Impfdosen von AstraZeneca
  • In Niedersachsen wurden zehntausende Corona-Impfdosen weggeworfen (Symbolbild)
  • Foto: dpa

Jetzt liegen Dosen ungenutzt herum: Warum kriegen wir die Impfungen nicht in den Griff?

Erst waren es viel zu wenige Impfstoffdosen, die in Deutschland zur Verfügung standen – jetzt liegen Hunderttausende Dosen ungebraucht herum, erneut wird massive Kritik an Politik und Behörden laut. Zudem gibt es neuen Streit über die Impfreihenfolge. Immerhin: In Hamburg läuft es besser.

Stellen Sie sich vor, es gibt Impftermine – und keiner geht hin. Vor allem der Wirkstoff des Herstellers AstraZeneca, der nur für Menschen unter 65 zugelassen ist, stößt nicht auf viel Gegenliebe bei den Bürgern. Dazu gibt es auch bürokratische Probleme, kritisiert Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Er spricht von einem „Impfstau“ in den Impfzentren und einer „gewissen Trägheit“ der Organisation.

Die Folge: Hunderttausende AstraZeneca-Dosen liegen derzeit ungenutzt herum. Der AstraZeneca-Impfstoff hat eine etwas geringere Wirksamkeit als jener von Biontech/Pfizer und Moderna, aber mit 70 bis 80 Prozent Wirksamkeit nach Expertenmeinung immer noch eine gute. Worum sich also die derzeitige Corona-Debatte dreht:

Wie sieht der „Impfstau“ konkret aus? Insgesamt wurde Deutschland mit rund 8,4 Mllionen Impfdosen der Hersteller Biontech/Pfizer (ca. 6,7 Millionen), AstraZeneca (ca. 1,4 Millionen) und Moderna (336.000) beliefert. Bislang wurden nur rund 270.000 AstraZeneca-Impfungen durchgeführt – reichlich Luft nach oben also. Einige Bundesländer wie Baden-Württemberg, Hessen oder auch Sachsen haben nicht einmal die erste Lieferung verimpft. Hamburg und Rheinland-Pfalz haben hingegen schon weit über 30 Prozent der Dosen an Bürger vergeben – in Sachsen sind es nicht einmal zehn Prozent. 

In Hamburg gibt es kein Problem mit Verimpfungen

Aus einigen Bundesländern heißt es jetzt, dass viele Impftermine nicht wahrgenommen werden, wenn der AstraZeneca-Impfstoff verspritzt werden soll, Hamburg kann dies jedoch nicht bestätigen. „In Hamburg können die Menschen es gar nicht abwarten, geimpft zu werden“, sagte Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde der MOPO. Allerdings werde immer noch zu wenig Impfstoff geliefert und auch die Lieferverlässlichkeit sei weiterhin verbesserungswürdig. „Wir könnten von den Kapazitäten und der Bereitschaft her mehr impfen“, so Helfrich.

Wie sieht es mit einem Nachrücker-Programm aus? Angesichts dessen, dass der AstraZeneca-Impfstoff offenbar in vielen Bundesländern ein Ladenhüter ist, mehren sich die Stimmen, die Impfreihenfolge noch einmal zu überarbeiten. Seit Mittwoch dürfen laut Impfverordnung auch Personen geimpft werden, die in Kinderbetreuungseinrichtungen, in der Kindertagespflege oder an Grundschulen tätig sind.

In den Bundesländern wird derweil verschieden priorisiert. Einige ziehen Polizisten vor, andere Lehrer, in Berlin sollen nun auch Obdachlose in Notunterkünften geimpft werden. Hamburg weitete zuletzt das Impfangebot auf niedergelassene Ärzte und Zahnärzte, Beschäftigte im Krankentransportbereich sowie Polizei- und Ordnungskräfte aus.

Wie könnte das Impftempo erhöht werden? Neben der in Teilen zu geringen Impfbereitschaft und den immer noch geringen Liefermengen könnte der Einsatz von Hausärzten eine Lösung sein. Die Ärzte sind routiniert im Verabreichen von Impfungen und würden vielen Menschen den Weg zum jeweiligen Impfzentrum ersparen. Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, kritisierte in der „Welt” die mangelnde Einbindung der Arztpraxen. Man könne ab sofort loslegen, und „zwar nicht erst irgendwann in diesem Frühjahr, im Sommer oder gar im Spätherbst, wenn möglicherweise auch die deutsche Impfbürokratie in all ihrer Weltfremdheit so weit ist“.

Meck-Pomm startet Testphase mit Hausärzten

In Mecklenburg-Vorpommern gibt es eine erste Testphase mit acht Hausärzten, die Impfungen durchführen. In Hamburg geht man davon aus, dass in den kommenden Wochen die ersten Impfungen von Hausärzten durchgeführt werden können.

Was machen andere Länder besser? In Israel zum Beispiel, wo bereits Jugendliche geimpft werden, gibt es ein digitales Gesundheitssystem. So kann viel leichter identifiziert und benachrichtigt werden, wer mit seinem Impftermin dran ist. In Marokko braucht es keine schriftliche Benachrichtigung oder stundenlanges Ausharren in der Telefon-Warteschleife, um einen Impftermin zu ergattern – eine SMS mit der Personalausweisnummer reicht, dann bekommt man seinen Termin. In Deutschland gibt es hingegen keine einheitliche Impf-Software. Jedes Bundesland kocht sein eigenes bürokratisches Süppchen.

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Welche Impfstoffe könnten bald zugelassen werden? Viel hilft viel, so auch bei den Impfstoffen. Derzeit sind drei Vakzine zugelassen, jede weitere Zulassung könnte Entspannung in die angespannte Impflage bringen. Als nächstes dürften der von Johnson & Johnson und Curevac zugelassen werden. Erstgenannter hat den Vorteil, dass nur eine Dosis zur Immunisierung reicht. (fkm) 

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