, die Teil des Gesundheitssystems und damit systemrelevant sind. Verzichten kann man auf diese Berufsgruppe nicht, doch Unterstützung gibt es seitens der Regierung auch keine. Eser Cankaya ist seit sechs Jahren Physiotherapeut und hat 2019 seine eigene Praxis in Hamburg-Eidelstedt gemeinsam mit seiner Freundin eröffnet. Er findet, dass Physiotherapeuten ohnehin zu wenig bedacht werden – doch die Probleme fangen jetzt erst richtig an. 

    Corona-Krise: Hamburger Physiotherapeuten haben Existenzängste

    „Uns brechen gerade 80 bis 90 Prozent der Patienten weg, weil sie Angst davor haben, sich zu infizieren“, erzählt der 31-Jährige imk Gespräch mit der MOPO. Diese Angst ist nicht unberechtigt, denn Physiotherapeuten stehen in engem Kontakt mit ihren Patienten. Daran gekoppelt ist ein weiteres Problem: Desinfektionsmittel und Mundschutz werden langsam knapp, Nachschub gibt es erst im Mai. „Wir kommen an nichts ran und haben Angst, Menschen anzustecken. Wie sollen wir den Schutz ohne die notwendigen Mittel einhalten? Das Infektionsrisiko ist dermaßen hoch“, erklärt der Betroffene. 

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    Auch finanzielle Einbußen sind die Konsequenz: Über die Hälfte der Einnahmen sind weggebrochen, Rücklagen seien kaum möglich. Und anderen Praxen erginge es ähnlich. „Die wenigsten werden länger als vier Wochen ohne Unterstützung überleben können“, prophezeit Cankaya. „Es wird darauf hinauslaufen, dass wir nächste Woche den regulären Betrieb ganz einstellen und wirklich nur noch für Notfälle erreichbar sind.“

    Coronavirus in Hamburg: Praxen müssen für Notfälle geöffnet bleiben

    Komplett schließen ist keine Option. Denn: Der Physiotherapeut ist verpflichtet, die Praxis für Notfälle geöffnet zu lassen. „Aber was ist ein Notfall? Und können wir von ein, zwei Notfällen am Tag überhaupt überleben?“, fragt sich Cankaya. Viele Praxen stünden schon kurz vor der Schließung und beantragen Kurzarbeitergeld, auch er sei gerade im Gespräch mit seinem Vermieter und hofft auf Unterstützung. Geld nach dem Infektionsschutzgesetz gibt es erst, wenn er oder einer seiner Klienten sich angesteckt haben – doch darauf will es der Hamburger nicht ankommen lassen. 

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    Cankaya wendete sich mit seinen Anliegen an die Gesundheitsbehörde, ans Bezirksamt, ans Robert-Koch-Institut, erhielt jedoch keine Antwort. „Wir kriegen nicht zu spüren, dass wir systemrelevant sind“, findet er. Die Ämter sind derzeit aufgrund der hohen Nachfragen völlig überlastet. Dabei könnte das, was Cankaya zu sagen hat, zur Entlastung führen. Denn der Physiotherapeut sieht in dem Wegbleiben der Kunden auch eine Chance.

    Hamburger Physiotherapeut Eser Cankaya will die Pflege entlasten

    „Ich halte die Physiotherapie grundsätzlich für systemrelevant, aber jetzt sollte man sich überlegen, ob man unsere Ressourcen nicht besser nutzen könnte, als unsere Praxen aussterben zu lassen“, erklärt er. Physiotherapeuten seien eigentlich Allrounder, die gut geschult und belastbar seien. Mit ihrer Klinikerfahrung könne man sie überall einsetzen: In der Klinik, auf der Station, für die Telefon-Hotline. 

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    „Wir sind der Menschheit gegenüber verpflichtet zu helfen, das sehen wir als unsere Aufgabe. Momentan ist die Frage, ob das, was wir machen, effektiv ist, und ob wir woanders nicht besser aufgehoben wären. Ständig hören wir, es sei zu wenig Personal da. Da könnte man ansetzen“, sagt er. Doch um etwas in Bewegung zu setzen, müssten die Therapeuten sich vereinigen und zusammenarbeiten – und vor allem endlich gehört werden.

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